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Krimi „Extraleben“: Spritzige Zeitreise in die 80er

Ein Computer-Zeugs-Roman von einem Computer-Journalisten? Da läuten doch gleich die Alarmglocken, die da vor einem schlecht geschriebenen Machwerk voll augurischer Unverständlichkeiten warnen. Indes: so richtig treffen diese Vorurteile auf Constantin Gillies“ „Extraleben“ nicht zu. Sicher, die ersten Seiten lassen Böses ahnen, da wimmelt es in der Tat von Wortspielen, die nur Computerheinis richtig würdigen können, und von Slang-Ausdrücken wie „Nerd“, „Helpdesk“ oder „x86-Sachen“. Doch wenn man sich da durchgewühlt hat, wird es spannend.

Die Story: Die leicht abgehalfterten deutschen Computerjournalisten Nick und Kee (nomen est omen?!) haben keine Freundinnen, marschieren hart auf die 40 und diverse Existenzkrisen zu, so dass sie mangels Sex den Abend damit verbringen, in Nicks vermüllter Ex-Studenten-Bude einen „C 64″-Heimcomputer zu reaktivieren und Uralt-Videospiele zu zocken – bis sie ein vergessenes Data-Band einlegen und statt eines Kalten-Krieg-Gemetzels mysteriöse Hinweise auf eine Firma namens „Datacorp“ plus eine Adresse im Nirgendwo der USA finden. Da, wie erwähnt, keine Gattinnen protestieren können, düsen die beiden neugierigen Weicheier sofort nach Kansas, um auf den Spuren eines vergilbten „Pacman“-Rekordes die Datacorp zu finden.

Autor Constin Gillies, Abb. (2): Welzel/CSW

Autor Constin Gillies, Abb. (2): Welzel/CSW

Hat man sich erst mal an die vielen Zeitgeist- und Computer-Vokabeln gewöhnt, wird der Leser mit einem recht aufregenden Krimi belohnt, der vor allem den heute über 30-Jährigen gefallen wird, reflektiert er doch mit ironischer Distanz den Zeitgeist der 80er Jahre gleichermaßen wie die „Das Internet macht alles möglich“-Euphorie der Gegenwart. Die dabei zelebrierte Nostalgie ist nur Fassade für durchdachte Kritik am Heute. Im hektischen Alltagsgeschäft mag man dankbar sein für Wikipedia & Co., argumentiert Gillies beispielsweise hinter den Zeilen, doch gleichzeitig vermag die Omnipräsenz jeder weltweit verfügbaren Information uns auch bis hin zur Apathie zu frustrieren. Welches abstruse Hobby man auch pflegt, mit welchen Kenntnissen man sich auch immer für einzigartig hält – die Stichwortsuche bei Wikipedia oder Google wird uns binnen Millisekunden zeigen, dass all dies rund um den Erdball schon xmal gedacht und aufgeschrieben wurde. Oder, wie schon Kirchenvater Hieronymus meinte: „Nichts kann gesagt werden, was nicht schon einmal gesagt wurde“. hw (Archiv)

Constantin Gillies: „Extraleben“, CSW Verlag, Winnenden 2008, 17 Euro, ISBN 978-9811417-5-7
 

-> Leseprobe gefällig?

-> Hack Dich bei Datacorp ein

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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