Berlin/Dresden, 11.2.2012: Obwohl der Bund inzwischen die Ratifizierung gestoppt hat, sind heute Mittag bundesweit Zehntausende – vor allem jüngere – Deutsche auf die Straße gegangen, um gegen das internationale Urheberrechtsschutz-Abkommen „ACTA“ zu demonstrieren. Sie befürchten schwerwiegende Eingriffe für die Informationsfreiheit im Internet, sollte das Abkommen nationales Recht werden. Allein in Dresden gingen über 3000 Menschen auf die Straße, wie Oiger-Reporter Ronny Siegel mitteilte.
„Die jüngeren Dresdner dominieren hier eindeutig“, berichtete er aus dem Kundgebungszug, der sich gegen 12 Uhr nahe am Alberplatz versammelt hatte und sich dann zum Elbufer bewegte. „Die Stimmung ist recht ausgelassen und entspannt. Einige tragen Plakate, andere Guy-Fawkes-Masken.“
Hacker-Grundsatz „Information ist frei“ eint Protestler
Die stilisierten Masken des Königs-Attentäters Guy Fawkes (1570-1606) sind vor allem seit der Comic-Verfilmung „V wie Vendetta“ – die den Widerstand gegen ein totalitäres Regime thematisiert – ein Symbol der Hacker-Bewegung „Anonymous“ und gegen die Regulierung des Internets geworden. Diese eher unorganisierte Bewegung fühlt sich vor allem dem Hacker-Grundsatz „Die Information ist frei“ zugetan.
Die Plakate auf der Dresdner Anti-ACTA-Demo spiegeln entsprechend das Unbehagen der digital aufgewachsenen Generation mit den Bemühungen von Regierungen und Film- sowie Musikindustrie, Urheberrechtsverstöße im Netz auch mit drastischen Mitteln wie Zugangs- und Netzsperren durchzusetzen. „Democracy not found“ war da im Stil einer PC-Meldung zu sehen, „Stasi 2.0“ oder auch – wohl mit Blick darauf, dass der „heutigen Jugend“ oft politisches Desinteresse vorgeworfen wird – „Ich bin so sauer, dass ich sogar ein Schild trage“.
ACTA soll Urheberrecht im Netz stärken – mit umstrittenen Mitteln
Das „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ (ACTA)von USA, EU und weiteren Staaten soll vor allem die Marken- und die digitale Video- und Musik-Piraterie eindämmen – vor allem auf Betreiben der Rechte-Inhaber, also zum Beispiel der Filmindustrie. Es ist einerseits umstritten, weil es weitgehend im Geheimen ausgehandelt wurde, vor allem aber auch, weil sich daraus stärkere Haftungen der Internetprovider für Nutzerverstöße und letztlich möglicherweise zum Beispiel auch Netzsperren ableiten zu lassen.
Justizministerin: „Internetprovider sind keine Hilfssheriffs“
Auch die zum liberalen Flügel der FDP gehörende Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte derartige Bauchschmerzen mit dem intransparenten Abkommen, dass sie die Umwandlung von ACTA in deutsches Recht zunächst nun ausgesetzt hat. „Ich begrüße, dass die Debatte zu ACTA so engagiert und öffentlich geführt wird“, erklärte sie in einer Videobotschaft am Mittwoch. Sie sehe „keinerlei Gesetzgebungsbedarf“ in Deutschland. Hier seien gerade Internetsperren abgeschafft worden. „Wir wollen keine Sperrung von Internetzugängen wegen Urheberrechtsverletzungen. Wir wollen keine Warnhinweise, wir sehen keinen Gesetzgebungsbedarf in Deutschland zur Änderung des Urheberrechtes. Internetprovider sind keine Hilfssheriffs“, betonte die Ministerin.
Linke: „Downloads im Internet faktisch unter Generalverdacht zu stellen, ist eine Frechheit“
In Dresden hatten unter anderem die Piratenpartei, Grüne, Jusos und Linke zur Teilnahme an den Anti-ACTA-Demos aufgerufen. „Mit ACTA wird die Beweislast bei Copyright-Verstößen umgekehrt, Internetprovider müssen private Polizei spielen und alles was man online tut überwachen“, kritisierte der Dresdner Linke-Vorsitzende Tilo Kießling. „Downloads im Internet faktisch unter Generalverdacht zu stellen, ist eine Frechheit. Was in der realen Welt gilt – einem Beschuldigten muss vom Kläger die Schuld nachgewiesen werden – kann in der virtuellen Welt nicht anders sein.“ Heiko Weckbrodt
Ein Bericht von Ronny Siegel von der Demo ist bei Ploync zu finden – und hier sein Video:
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