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Heliatek errichtet in Dresden Fabrik für organische Solarzellen

Flexible und durchsichtige Organik-Solarzellen aus der Dresdner Pilotproduktion. Abb. (3). Heliatek

Flexible Organik-Solarzellen aus der Dresdner Pilotproduktion. Abb.: J. Lösel/Heliatek

Pilotfertigung startet im März 2012

Dresden, 7.12.2011: Sie sind durchsichtig und biegsam und sollen sollen künftig E-Autos antreiben, iPhones wieder aufladen und Wolkenkratzer energieautark machen: organische Solarzellen aus Sachsen. Die Firma Heliatek will Mitte März den ersten Teil einer neuen Fabrik für organische Solarzellen in Dresden-Kaditz in Betrieb nehmen. Das kündigte Sprecherin Steffanie Rohr an. „Diese Kombination aus neuen Fertigungstechnologien, Anlagen und Produkten wird weltweit einzigartig sein“, sagte sie. Das Werk werde den Dresdnern einen deutlichen Technologievorsprung vor der weltweiten Konkurrenz sichern.

Daher gilt die Baustelle als Geheimsache, selbst innerhalb der Firma haben nur ausgewählte Mitarbeiter Zugang. Soviel aber kann man von außen sehen: Die Pilotanlage ist riesig, sie reicht fast bis zum Dach der großen PC-Montagehalle der ehemaligen Schäfer-IT-Werke an der Treidlerstraße, wo sich Heliatek neben der Computerfirma „Coool Case“ eingemietet hat. Dabei handelt es sich um eine innovative „Rolle-zu-Rolle“-Maschine, die Folien im Endlosbetrieb mit organischen Solarzellen vakuumbeschichtet. Viele Komponenten wurden übrigens in der Region entwickelt, von FHR in Ottendorf-Okrilla zum Beispiel und CreaPhys in Dresden.

Investitionen von 60 Millionen Euro für Ausbau zur Großfertigung geplant

Ein Heliatek-Mitarbeiter misst ein Modul aus.

Ein Heliatek-Mitarbeiter misst ein Modul aus.

Wenn diese Pilotanlage ihre Bewährungsprobe besteht, will Heliatek weitere 50 bis 60 Millionen Euro bei Investoren einwerben, um die Pilotproduktion bis 2014 zur Großfertigung auszubauen. Während die Demonstrationslinie nur Organiksolarzellen mit einer Gesamtleistung von zwei bis drei Megawatt pro Jahr herstellen kann, soll die Fabrik dann auf eine Kapazität von 50 bis 60 Megawatt wachsen.

Fußmatten als Mini-Solarkraftwerke und organikbeschichtete Autos

Denn an die neue Technologie knüpfen sich große Erwartungen: Anders als Solarzellen aus kristallinem Silizium oder Dünnschichtzellen lassen sich die organischen Sonnenstrommodule aus Dresden biegsam und durchsichtig herstellen. Transparent auf Glasfassaden von Wolkenkratzern aufgetragen, sollen sie zu energieautarken Bürogebäuden führen. Mit organischen Solarzellen „Made in Dresden“ beschichte Autos würden einen Teil ihres Energieverbrauchs von der Sonne beziehen. Und wenn dem iPhone mal der Saft ausgeht, könnten organikbeschichtete Handy-Hüllen in Zukunft den Akku nachladen. Auch der Einsatz in Entwicklungsländern ist angedacht: In Hüttendörfern, die weitab von jedem Stromnetz liegen, könnten Dresdner Solarmatten tagsüber vor dem Häuschen oder auf dem Dach ausgerollt werden, um für Energie in der Bude zu sorgen.

Klassische Photovoltaik ist dafür kaum geeignet: Kristalline Solarzellen, die zum Beispiel bei Solarworld Freiberg aus starren Siliziumscheiben hergestellt werden, haben zwar einen recht hohen Wirkungsgrad und wandeln 17 bis 19 Prozent des einfallenden Sonnenlichts in Strom um. Aber auf Fenster kann man sie nicht aufbringen, sonst wird es im Hause zappenduster. Auch wiegen Kristallinmodule zwölf bis 17 Kilogramm pro Quadratmeter, dieser Traglast sind nicht nur afrikanische Hütten, sondern auch die Dächer vieler deutscher Industriehallen nicht gewachsen.

