Dresden, 17.8.2011: Der Todesflug des Dresdner Strahlflugzeugs 152/V1 am 4. März 1959 – der zum Sargnagel der DDR-Luftfahrtindustrie wurde – war Pilotenfehlern und konstruktiven Mängeln der Tankanlage geschuldet. Zu diesem Schluss ist Holger Lorenz im Buch „Die Absturzursachen des DDR-Jets ,Baade-152‘“ gekommen. Der Chemnitzer, der sich seit Jahren mit der ostdeutschen Flugzeugindustrie beschäftigt, hatte dafür Archive gesichtet, Zeitzeugen befragt und Berichte ausgewertet, die im Auflösungstrubel der DDR-Luftfahrtindustrie fast untergingen.
Sein Resümee im Kern: Der Kopilot hatte den Schauüberflug vor Klotzsche mit einem ungünstigen Manöver eingeleitet, mit einem schnellen Absack- statt einem sachten Sinkflug. Dadurch hatte er im entscheidenden Moment nur drei Sekunden Zeit, die 152 zu heben und er verpasste dieses Fenster. Zugleich geriet der Jet so in eine ungünstige Lage, in der eine Fehlkonstruktion offenbar wurde: Die Sack-Tanks lieferten keinen Treibstoff mehr, die Triebwerke zogen nur Luft aus den Leitungen.
Es gab somit – wie so oft bei Flugzeugabstürzen – mehrere Ursachen, die zum Unglück führten: Die Piloten hatten zu wenig Flugerfahrung mit Düsenfugzeugen (nur 40 h). Sie wurden aus Prestigegründen zu einem raschen Testablauf und einem Schauflug genötigt und entschieden sich, um Zeit zu sparen, für ein zu riskantes Manöver, um den Niedrigflug über Klotzsche zu realisieren. Aerodynamisch war die 152 laut Lorenz so gut, dass sie den schublose Absackflug recht lange durchhielt. Doch obwohl der Sackflug riskant war, hätte er laut Flugzeugspezifikationen gelingen müssen – wenn nicht die Konstruktionsweise der Sacktanks dazu geführt hätten, dass kein Sprit mehr durch die Leitungen floss. Also war der Konstruktionsmangel letztlich der entscheidende Faktor.
Damit erteilt Lorenz auch Theorien eine Absage, die russischen Triebwerke (die eigentlich geplanten DDR-Triebwerke waren noch nicht fertig) oder gar eine sowjetische Intrige seien schuld gewesen. hw
Holger Lorenz: „Die Absturzursachen des DDR-Jets Baade-152″, Marienberg 2011, ISBN 978-3-931770-93-8, 20 Euro, http://www.flugzeug-lorenz.de/ ÂWas aus der Dresdner Luftfahrtindustrie wurde
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