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Studie: Dresden viel abhängiger von Chipindustrie als gedacht

Die meisten Roboter bei Infineon Dresden sehen wie klassische Industrieroboter aus - aber es gibt auch zwei "Humanoide", die durch die Produktion tingeln und die Reinraum-Atmosphäre kontrollieren. Abb.: Infineon

Die Chipindustrie bestimmt den Wirtschafts-Herzschlag in Dresden weit stärker als bisher angenommen. Abb.: Infineon

Dresden, 15.9.2011: Die ostdeutsche Vorzeigestadt Dresden ist weit abhängiger von ihrer Elektronikindustrie, als es durch bloße Umsatz- und Job-Statistiken erkennbar ist. Das hat eine Analyse von Prof. Marcel Thum von der Dresdner Niederlassung des Wirtschaftsforschungsinstituts „ifo“ im Auftrag der sächsischen Landeshauptstadt ergeben. Seine Kernaussage: Die wirtschaftliche Wertschöpfung in Dresden ist überproportional von der stark schwankenden Halbleiterindustrie abhängig, der lokales Arbeitsmarkt hingegen nicht. Dadurch driften Wachstum und Arbeitsmarkt seit Jahren auseinander.

Prof. Marcel Thum. Abb.: ifo

Prof. Marcel Thum. Abb.: ifo

Thum war unter anderem einem überraschendem Phänomen nachgegangen, auf das ich bereits vor ein paar Monaten in den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ hingewiesen hatte (Ja, ich muss an dieser Stelle auf den Putz hauen!): Dresden gilt seit der politischen Wende als eines der wenigen ostdeutschen Vorzeigebeispiele für dynamisches Wirtschaftswachstum. Tatsächlich legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP – vereinfacht: Summe aller erzeugten Produkte und Dienstleistungen) jahrelang über dem ostdeutschen Schnitt zu. Ab etwa 2005 fiel Dresden jedoch zurück. „Im gleichen Zeitraum entwickelte sich die Erwerbstätigkeit aber weiterhin überdurchschnittlich positiv“, betonte Thum.

Nach einer sektoralen Analyse präsentierte er heute nun eine Erklärung für diese Schere: Demnach bestimmt eine starken zyklischen Schwankungen unterworfene Industrie die Wachstumsdynamik in Dresden überproportional – obwohl die Industrie hier im Vergleich zu den Dienstleistungssektoren sowohl im Hinblick auf Bruttowertschöpfungs- als auch Beschäftigungsanteile kleiner ist. Laut Angaben des Statistischen Landesamtes in Kamenz machen die Industriebeschäftigten nur rund zehn Prozent aller Jobs in Dresden aus.

„Eine tiefer gegliederte Betrachtung des Verarbeitenden Gewerbes zeigt, dass es wiederum ein bestimmter Unterbereich ist, der die mit Abstand größten Wachstumsbeiträge leistet: Herstellung von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen; Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik“, heißt es in der Analyse. „Dieser Unterbereich machte 2009 etwa 40 Prozent des Umsatzes im Verarbeitenden Gewerbe aus und beeinflusst durch seine starken Schwankungen das Wachstum der Landeshauptstadt erheblich.“ gemeint sind insbesondere die Chipwerke von AMD/Globalfoundries, Infineon und der früheren Qimonda.

„Nachdem das Volumen im europäischen Halbleitermarkt 2003 und 2004 stark gewachsen war, schrumpfte es 2005 um 4,5 Prozent und wuchs in den beiden Folgejahren nur noch sehr moderat“, so die städtische Zusammenfassung. „Im Verlauf des Krisenjahres 2008 brach der Markt sogar massiv ein (minus 25,8 Prozent). Diese starken Schwankungen schlagen sich auf die gesamte Bruttowertschöpfung Dresdens nieder und erklären die Wachstumsschwäche der letzten Jahre.“

Dresdens amtierender OB Dirk Hilbert. Abb.: LHD Dresden

Dresdens amtierender OB Dirk Hilbert. Abb.: LHD Dresden

Dresden habe durch seine starke Spezialisierung im Bereich der Mikroelektronik eine hohe Abhängigkeit von diesem hoch volatilen Markt. Daher schwanke das Wirtschaftswachstum in Dresden stärker als im Rest Sachsens. „Dresden ist eng mit der Weltwirtschaft verflochten“, betonte Thum. „Das bringt Schwankungen mit sich, die Einbindung in den Welthandel schafft aber langfristig Wohlstand in der Region.“

Dies zeige, dass die Schwankungen der Halbleiterindustrie zwar die Wertschöpfung in Dresden stark beeinflussen, der Arbeitsmarkt aber in höherem Maße durch andere Branchen, vor allem durch Dienstleister, getrieben werde, betonte Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). „Durch die vergleichsweise geringe Arbeitsintensität im Verarbeitenden Gewerbeschlagen sich die starken Schwankungen in diesem Bereich kaum auf den Dresdner Arbeitsmarkt nieder“, so Hilbert.  Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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