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Pocketbook will Umsatz mit neuen Lesegeräten und eBüchern verdoppeln

Der Android-Tablettrechner "A 10" von Pocketbook mit einem interaktiven Kinderbuch. Abb.: hw

Der Android-Tablettrechner "A 10" mit aktiven Toiuch-Bildschirm von Pocketbook mit einem interaktiven Kinderbuch. Das gerät kostet rund 250 Euro und damit etwa halb soviel wie ein iPad. Abb.: hw

Radebeul, 1.3.2012: Ein reichliches Jahr nach der Eröffnung seines Deutschlandsitzes in Radebeul zeigte sich der Lesegerät-Anbieter „Pocketbook“ zufrieden mit der Standort-Entscheidung: Zwar habe das Unternehmen seine ehrgeizigen Ziele für den deutschen Markt nicht ganz erreicht, wie der deutsche Pocketbook-Chef Peter Jargstorf gestern einräumte. Dennoch sei es gelungen, den Marktanteil der in der Ukraine entwickelten und beim chinesischen Auftragsfertiger Foxconn gebauten eBuch-Lesegeräte aus dem Stand von einem auf schätzungsweise zehn Prozent zu erhöhen. Angepeilt waren ursprünglich 25 Prozent.

Der Umsatz in Deutschland habe sich binnen eines Jahres vervierfacht, sagte Jargstorf. Auch hier habe man die geplanten zehn Millionen Euro nicht ganz erreicht. Dennoch sei er mit dem Wachstum und dem Standort sehr zufrieden.

Unternehmen kritisiert hohe Steuern und Preisbindung für eBooks in Deutschland

Kritisiert die hohen deutschen eBook-Steuern Peter Jargstorf. Abb.: hw

Kritisiert die hohen deutschen eBook-Steuern: Peter Jargstorf. Abb.: hw

Derweil kritisierte Jargstorf scharf die künstlichen Markthürden für eBücher in Deutschland: „Ich spreche da vor allem von der deutschen Buchpreisbindung und der hohen Besteuerung.“ Es sei für ihn „nicht nachvollziehbar“, warum der Staat Papierbücher mit nur sieben Prozent besteuere, eBücher aber mit 19 Prozent, obwohl das digitale Buch helfe, Papier und andere Ressourcen zu sparen. Die Bundesrepublik könne sich da ein Vorbild an anderen Ländern nehmen, die die eBook-Steuern in jüngster Zeit teils drastisch gesenkt haben – in Luxemburg zum Beispiel von 15 auf drei Prozent.

Allerdings hatten die Ukrainer und ihre Partner den deutschen Markt und die dynamische internationale Entwicklung wohl auch etwas unterschätzt: So dauerte es seine Zeit, neben dem Internetverkauf von Lesegeräten und elektronischen Büchern auch bei großen Präsenzketten wie Media Markt und Saturn gelistet zu werden. Außerdem haben sich Konkurrenten wie Sony (PRS-Geräte), Amazon (Kindle-Reader) und Apple (iPad) als harte Nüsse erwiesen.

Schneller Prozessor, besserer Bildschirm: Anatoli Lucher zeigt das neue Pocketbook Touch 622. Abb.: hw

Schneller Prozessor, besserer Bildschirm: Anatoli Lucher zeigt das neue Pocketbook Touch 622. Abb.: hw

Zudem verließen sich die Ukrainer wohl allzu sehr auf ihr breites Produktportefeuille, das ihnen in den GUS-Staaten immerhin einen Marktanteil von über 40 Prozent beschert hatte. Tatsächlich bietet auf dem deutschen Markt kein anderes Unternehmen so viele unterschiedliche Geräte wie Pocketbook – vom kleinen 5-Zoll-Lesegerät bis zum 9,7-Zoll-Tablettrechner. Technologisch und konzeptionell jedoch wiesen die Pocketbooks zunächst nicht die Standards auf, wie sie deutsche eBuch-Lesefreunde längst von Apple, Amazon & Co. gewohnt sind – das hatte auch ein Oiger-Test deutlich gezeigt (Wir berichteten).

Geräte nach Oiger-Kritik deutlich modernisiert

„Wir haben uns Ihre Kritikpunkte zu Herzen genommen“, betonte nun Anatoli Loucher von der Entwicklungsabteilung. Tatsächlich hat die Firma mit dem neuen „Pocketbook Touch 622“ (ab Mitte März erhältlich) und dem Tablettcomputer „A 10“ (seit Januar verfügbar) nun zwei sehr konkurrenzfähige Geräte zu moderaten Preisen am Start, die die von Jargstorf avisierte Umsatz-Verdoppelung in diesem Jahr als realistisch erscheinen lassen. Das Tablet „A 10“ mit Android-Betriebsystem zum Beispiel kostet nur halb soviel wie ein iPad und macht einen guten Eindruck. Und das – auf elektronischen Papier der Sorte „Pearl Ink“ basierende – Pocketbook 622“ kommt jetzt mit moderner Wischbedienung und reaktionsfreudigem Bildschirm daher. Unsere ersten Kurztests sind hier zu finden.

Umsatzanteil aus Buchverkauf soll steigen

Außerdem will sich Pocketbook an Amazons Geschäftskonzept ein Vorbild nehmen und künftig einen größeren Umsatzanteil durch den Buchverkauf – bis hin zur Erstellung eigener interaktiver Kinderbücher – erzielen. Dafür haben die Ukrainer nun ihren deutschen Internet-Buchladen „Obreey“ deutlich modernisiert. Bisher finanziert sich das Unternehmen fast nur durch den Geräteverkauf.

Muttergesellschaft verlegt Haupsitz von Kiew nach Lugano

„Pocketbook“ war 2007 von Linux-Programmierern in Kiew gegründet worden. 2011 richtete das Unternehmen den Deutschlandsitz an der Richard-Wagner-Straße in Radebeul. Während die Muttergesellschaft (weltweit rund 200 Mitarbeiter) inzwischen aus der Ukraine in die Schweiz umgezogen ist, gilt die sächsische Tochter nun als etabliert – acht Mitarbeiter beschäftigt sie in der Lößnitzstadt. Nach der Aufbauphase gibt nun Geschäftsführer Peter Jargstorf den Chefsessel an seinen Sohn Milan ab – er selbst werde nur noch beratend für die Firma tätig sein, sagte der Senior. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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