Anfangs gings in Gummistiefeln durch die Heide zur Chipwerk-Baustelle
Es war einen Tag vor Heiligabend 1993, als Thomas Leitermann die Nachricht im Autoradio hörte: „Siemens baut eine Chipfabrik in Dresden“. Da war er noch Modulleiter bei Siemens-Halbleiter in Regensburg. Als er aus dem Weihnachtsurlaub zurückkehrte, gehörte er bereits zum Aufbaustab für die neue Fabrik in Sachsen.
Sechs Wochen später war er das erste Mal in seinem Leben in Dresden. „Viele der Mitarbeiter der ersten Stunde habe ich damals selbst ausgesucht“, erinnert sich Leitermann. „Das waren manchmal bis zu 16 Bewerbergespräche am Tag.“ Und an noch etwas erinnert er sich sehr gut: Anfangs saß ein Teil des Aufbaustabs in Hellerau, die Königsbrücker Straße war damals chronisch dicht, weil der Ausbau in vollem Gange war. Mit dem Auto brauchte man für die zwei Kilometer bis zur Chipwerk-Baustelle in der Dresdner Heide oft bis zu zwei Stunden. „Da sind wir oft lieber in Gummistiefel quer durch den Wald gelaufen.“
Seitdem sind 18 Jahre vergangen. Jahre, in denen aus „Siemens Halbleiter“ „Infineon Technologies“ wurde, in denen das Unternehmen immer wieder in Dresden ausbaute, aber auch schwere Zeiten wie die weltweite Chipkrise 2008/09 durchmachte. Heute ist Leitermann gemeinsam mit Helmut Warnecke Chef eines der modernsten Logikchipwerke auf 200-Millimeter-Basis weltweit.
Die Logikschaltkreise, die bei Infineon Dresden gefertigt werden, schützen beispielsweise den neuen digitalen Personalausweis in Deutschland, sorgen dafür, dass Autos rund um den Erdball sicherer und spritsparender fahren – die Liste der namhaften Kunden ist lang. Gerade auch dank der Dresdner Werke gehört Infineon heute zu den weltweiten Marktführern für Automobil- und Sicherheitskarten-Elektronik.
Diana Heuer (Infineon Dresden): „Was uns von anderen Fabriken abhebt, sind unter anderem der hohe Automatisierungsgrad“
„Was uns von anderen Fabriken abhebt, sind unter anderem der hohe Automatisierungsgrad und unser Know-How in der Kupfertechnologie, die besonders schnelle Logikbausteine erlaubt“, schätzt Standortsprecherin Diana Heuer ein. 40 Prozent der Be- und Entladebewegungen für die Chipfertigungsanlagen werden mittlerweile von Robotern erledigt und alle Siliziumscheiben (Wafer) durch ein vollautomatisches Transportsystem durch die Doppelfabrik im Dresden Norden von Produktionsschritt zu Produktionsschritt geleitet. Diese hohe Automatisierung ist es auch, die Halbleiterei im Herzen Europas überhaupt noch möglich macht, ihr einen Wettbewerbsvorteil gegenüber aufstrebenden Billiglohn-Nationen wie China verschafft.
Seit 1993 hat Infineon drei Milliarden Euro in den Standort investiert, dies schuf viele neue Jobs, machte Infineon zu einem „Leuchtturm“ im Mikroelektronik-Cluster Sachsen. Allerdings blieben die ganz eigenen Gesetze der Chipbranche auch für Dresden nicht ohne Folgen: 2006 gründete Infineon seine Speichersparte unter dem Namen „Qimonda“ aus, die übernahm die 300-mm-Fabrik in Dresden, während sich die beiden 200-mm-Module unter Infineon-Regie auf Logikschaltkreise spezialisierten. Dann kam die Chipkrise, Qimonda ging pleite, bei Infineon mussten die Leiharbeiter gehen.
Dresdner Infineonwerke investieren weitere 350 Millionen Euro
Die Infineon-Werke rappelten sich indes relativ rasch wieder auf, das Unternehmen investierte inzwischen weitere 150 Millionen Euro in die Modernisierung und Kapazitätserweiterung seiner Dresdner Fabriken, stellte neue Leute ein. Vor wenigen Monaten nun hat Infineon den seit zwei Jahren ungenutzten Qimonda-Großreinraum gekauft und angekündigt, dort eine moderne 300-mm-Waferfabrik für Leistungshalbleiter einzurichten. Inklusive des Kaufpreises investiert das Unternehmen damit jetzt noch einmal rund 350 Millionen Euro in den Standort, etwa 250 neue Jobs sollen in der ersten Phase bis 2014 entstehen. Derzeit beschäftigt Infineon in Dresden etwa 1900 feste Mitarbeiter sowie rund 200 Zeitarbeiter.
Heiko Weckbrodt
Infineon im Kurzporträt:
Umsatz (2010): 3,3 Milliarden Euro
Gewinn (2010): 660 Millionen Euro
Mitarbeiter: 25.149 weltweit (davon 2100 in Dresden)
Fertigungsstandorte: zwölf weltweit
Bedeutung: Deutschlands größtes und Europas zweitgrößtes Halbleiter-Unternehmen
Mehr Infos im Internet: www.infineon.de
Chronik Infineon Dresden:
12/1993 Entscheidung der Siemens AG, eine Halbleiterfabrik in Dresden zu bauen
10/1995 Produktionsstart der 200-mm-Fabrik
4/1999 Ausgliederung der Halbleitersparte aus Siemens
-> Gründung der Infineon AG: Siemens Microelectronics Center Dresden wird Infineon Technologies Dresden
5/2000 Grundsteinlegung für die weltweit erste 300-mm-Fabrik
5/2005 Eröffnung „Fraunhofer Center Nanoelectronic Technologies“ (CNT)
5/2006 Ausgliederung des Speichergeschäftes aus Infineon
-> Gründung Qimonda
3/2008 Infineon Dresden wird reiner Logik-Standort
2008/2009: Chipkrise – Infineon baut rund 500 Jobs ab, darunter viele Leiharbeiter, die Belegschaft geht zeitweise in Kurzarbeit
1/2009: Qimonda-Insolvenz
2010/11 Kapazitätserweiterung von 8.000 auf 10.450 Waferstarts pro Woche (Investitionsvolumen: rund 150 Mio. Euro)
2011: Infineon erwirbt Qimonda-Reinraum Dresden und kündigt an, dort die weltweit erste 300-mm-Fabrik für Leistungshalbleiter einzurichten. Investition (inkl. Kaufpreis): rd. 350 Mio. Euro
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