Organikzellen liefern selbst in afrikanischer Hitze noch Strom

Organische Solarmodule nach Dresdner Bauart können dagegen mit Schichtdicken von gerade mal 100 bis 150 Nanometern (Millionstel Millimeter) auf flexible Plastikfolien aufgedampft werden und bringen daher nur ein halbes Kilo pro Quadratmeter auf die Waage. Sie können sich auch an geschwungene Flächen – wie etwa Autodächer oder Kotflügel – anschmiegen. Ihr Wirkungsgrad ist mit 8,8 bis 9,8 Prozent zwar niedriger als bei den Kristallinkollegen, dafür aber vertragen sie stärkere Temperaturschwankungen und liefern selbst bei 80 Grad unter der afrikanischen Sonne noch getreu Strom, wenn schon jedes herkömmliche Solar-Paneel ausgestiegen ist.

Thin and Inexpensive: Organic Solar Cells von NewsLook

Nach langen Entwicklungsjahren steht Technologie nun vor Markteintritt

Nun steht diese junge Technologie vor dem Markteintritt – allerdings nach vielen Jahren der Forschung und Entwicklung: Schon zu DDR-Zeiten gab es in Dresden erste Versuche, Elektronik auf organischer Basis zu konstruieren. In den 1990er Jahren forcierten dann TU-Forscher wie Prof. Karl Leo und der jetzige Heliatek-Technikchef Dr. Martin Pfeiffer diese Arbeiten. Daraus gingen Unternehmen hervor wie Novaled, die sich auf organische Leuchtdioden spezialisiert haben oder CreaPhys, die den Spezialanlagenbau übernommen haben. Und eben Heliatek mit ihren organischen Solarzellen, die 2006 von einer Handvoll Forschern der Unis Dresden und Ulm gegründet wurde und heute 75 Mitarbeiter hat – zehn davon in Ulm, wo Heliatek seine Chemieforschung betreibt.

BASF, Bosch und RWE gehören zur Investoren-Riege

Bisher hat die Firma zwar noch keinerlei Umsätze gemacht und lebt vom Engagement solcher Investoren wie BASF, Bosch und RWE. Insgesamt stellten diese in den vergangenen sechs Jahren rund 28 Millionen Euro zur Verfügung, um die Technologie zur Serienreife zu bringen. Doch das soll sich bald ändern: „Heliatek befindet sich derzeit im Übergang vom Entwicklungs- zum Produktionsunternehmen“, betonte Rohr. Ab 2014, wenn die Fabrik in Kaditz komplettiert ist, sollen die ersten eigenen Einnahmen fließen.

Heliatek ist nicht die einzige Firma, die an dieser neuen Technologie arbeitet. Das US-Unternehmen Konaka zum Beispiel und andere setzen allerdings meist auf Druckverfahren und Polymer-Funktionsschichten, um Organikphotovoltaik herzustellen. Ähnlich wie bei den Organischen Leuchtdioden (OLEDs) setze sich jedoch inzwischen das Konzept der kurzen Moleküle auch bei den organischen Solarzellen durch, schätzt Rohr ein. Zudem komme Heliatek mit seinem Vakuum-Bedampfungsverfahren mit Prozesstemperaturen unter 120 Grad Celsius aus, so dass eben auch flexible PET-Folien als Trägermaterial verwendbar bleiben, die bei Hochtemperaturverfahren schlichtweg schmelzen. Und neuere Analysen hätten ergeben, dass man bei entsprechendem Durchsatz auch die Kosten- und Tempo-Nachteile des Vakuumverfahrens gegenüber der Drucktechnik kompensierbar seien.

Für Deutschen Zukunftspreis nominiert

Heliatek-Technikchef Martin Pfeiffer

Heliatek-Technikchef Martin Pfeiffer

Mit ihrer Zuversicht, dass die Dresdner Unternehmung und deren Technologiepfad den langen Atem wert ist, stehen die Heliatek-Investoren nicht alleine da: Zusammen mit Prof. Karl Leo und Dr. Jan Blochwitz-Nimoth von Novaled ist Heliatek-Technikchef Dr. Pfeiffer für den „Deutschen Zukunftspreis“ nominiert. Die Gewinner gibt Bundespräsident Christian Wulff (CDU) am 14. Dezember bekannt. Wer dem Organik-Cluster Dresden seine Stimme geben will, kann dies bis zum Sonntag im Internet bekunden, indem er auf der präsidialen Seite dreimal das Stichwort „Ressourcenschung“ anklickt

Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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