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Apple krempelt den Markt um

iPad im DNN-Test: Es kann nicht alles, aber was es kann, kann es gut
(Archivtext von 8/2010)

iPad als Lesegerät. Abb.: Apple

Apples neues iPad ist seit Ende Mai auch in Deutschland erhältlich – wenn auch noch sehr sporadisch. Auch wir mussten eine ganze Weile ausharren, bis wir ein Testgerät erhielten. Doch als das gute Stück endlich in der Redaktion ankam, war die lange Warterei schnell vergessen. Denn obgleich es wegen des ganzen Apple-Hypes schwer fällt zuzugeben: Das mit rund 700 Gramm angenehm leichte iPad ist in seiner Kategorie wirklich rundum gelungen. Allerdings vermisst man viele Funktionen eines richtigen Tablet-PCs, sei es nun die Arbeit mit Word-Dokumenten, einfacher Datentransfer oder freie Installationswahl für Programme.

Schon allein deshalb begründet das Gerät eine neue Produktklasse zwischen klassischen eBuch-Lesegeräten wie Sonys eReader oder Amazons Kindle auf der einen und Mini-Tablettrechnern wie dem Asus T91. Ein wenig wirkt es wie ein hochvergrößertes iPhone, besteht es doch nur aus dem Bildschirm und bringt lediglich eine virtuelle Tastatur mit.

Das Display ist mit 24 Zentimetern in der Diagonale etwas kleiner als der Dresdner Que-Reader, aber deutlich größer als die eReader von Sony, Amazon & Co. Großer Unterschied: Es handelt sich um kein elektronisches Papier, sondern einen selbstleuchtenden Schirm, was abendliches Lesen enorm erleichtert. Er ist für Mehrfingerbedienung ausgelegt und die funktioniert eben richtig gut. Ist zum Beispiel beim Asus-Tablettrechner die Blätterei in elektronischen Büchern oft eine Qual und dauert der Seitenumbruch bei Sony und Amazon elend lange, ist dies beim iPad ganz anders: das Blättern ist hier leicht, intuitiv und durch die buchartige Animation schön anzusehen. Die Software („App“ genannt) fürs eBuch-Lesen muss man sich extra in Apples iTunes-Store herunterladen, ist aber kostenlos. Sie beherrscht nicht alle Formate, mit Gratis-Werkzeugen wie „Calibre“ kann man aber fast gängigen eBücher iPad-tauglich konvertieren. Die Akku-Laufzeit ist für ein aktives Display übrigens enorm: Der Hersteller gibt sie (beim Lesen) mit zehn Stunden an, wir kamen in unserem Test auf 9,25 Stunden.

Leider ist man sehr an Apple gefesselt, um das iPad überhaupt nutzen zu können. So muss man sich ein iTunes-Konto im Internet anlegen, um Bücher, Musik und Videos vom PC auf das Gerät laden zu können. Dahinter steht ein aus der Handy-Branche übernommenes Geschäftsmodell: Verkaufe nicht nur ein Gerät, sondern generiere stetige Einnahmen durch niedrigpreisige Zusatz-Downloads – die Masse macht’s! Zudem läuft auf dem iPad nur das, was Apple für richtig hält, Flash-Animationen fallen zum Beispiel nicht darunter und auch keine deutschen Angebote, die nach US-Lesart „Schweinkram“ enthalten – da kann schon mal eine nackte Brust in einer Zeitungs-App zum Killerkriterium werden.

Zwar wird das iPad primär als eBuch-Lesegerät vermarktet, doch es kann viel mehr: Surfen und E-Mails sind via WLAN oder (in der teureren Variante) per HSDPA-Handyfunk möglich. Auch kann man sich MP3s und Videos anschauen, einfache Spiele zocken – wobei das „Apps“-Angebot wöchentlich steigt und steigt. All das macht das iPad eben auch zu einem verführerischen neuem Superspielzeug. Was fehlt, ist ein klassischer USB- oder Flashkarten-Anschluss, um so Dateien auszutauschen oder Zusatzspeicher anzudocken. Auf dem iPad verfasste Texte etwa kann man in der Grundkonfiguration nur per E-Mail übertragen – schlecht!

Auch kann das iPad nicht mit der vollen Funktionalität eines Tablettrechners mithalten. Nur ein Beispiel: Die Bildschirmtastatur ist zwar nicht übel, ersetzt für Vielschreiber aber keine echte Tastatur. Die kann man sich für teures Geld im Apple-Laden nachkaufen, womit wir bei einem weiteren Kritikpunkt wären: Apple liefert das iPad sehr spartanisch aus, noch nicht einmal eine Schutzhülle oder eine Microfaser-Tuch sind beigelegt – gerade letzteres braucht man aber dringend, da man jeden Fingerabdruck superdeutlich wie auf einem Kripo-Scanner sieht.

Fazit: Apple hat viele wünschenswerte Funktionen nicht integriert. Doch was an Bord ist, funktioniert viel besser als bei der Konkurrenz – vor allem die Fingersteuerung. Deshalb, aber auch begünstigt durch das medial aufgeputschte iPad-Fieber, verkauft sich das Gerät bestens. Heiko Weckbrodt
Update: Voraussichtlich im Herbst 2011 erscheint das iPad 3

„iPad“ (Apple), erweitertes eBuch-Lesegerät, mit WLAN: ab 500 Euro, mit HSDPA: ab 600 Euro

Vorteile
+ für einen eReader sehr funktionsgewaltig
+ sehr gute Fingersteuerung
+ 10 h Akku-Laufzeit

Nachteile:
– für ein Tablettrechner zu wenig Funktionen
– kein Standard-USB-Anschluss
– magerer Lieferumfang

siehe auch:
Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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