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EU will Europas Mikroelektronik in Spitzenliga katapultieren

Montage: Alexander Eylert

Montage: Alexander Eylert

Sachsen begrüßen neue Strategie in Brüssel und fordern nun mehr Hilfe vom Bund

Dresden/Brüssel, 24. Mai 2013: Damit Europa den Anschluss an die internationale Hochtechnologie-Entwicklung nicht verliert, hat EU-Vizepräsidentin Neelie Kroes in Brüssel angekündigt, die Mikro- und Nanoelektronik künftig stärker zu unterstützen und die Hightech-Standorte Dresden, Eindhoven/Löwen und Grenoble auszubauen. Im Zuge einer neuen EU-Kampagne sollen bis 2020 rund 100 Milliarden Euro an privaten und öffentlichen Investitionen für die Mikroelektronik mobilisiert werden. Unter anderem sei ein gemischt finanziertes, zehn Milliarden Euro teures Innovationsprogramm geplant. Sächsische Politiker und Wirtschaftsvertreter begrüßten diese Ankündigungen– fordern nun aber auch mehr Unterstützung durch den Bund.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Abb.: J. Jeibmann/Staatskanzlei

Stanislaw Tillich. Abb.: J. Jeibmann/ Staatskanzlei

Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wertete die neue Strategie in Brüssel als Bekenntnis der EU zum Elektronik-Cluster Dresden. „Sachsen hat sich immer für eine bessere Koordinierung stark gemacht und wird vom Standort Dresden aus dazu beitragen“, betonte er. Er appellierte zugleich an den Bund, sich der EU-Strategie anzuschließen. Das sieht Globalfoundries-Manager Jens Drews ähnlich: „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber wir brauchen mehr Unterstützung von der Bundesregierung“, sagte Drews, der beim Chip-Auftragsfertiger für die Beziehungen zu Bund, Land und EU zuständig ist.

 Streit um Subventions-Obergrenzen schwelt seit Jahren

Hintergrund: In den 1990er Jahren hatte sich der traditionsreiche Elektronik-Standort Dresden durch Großansiedlungen wie die von Siemens Halbleiter und AMD in die erste Liga der weltweit wichtigen Mikroelektronik-Standorte katapultiert – nicht zuletzt durch milliardenschwere Beihilfen von Land, Bund und EU. Solch hohe Subventionen fließen aber längst nicht mehr, auch weil Brüssel Beihilfe-Obergrenzen festgelegt hatte, um einen ruinösen innereuropäischen Subventions-Wettlauf zu vermeiden.

Blick in den Reinraum des belgischen Mikroelektronik-Forschungszentrums "IMEC" in Löwen (Leuven), das nun auch zur Allianz "Silicon Europe" gehört. Abb.: IMEC

Blick in den Reinraum des belgischen Mikroelektronik-Forschungszentrums „IMEC“ in Löwen (Leuven), das nun auch zur Allianz „Silicon Europe“ gehört. Abb.: IMEC

Industrievertreter und Branchenverbände wie „Silicon Saxony“ betonen seitdem beharrlich die Schlüsselrolle der Mikroelektronik für die gesamte Wirtschaftsentwicklung in Europa. Dabei gehe es längst nicht mehr um einen innereuropäischen Standortwettbewerb, sondern einen globalen – in dem Europa nur verlieren könne, wenn es auf eine eigene, starke Halbleiterindustrie verzichte. Um dies zu unterstreichen, schmiedeten die führenden Elektronik-Cluster Dresden, Grenoble (Frankreich), Eindhoven (Niederlande) und Löwen (Belgien) im vergangenen Herbst in Dresden dafür die Lobby-Allianz „Silicon Europe“.

Bereits im Jahr 2011 setzte ein Umdenken in Brüssel ein. Die EU definierte die Nanoelektronik als eine von fünf besonders förderwürdigen Schlüsseltechnologien in Europa. Während der Freistaat Sachsen seit Jahren in eine ähnliche Richtung schießt, gibt sich Berlin laut Ansicht vieler Dresdner Hightech- und Forschungs-Akteure in dieser Hinsicht eher zugeknöpft – wohl nicht zuletzt angesichts der enormen Kosten (und potenziell auch Fördersummen), die eine Nanochip-Industrie an vorderster Front verursachen kann.

EU will Europas Anteil an weltweiter Chipproduktion auf 20 % verdoppeln

Neelie Kroes. Foto: EU-Kommission

Neelie Kroes. Foto: EU-Kommission

Die nun von EU-Vizepräsidentin Kroes ausgerufene „neue europäische Industriestrategie für die Elektronik“ hält sich zwar butterweich mit konkreten Geldzusagen zurück, insofern bleiben auch die praktischen Konsequenzen für den Mikroelektronik-Standort Sachsen noch abzuwarten. Allerdings hat sich Kroes auf einige Punkte festgelegt: So nennt sie Dresden, Eindhoven/Löwen und Grenoble als ausbauwürdige Weltklasse-Elektronik-Cluster. Diese sollen außerdem die Zusammenarbeit mit anderen Chip-Zentren wie Leixlip (Intel Irland) und Cambridge (England) ausbauen.

Letztlich soll sich der Anteil Europas an der weltweit produzierten Mikroelektronik auf etwa 20 Prozent verdoppeln. „Ich möchte, dass Europa mehr Chips in Europa produziert als die Vereinigten Staaten im eigenen Land“, betonte sie. „Das ist ein realistisches Ziel, wenn wir unsere Investitionen richtig lenken.“

Umstieg auf 450-mm-Technologie erklärtes Ziel

Eine Fraunhofer-Mitarbeiterin zeigt im Reinraum einen 300-mm-Wafer (l.) und eine 450er Scheibe im Vergleich. Abb.: Fraunhofer IISB

Eine Fraunhofer-Mitarbeiterin zeigt im Reinraum einen 300-mm-Wafer (l.) und eine 450er Scheibe im Vergleich. Abb.: Fraunhofer IISB

Nicht zuletzt erklärte Kroes den Umstieg von 300 auf 450 Millimeter große Siliziumscheiben (Wafer) zu einem Kernziel. Dies liest sich wie ein bloßes technisches Detail, würde allerdings die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Halbleiterfabriken enorm steigern, da sie ihre Chips dann billiger produzieren könnten.

Infineon-Manager Warnecke: Das wird teuer

Der Haken: Dafür sind enorme Startinvestitionen nötig. „Die USA haben in der 450-mm-Technologie die Führung übernommen“, schätzte der Infineon-Manager und „Silicon Saxony“-Vizepräsident Helmut Warnecke ein. „Durch industriepolitische Grundsatzentscheidungen wurden dafür im Raum New York starke Ressourcen konzentriert. Insofern ist es nur konsequent, dass Europa in diesen Wettbewerb einsteigt.“ Er warnte indes davor, den nötigen Aufwand zu unterschätzen. „Da sprechen wir von Investitionen dicht am zweistelligen Milliardenbereich für nur eine einzige 450-Millimeter-Fertigungsstätte.“ Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Reaktionen auf die neue EU-Elektronik-Strategie

Globalfoundries: 450-mm-Fabrik ohne Staatshilfe kaum denkbar

Experten: Europas Hightech-Industrie droht „Tal des Todes“

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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