Seattle/Cupertino, 13.8.2011: Im Tauziehen um Apples Versuche, alle Buch- und Zeitungsverkäufe auf dem iPad mit einer 30-prozentigen Apple-Steuer zu versehen (Der Oiger berichtete) hat der in Seattle ansässige Internetbuchhändler „Amazon“ mit einem recht cleveren Schachzug geantwortet: Kindle-Kunden können ihre Bücher nun über das browser-gestützte Programm „Kindle Cloud Reader“ lesen. In der praktischen Bedienung unterscheidet der sich kaum von der ursprünglichen „Kindle“-App auf dem iPad, fällt aber nicht unter die Apple-Steuer.
Seit Februar 30 % Apple-Steuer auf dem iPad
Um den Streit zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen: Nachdem das iPad im Frühjahr 2010 auf dem Markt kam, sahen viele Verlage die Chance, den schwachen europäischen eZeitungs- und eBuch-Markt in Schwung zu bringen, da es endlich ein breit akzeptiertes Lesegerät gab, und stellen entsprechende Lese-Apps in den iTunes-Laden ein. Ab Februar 2011 folgte dann der Schock: Apple verlangte eine 30-prozentige Abgabe auf alle Artikel, die über „In-App-Käufe“ geordert werden. Bei Amazons Lese-App „Kindle“ betraf dies beispielsweise alle Buch-Käufe über den Knopf „Kindle-Shop“ – der daraufhin inzwischen von Amazon per App-Update entfernt wurde.
Umsatzrendite bei meisten Verlagen zu niedrig, um Abgabe zu finanzieren
Apple argumentierte dabei etwa so: Es muss für jeden App-Nutzer die Möglichkeit geben, zum gleichen Preis einen Artikel über den Online-Laden des Anbieters wie auch über den Apple-Store zu kaufen. Immerhin biete man den Verlagen ja eine neue und attraktive Verkaufsplattform. Das klingt zunächst fair, bedeutet aber für Anbieter von eBooks – sowohl große wie Amazon, aber auch Kleinverlage -, dass sie 30 Prozent ihres Gewinns an Apple abgeben müssen, oder die Preise um 30 Prozent anheben müssten, was die Leser aber kaum akzeptieren würden. Das funktioniert vielleicht noch bei Unternehmen mit hoher Gewinnspanne wie Apple (Umsatzrendite derzeit: 26 Prozent!), viele Klein- und Zeitungsverlage jedoch sind froh, wenn sie auf fünf Prozent Gewinnspanne kommen. Sprich: Die Apple-Steuer würde bei ihnen durchweg zu Verlustgeschäften führen. Digitale Bücher über die Apple-Plattformen anzubieten, ist damit nur noch für ganz wenige interessant.
Äußerlich wie eine Lese-App: Amazon legt Bücher in Cloud ab
Bei Amazon pendelt die Umsatzrendite derzeit zwischen zwei und 3,5 Prozent – zu wenig, um die Apple-Abgabe zu akzeptieren. Daher bietet das Unternehmen nun den „Kindle Cloud Reader“ an.
Wie funktioniert’s? Die vom Amazon-Kunden gekauften eBücher sind auf Internet-Computerdatenbanken (Cloud = Rechnerwolke) eingespeist. Um auf sie zuzugreifen, wählt der Nutzer einmalig über „Safari“ oder „Chrome“ (andere Browser werden noch nicht unterstützt) die Adresse https://read.amazon.com und meldet sich über sein Amazon- bzw. Kindle-Konto an. Dann bietet die Cloud an, ein Browser-Lesezeichen auf der iPad-Oberfläche abzulegen. Das ist fortan wie eine App startbar und bietet auch ähnliche Funktionalitäten (Papierfarbe ändern, Seiten-Lesezeichen, Zoom, Blättern, Bibliotheksverwaltung etc.). Per Fingerdruck lassen sich die Bücher auch aufs iPad runterladen, so dass sie auch ohne permanente Internetverbindung lesbar sind.
Nun darf man gespannt sein, wie Apples nächster Schachzug ausfällt. Heiko Weckbrodt
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