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Sachsen fördert Galliumnitrid-Halbleiterforschung in Dresden mit 3,5 Millionen Euro

Blick in die Azzurro-Fabrik in Dresden: Ein Mitarbeiter belädt die Pilotanlage mit Gallium-Nitrid-Wafern. Foto: Andor Schlegel

Blick in die Azzurro-Fabrik in Dresden: Ein Mitarbeiter belädt die Pilotanlage mit Gallium-Nitrid-Wafern. Foto: Andor Schlegel

Dresden, 24.7.2012: Der Freistaat Sachsen und die EU fördern die Dresdner Entwicklung von Spezial-Halbleitern mit über 3,5 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um 200 Millimeter große Siliziumscheiben (Wafer), die mit einer Gallium-Stickstoff-Verbindung (GaN) beschichtet werden, wie sie für die Produktion von Leuchtdioden und Leistungselektronik benötigt werden. Einen Förderbescheid über 2,6 Millionen Euro hat Landesforschungs-Ministerin Sabine von Schorlemer (parteilos) heute an die „Azzurro“Fabrik in Dresden übergeben. Eine weitere Tranche über 930.000 Euro hat sie bereits dem Projektpartner „Namlab“ – einem Elektronikinstitut der TU Dresden – zugesagt.

Stark im Nehmen: GaN-Chips stecken Hochspannung besser weg

Gallium-Nitrid-Chips sind zwar ein Nischenmarkt im Vergleich zur Silizium-Mikroelektronik. Im Zuge der „Energiewende“ wächst aber ihre Bedeutung. Denn nur GaN-Bauelemente vertragen die starken Ströme, die hohen Gleich- und Wechsel-Spannungen, wie sie zum Beispiel in Solar- und Windkraftwerken oder in Elektroautos auftreten. Auch für die Leuchtdionden-Produktion (LED), für Computertelefone (Smartphones) und Bluray-Videogeräte (blaue Laser) sie benötigt.

Einsparpotenzial entspricht gesamter Solar- und Windkraft-Energieerzeugung

Azzurro-Chef Erwin Wolf. Abb.: Azzurro

Azzurro-Chef Erwin Wolf. Abb.: Azzurro

Im Vergleich zu Silizium-Chips können GaN-Halbleiter bis zu 90 Prozent der Strom-Konversionsverluste einsparen, wie Azzurro-Chef Erwin Wolf betont. Flächendeckend eingesetzt entspreche dieses Einspar-Potenzial der heutigen Energieproduktion aller Wind- und Solarparks plus 20 Prozent der Kohleverstromung.

Allerdings beherrschen nur ganz wenige Unternehmen weltweit diese Spezialtechnologie. Auch Sachsen will in diesem Zukunftsmarkt mitspielen und die „Wertschöpfungskette im Silicon Saxony“ vergrößern, wie von Schorlemer betonte. Deshalb fördert der Freistaat zum Beispiel die Züchtungsforschung reiner Gallium-Nitrid-Kristalle in Freiberg, Infineons neue Leistungshalbleiter-Fabrik im früheren Qimonda-Werk Dresden (Wir  berichteten) und eben auch „Azzurro“.

Statt reiner GaN-Kristalle werden Silizium-Wafer beschichtet

Die 2003 von der Uni Magdeburg ausgegründete Elektronikfirma setzt allerdings auf eine etwas andere Technologie als die Freiberger: Statt reine GaN-Wafer zu fertigen, kaufen sie Silizium-Wafer. Diese beschichten sie dann in – bis zu 1200 Grad heißen – Hightech-Öfen im Epitaxie-Verfahren mit einer nur wenige Tausendsel Millimeter (= Mikrometer) dünnen Schicht aus GaN. Der Trick dabei sei, die feineren GaN-Kristallgitter völlig eben auf die gröberen Silizium-Atomgitter zu legen, betonte Azzurro-Chef Erwin Wolf. Dieses Know-How sei weltweit nahezu einmalig.

Hightech-Ansiedlung in alter Weberei

Angelockt vom Dresdner Fachkräftepotenzial, der hiesigen Hightech-Infrastruktur und Förderversprechen zogen die Magdeburger ihre erste richtige Fabrik allerdings nicht daheim, sondern in Dresden hoch. Seit dem vergangenen Jahr wurde dafür die ehemalige Spitzenmanufaktur an der Breitscheidstraße mit Hightech ausgerüstet.

Umstieg auf 200-mm-Technik – 300er-Schritt soll später folgen

Hier haben die Magdeburger bereits 53 Mitarbeiter angeheuert, bis zum Jahresende sollen es 60 sein. Sowohl die Fabrikinvestitionen wie auch den laufenden Geschäftsbetrieb finanziert „Azzurro“ – das noch längst keine gewinne schreibt – vorerst durch Riskikokapital. Dafür hatte das Unternehmen in zwei Finanzierungsrunden zunächst 2,2 Millionen Euro und dann noch einmal 14,5 Millionen Euro als „Venture Capital“ (VC) eingesammelt.

Ein Galliumnitrid-beschichterer Silizium-Wafer von Azzurro. Abb. (3): Azzurro

Ein Galliumnitrid-beschichterer Silizium-Wafer von Azzurro. Abb.: Azzurro

In Dresden wollen die Magdeburger auch den nächsten Technologieschritt gehen, der nun vom Land und dem „Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung“ (EFRE) mit besagten Forschungsgelder gefördert wird: In Dresden wollen sie von 150- auf 200-mm-Wafer übergehen – gemeinsam mit dem Forschungspartner „Namlab“ von der TU Dresden. Dies werde die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und des ganzen Standorts deutlich steigern, hieß es von Azzurro. Auch ein späterer Umstieg auf 300-mm-Wafer sei nicht ausgeschlossen.

Glückloser Qimonda-Chef im Aufsichtsrat

Ein kleiners Schmankerl am Rande: Der 2009 pleite gegangene Speicherchip-Hersteller Qimonda spielt auch in dieses Projekt indirekt immer wieder hinein. So wurde der Forschungspartner „Namlab“ ursprünglich von Qimonda mitgegründet. Und im Azzurro-Aufsichtsrat sitzt kein anderer als der so wenig erfolgreiche frühere Qimonda-Konzernchef Kin Wah Loh – aber wer glaubt schon an böse Omen… Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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