Wundervolle Tragikkomödie wurde teils in Dresden und Görlitz gedreht
Seufz-Seufz: Ja einst, vor langer, langer Zeit, da gab es in deutschen Landen noch kultivierte Hotels, in denen man gepflegte Konversation betrieb und im Luxus des Habsburger-Imperiums – pardon: des zubrowkischen Empires – schwelgte. In denen Pagen die Wünsche der Gäste erfüllten, noch bevor die sich ihres Wunsches überhaupt bewusst waren. In denen Chef-Concierges noch auch dem Stegreif Lyrik rezitierten, reiche Witwen befriedigten und raffinierte Kunstdiebstähle ausheckten… Pardon? Passt das ins Bild? Wohl nur in Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“, einer grotesk-wunderbaren filmischen Reminiszenz an vergangene zivilisierte Zeiten, die nun fürs Heimkino verfügbar ist.
Werbevideo (Fox, Englisch):
Star-Besetzung bis in die kleinsten Nebenrollen
Gelungen ist dem US-Regisseur hier eine Tragikkomödie, die so europäisch wirkt, wie nur ein Hollywood-Streifen sein kann. Und dies mit so viel Esprit, Detailverliebtheit und teils bizarren Ironien, dass Anderson selbst bis in die Nebenrollen hinab unter der Creme de la Creme der internationalen Schauspiel-Stars wählen konnte: Da sehen wir einen Ralph Fiennes („Roter Drache“, „Harry Potter“), dem die Rolle des exaltiert-pedantischen Concierge Gustave H. auf den Leib geschrieben ist. Edward Norton („Fight Club“, „Das Bourne Vermächtnis“) wiederum jagt als K.u.K-Inspektor Henckels eben diesen Concierge, den er des Mordes an der reichen Witwe Madame D. (Tilda Swinton, „Orlando“, „Snowpiercer“) verdächtigt. Erzählt wird diese Story in verschachtelten Ebenen von H.s früheren Protegé Zero Mustafa, der in seiner jungen Ausgabe von Tony Revolori und gealtert von F. Murray Abraham („Stargate“, „Continuum“) gemimt wird, aufgeschrieben wiederum von einem jungen namenlosen Schriftsteller, der von Jude Law („Gattaca“, „Hugo Cabret“ dargestellt wird. Und dazwischen blitzen Willem Dafoe als Bösewicht, Bill Murray als würdevoller Hotelier, Saoirse Ronan („Byzantium“) als Bäckerin Agatha, Harvey Keitel als Knasti und viele andere bekannte Gesichter in teils für sie ungewöhnlichen Rollen auf.
Spiel mit ironischen Brechungen
Dass sich die Hollywood-Riege derart darum gerissen hat, in diesem „Grand Budapest Hotel“ abzusteigen, ist auch kein Wunder: Anderson erzählt nicht nur augenzwinkernd einfach eine schöne nostalgische Geschichte, sondern arbeitet auch wohldosiert mit filmischen Ironien. Eine der Story-Ebenen beispielsweise erzählt er wie einen Gesellschaftsroman, eine andere erinnert an einen Olsenbanden-Film, wieder andere erinnern mit wohl bewusst altmodischer Tricktechnik an die Stummfilm-Zeit. Und dazwischen sind offensichtlich absichtliche Anachronismen und Filmfehler eingestreut, zum Beispiel K.u.K.-Uniformen in der Nazi-Zeit oder vollkommen sinnlose englische Beschriftungen an deutschen Festungen und Häusern.
Görlitzer Warenhaus wurde zum imperialen Grandhotel
Angesiedelt ist die Geschichte in einem fiktiven Berghotel im Sudetengebirge. Gedreht wurden aber viele Szenen in einem historischen Görlitzer Warenhaus, in der Rüstkammer, am Zwinger und Fürstenzug in Dresden – in den beigefügten Kurzdokus äußern sich die Hollywood-Granden ganz entzückt von diesem Drehorten. Apropos DVD-Bonussektion: Dort finden sich auch eine Bildergalerie zum Beispiel mit eigens getürkten Zubrowka-Banknoten sowie ein Rezept jener Mendls-Leckereien, die im Film immer wieder eine Rolle spielen.
Fazit: wundervoll nostalgisch – mit grotesken Einschlägen
Wes Anderson liefert hier eine ganz wundervolle und topbesetzte Tragikkomödie ab, die in den „schönen“ alten Zeiten schwelgt, die es so wahrscheinlich nie wirklich gegeben hat, die wir aber gern mit des Kaiserreichs ganzvollen Zeiten assoziieren. Aufgelegt hat diese filmische Perle die Programmkino-Sparte der Fox-Studios, „Fox Searchlights“, die schon manches überraschende Kleinod auf die Heimkino-Leinwände gebracht hat. Autor: Heiko Weckbrodt
Grand Budapest Hotel (Fox Searchlight), Tragikkomödie, USA 2014, Regie: Wes Anderson, mit Ralph Fiennes, Edward Norton, Tilda Swinton u.v.a., FSK 12, DVD 14 Euro, Bluray 17 EuroIhre Unterstützung für Oiger.de!
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