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Risikokapital-Lücke bremst Sachsen junge Hightech-Wirtschaft aus

Sachsens Hightech-Gründer leiden unter Risikokapital-Lücken. Foto: Heiko Weckbrodt

Sachsens Hightech-Gründer leiden unter Risikokapital-Lücken. Foto: Heiko Weckbrodt

Neuer Investorenkongress in Dresden trommelt für Tech-Startups

Dresden, 14. November 2013: Weil zu wenig Risikokapital nach Sachsen fließt, läuft der Freistaat Gefahr, Hightech-Jobs und Wirtschaftsleistung an andere Bundesländer oder das Ausland zu verlieren. Das haben Unternehmensgründer, Wirtschaftsförderer und Investorenvertreter heute zum Auftakt des Investorenkongresses „Innovationswerkstatt Kapital: Invest 2013“ in Dresden eingeschätzt.

Anleger scheuen teure Hochtechnologie-Investitionen

Denn wegen der zahlreichen Forschungsinstitute entstehen in Sachsen zwar viele Hochtechnologie-Ausgründungen. Diese benötigen jedoch im Vergleich zu Software-Startups, wie sie beispielsweise in Berlin aus dem Boden schießen, überdurchschnittlich viel Startkapital. Die ohnehin eher rar gesäten deutschen Risikokapital-Gesellschaften scheuen aber die benötigten Starteinsätze von mehreren Millionen Euro für Hightech-Neugründungen oder sind oft auch außerstande, diese Summen aufzubringen.

 Jens Junker, Geschäftsführer der RKW Sachsen. Foto. Heiko Weckbrodt

Jens Junker, Geschäftsführer der RKW Sachsen. Foto. Heiko Weckbrodt

Auffällig viele Technologiefirmen in Sachsen

„Im Silicon Valley in den USA gibt es natürlich potente Risikokapitalgeber“, sagte Jörg Kaienburg von der Dresdner TU-Ausgründung „SIListra Systems“. „Aber wenn die hören, dass man in Deutschland sitzt, sagen die: ,Siedeln Sie sich doch bei uns an’. Es wäre aber für Sachsen verhängnisvoll, wenn hier die Startups abwandern würden.“ Ähnlich schätzt das Jens Junker, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens RKW Sachsen GmbH, ein. „In Sachsen gibt es auffällig viele interessante Technologiefirmen. Aber viele schaffen aus Kapitalmangel den Start nicht oder können sich nicht weiterentwickeln.“

Kaum 1 % des Risikokapitals fließt gen Freistaat

Sieht man sich die deutschen Kapitalströme, die in neue Unternehmen fließen, genauer an, so ist Sachsen trotz seiner Forschungs- und Hochtechnologie-Stärken tatsächlich unterbewertet: Laut dem „Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften“ (BKV) wurden im Jahr 2012 insgesamt 5,84 Milliarden Euro privates Kapital investiert, doch weniger als ein Prozent (50,1 Millionen) kamen dem Dreieck Dresden-Chemnitz-Leipzig zugute. Im Risikokapitalmarkt wurden deutschlandweit 521 Millionen Euro investiert und auch hier bekamen die Sachsen nur 16 Millionen Euro ab. Zum Vergleich: Das meiste „Venture Capital“ (VC) bekam Berlin mit 173 Millionen Euro ab – und dort vor allem Software-Firmen.

Hoffnung auf Land und Fonds-Ansiedlungen

Daher haben RKW und der Verein „Hightech Startbahn Netzwerk“ nun den zweitägigen Kongress „Invest“ in Dresden ausgerichtet – um die Region in den Augen in- und ausländischer Kapitalgeber „sichtbarer zu machen“, wie Vereins-Vorstand Bettina Voßberg erklärte. Perspektivisch hoffe man zudem auf Ansiedlungen privater Fondsgesellschaften sowie einen Risikokapitalfonds des Landes Sachsen, der in ähnlichen Größenordnungen wie der mit etwa 100 Millionen Euro dotierte Bayern-Fonds dotiert sein sollte.

SIListra: Hochsicherheits-Systeme fordern langen Atem

Auf dem Kongress werden jedenfalls nun 46 junge Technologieunternehmen aus Mitteldeutschland von rund 40 Kapitalorganisationen aus dem In- und Ausland begutachtet. Die erwähnte „SIListra“ aus Dresden beispielsweise hat ein hochautomatisiertes System entwickelt, das Fehler in sensiblen Elektronikbauteilen von Autos, Flugzeugen und anderen Maschinen binnen einer Woche statt – wie bisher – eines Jahres ausfindig machen kann. Wegen der hohen Haftungsrisiken kann es jedoch Jahre dauern, bis die „SIListra“-Systeme bei Kunden wie Audi akkreditiert und implementiert sind – Zeit, die Kapital erfordert, um das Firmenchef Kaienburg nun ringt.

Dresdner Digitalforensik bei Polizei wie Versicherungen gefragt – doch Kapital ist rar

Durch Farbfehler-Analyse konnten die Dence-Experten ermitteln, dass die grün eingekreiste Vase (links) auf diesem Bild des Dresdner Zwingers noch mal per Digitalretouche in die Mitte kopiert wurde. Abb.: Dence

Durch Farbfehler-Analyse konnten die Dence-Experten ermitteln, dass die grün eingekreiste Vase (links) auf diesem Bild des Dresdner Zwingers noch mal per Digitalretouche in die Mitte kopiert wurde. Abb.: Dence

Ähnlich geht es Thomas Gloe, der ebenfalls eine Ausgründung der TU Dresden leitet: Die Digitalforensik-Computerprogramme der „Dence GmbH“ identifizieren Fälschungen in Fotos und Videos. Das Interesse von Polizeibehörden, Gerichten und Versicherungen ist groß. Doch bis die ersten Gewinne in die im März 2013 gegründete „Dence“ zurückfließen, muss sich die Firma mit Fremdkapital finanzieren – und das ist eben in Sachsen rar.

Deutschland bleibt VC-Entwicklungsland

Diese Risikokapitallücke ist – im ostdeutschen Vergleich – im forschungs- und hochtechnologieorientieren Sachsen zwar besonders schwierig, aber durchaus auch generell ein deutsches Problem, meint Wolfgang Seibold vom BKV: „In den USA entstehen über 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und elf Prozent der Arbeitsplätze in Unternehmen, die VC-Unterstützung haben oder hatten.“, sagt er. „In Deutschland sehen wir da erheblichen Nachholebedarf.“ Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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