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Milliardär Quandt übernimmt angeschlagene Solarwatt – aber jeder 4. Job geht flöten

Stefan Quandt will Solarwatt übernehmen. Abb.: BMW-Stiftung

Stefan Quandt. Abb.: BMW-Stiftung

Dresden, 1.8.2012: Der überschuldete Dresdner Solarmodul-Hersteller „Solarwatt“ bekommt durch eine Kapitalspritze des BMW-Milliardärs Stefan Quandt die Chance auf einen Neuanfang – allerdings zu einem hohen Preis: Etwa jeder vierte Mitarbeiter verliert seinen Job, die Gläubiger sollen auf 84 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Das sieht ein Sanierungsplan vor, den heute das Insolvenzgericht in Dresden genehmigt hat.

Der neue Vorstandsvorsitzende Detlef Neuhaus – der vormalige Firmenchef, Gründer und Miteigentümer Frank Schneider hatte schon Mitte Juni diesen Posten geräumt – sieht gute Zukunftschancen für das Unternehmen als Anbieter kompletter Solarsysteme – wenn die Gläubiger dem Restrukturierungsplan zustimmen. Auch könne es so gelingen, den größten Teil der Solarwatt-Jobs in Dresden zu erhalten.

98 Mitarbeiter müssen gehen – Transfergesellschaft geplant

Solarwatt-Vorstand Detlef Neuhaus. Abb.: Solarwatt

Solarwatt-Vorstand Detlef Neuhaus. Abb.: Solarwatt

Das wird wohl mancher Betroffene nicht ganz so rosig sehen: Der Vorstand will zwei von vier Solarmodul-Produktionslinien im Dresdner Werk stilllegen. Von 435 Männern und Frauen der Stammbelegschaft sollen am Ende nur noch 337 übrig bleiben. Die 98 Mitarbeiter, die gehen müssen, wechseln ab Ende August in eine noch mit dem Betriebsrat auszuhandelnde Transfergesellschaft, die sie umqualifizieren und ihnen bei der Suche nach neuen Jobs helfen soll. Zudem hatte Solarwatt bereits in den vergangenen zwei Jahren abgespeckt: Noch im Jahr 2010 beschäftigte das Unternehmen 473 Stamm- und 177 Leiharbeiter.

Eigenkapital wird genullt, Quandt übernimmt

Auch die Gründer und Kapitalgeber müssen verzichten: Um das Unternehmen zu retten, wird das Grundkapital technisch auf Null heruntergesetzt. Dann werden fünf Millionen Euro neues Eigenkapital eingezahlt, zu 94 Prozent finanziert von Milliardär Stefan Quandt, zu sechs Prozent von der „ACTON 1. Beteiligungs GmbH“, die der Quandt-Familie gehört. Quandt hatte bisher 36,3 Prozent der Solarwatt-Anteile und steigt nun zum Alleineigentümer auf. Weitere fünf Millionen Euro will Stefan Quandt der Firma als Gesellschafterdarlehen zur Verfügung stellen, damit sich Solarwatt zum Systemanbieter umprofilieren kann.

Solarziegel und Hausenergiesysteme sollen Zukunft sichern

Diese Idee verfolgt der Solarwatt-Vorstand bereits seit einiger Zeit, seit die Umsätze mit dem klassischen Solarmodulverkauf wegen der erstarkten chinesischen Konkurrenz immer mehr schrumpfen. Als Komplettprodukt-Anbieter haben die Dresdner bereits Solar-Dachziegel entwickelt. Nun sollen Hauskomplettsysteme mit Photovoltaik-Modulen, Energiespeichern und Reglungstechnik folgen.

Gläubiger sollen auf 84 Prozent ihres Geldes verzichten

Der Solarmodul-Hersteller setzt in seiner Dresdner Fabrik auch auf Automatisierung. Abb.: Solarwatt

Der Solarmodul-Hersteller setzt in seiner Dresdner Fabrik auch auf Automatisierung. Abb.: Solarwatt

Ob Solarwatt diesen Weg gehen kann, hängt jetzt vor allem von den Gläubigern ab. Wenn die sich auf der Versammlung am 11. September mit den angebotenen 16 Prozent ihrer Forderungen zufriedengeben (das betrifft auch Privatanleger, die im Herbst 2010 die kapitalmarkt-Anleihe von Solarwatt gezeichnet hatten), könnte der Insolvenzrichter wenig später das Verfahren beenden und Solarwatt wieder als „normales“ Unternehmen agieren – alternativ droht wirklich die Pleite.

Solarwatt hatte sich Mitte Juni für überschuldet erklärt und beim Insolvenzgericht Dresden einen Sanierungsversuch in Eigenverwaltung beantragt (Der Oiger berichtete). Der Richter forderte daraufhin einen Restrukturierungsplan, den Solarwatt in Absprache mit Sachwalter und Rechtsanwalt Rainer Bährund der „Salans LLP“ am 31. Juli vorlegte. Daraufhin bestätigte gestern der zuständige Richter das Eigenverwaltungsverfahren als Alternativersuch zu einer Insolvenz.

Am vergangenen Freitag war zudem die Solarwatt-Tochter „Sunstrom“ pleite gegangen. Laut Neuhaus tangiere dies jedoch nicht die Sanierungspläne für Solarwatt – man habe im Restrukturierungsplan keine Gelder für Sunstrom eingeplant. Die Insolvenz des Solarkraftwerk-Anbieters sei durch dessen Fokussierung auf den – inzwischen zusammengebrochenen – deutschen Photovoltaik-Markt begründet, habe aber nichts mit den Geschäftsbeziehungen zwischen Solarwatt und Sunstrom zu tun, betonte der Vorstands-Chef auf Oiger-Anfrage. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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