Forschung, News, Wirtschaft
Schreibe einen Kommentar

Zentrum für Galliumnitrid-Elektronik in Sachsen geplant

Galliumnitrid brachte den LEDs, wie sie auch für Bluray-Laufwerke benötigt werden, erst die blaue Farbe bei. Abb.: Alexofdodd/ Wikipedia

Galliumnitrid brachte den LEDs, wie sie auch für Bluray-Laufwerke benötigt werden, erst die blaue Farbe bei. Abb.: Alexofdodd/ Wikipedia

Hochspannungsmaterial soll Elektroautos mehr Reichweite verschaffen

Dresden/Freiberg, 9.11.2011. Damit die europäische Industrie bei der Entwicklung von Elektroautos und anderen neuen Technologieprodukten nicht in die Abhängigkeit von asiatischen und amerikanischen Spezialchip-Zulieferern gerät, wollen die Freiberger Firma „FCM“ und Forscher des Dresdner „Namlabs“ eine Produktionslinie für Gallium-Nitrid-Scheiben in Freiberg aufbauen. Heute bekommen die Partner von Sachsens Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer (parteilos) einen Förderbescheid über 1,9 Millionen Euro, um eine Pilotanlage zu kaufen.

Die allermeisten Computerchips werden heutzutage aus Silizium gefertigt. Als Steuerelektronik für Elektroautos, Windparks und Solarkraftwerke stößt diese ausgereifte Technologie allerdings mehr und mehr an ihre Grenzen: Hier fließen nicht Milli-Ströme wie im PC, sondern sind Spannungen von einigen Hundert, teils über 1000 Volt zu bewältigen. Abhilfe soll da ein Verbindungshalbleiter aus den Elementen Gallium und Stickstoff bringen, der hohe Stromstärken und Spannungen aushält, aber nur wenig Verlustwärme erzeugt. Bauelemente auf dieser Basis sollen in Zukunft beispielsweise Elekroautos mehr Reichweite verschaffen, die Handy-Netze leistungsfähiger machen und viele Energie in der Wirtschaft sparen.

GaN-Wafer auf freiem Markt gar nicht erhältlich

FCM-Fabrik in Freiberg. Abb.: FCM

FCM-Spezialwafer-Fabrik in Freiberg. Abb.: FCM

Das dafür benötigte Galliumnitrid (GaN) ist jedoch noch teuer und rar, weltweit gibt es nur eine Handvoll Unternehmen in den USA, Japan und Frankreich, die elektroniktaugliche GaN-Scheiben „zu Apothekerpreisen“ anbieten, wie es Berndt Weinert formuliert, der Forschungschef von „Freiberger Compound Materials“ (FCM). „Frei kaufen kann man diese durchsichtigen Wafer ohnehin nicht“, sagt er. „Und wer sie bekommt, muss viele Embargo- und Geheimhaltungsbestimmungen beachten.“ Denn genutzt wurde GaN früher fast nur vom Militär, das auch bereit war, bis zu 4000 Dollar pro Mini-Scheibe zu bezahlen. Zum Vergleich: Die viel größeren Siliziumscheiben aus der Massenproduktion kosten nur um die zehn Dollar pro Wafer.

Zu einem Schlüsselmaterial für die zivile Nutzung wurde GaN, als ein Nachfolger für die DVD-Videoscheibe gesucht wurde: Die neuen Bluray-Datenträger für hochaufgelöste Filme wurde erst durch GaN-beschichtete Leseköpfe möglich, die auch mit hochfrequenten Strahlen zurechtkommen. Auch für Handy-Basisstationen, LED-Taschenlampen und Laser wird die Technologie bereits eingesetzt.

Marktforscher rechnen mit 100 % Nachfrageplus pro Jahr

Dies ist aber wohl erst der Anfang: Im Zuge des Booms von Öko-Strom und Elektroautos wird sich die Nachfrage für GaN-Leistungshalbleiter in den nächsten Jahren drastisch erhöhen, Marktbeobachter gehen in dieser Dekade von Zuwachsraten um die 100 Prozent pro Jahr aus.

Erste Experimente bereits zu DDR-Zeiten

In Freiberg begannen die ersten Experimente mit GaN bereits im VEB Spurenmetalle zu DDR-Zeiten, verliefen damals aber im Sande. „Es handelt sich leider um ein extrem schwieriges Material“, erklärt Weinert. Denn anders als Silizium kann es nicht im Schmelzziehverfahren verarbeitet werden – weil es niemand bisher geschafft hat, GaN zum Schmelzen zu bringen. Vor sieben Jahren fing die FCM dann mit Forschungspartnern an, eine massentaugliche Fertigungsmethode für GaN-Scheiben zu entwickeln. Dabei wird die hochreine Kristallstruktur in einem Gasphasenabscheider erzeugt.

Europäische Abhängigkeit von Japan und USA befürchtet

Seitdem haben Bundesforschungsministerium, EU und Freistaat schon mehrere Millionen Euro Fördergelder in dieses Schlüsselprojekt unter der Federführung des TU-Mikroelektronikzentrums Namlab in Dresden und der FCM gesteckt – auch eingedenk der Empfehlung der sächsischen Mikroelektronik-Strategiekommission KOMINAS, in Sachsen ein GaN-Zentrum einzurichten. „Mit der Grundtechnologieentwickelung sind wir nahezu durch“, sagt Weinert. „Nun wollen wir eine Pilotproduktion etablieren.“ Die soll in zirka drei Jahren zu einer Massenproduktion in Freiberg führen, was bei FCM im Erfolgsfall zu einem Werkausbau und neuen Jobs führen würde. Derzeit beschäftigt das Unternehmen in Freiberg über 280 Mitarbeiter.

Politiker, Forscher und Wirtschaftsvertreter geben dem Projekt gute Chancen, „eine ganze Wertschöpfungskette in Deutschland zu etablieren“, wie Namlab-Geschäftsführer Alexander Ruf betont: Die Gasphasenabscheider zum Beispiel kommen von der deutschen Firma Aixtron, um die Waferproduktion soll sich FCM kümmern und das Namlab um den Chipentwurf.

Sabine v. Schorlemer. Abb.: Land Sachsen

Sabine v. Schorlemer. Abb.: Land Sachsen

Die jüngste Förderung werde das TU-Zentrum in „die Lage versetzen, die Bauelementeentwicklung aufs Engste mit der Substratentwicklung zu verzahnen“, so Prof. Thomas Mikolajick, der wissenschaftliche Direktor des Namlabs. Und Ministerin Schorlemer hat die europäische Dimension des Projektes vor Augen: „Wir dürfen uns bei der Entwicklung von neuen Materialien für die Opto- und Nanotechnologie keineswegs in Abhängigkeiten von außereuropäischen Herstellern begeben. Um diese Schlüsseltechnologie in Sachsen, Deutschland und Europa weiter zu stärken, ist die Weiterentwicklung des Halbleiters Galliumnitrid von zentraler Bedeutung.“ Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

Schreibe einen Kommentar