Wirtschaft
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Expertengruppe: Europas Hightech-Industrie droht „Tal des Todes“

Neuausrichtung der EU-Regionalförderung empfohlen

Brüssel/Dresden. Damit Europa seine internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht verliert, hat eine Expertengruppe der EU-Kommission empfohlen, ihre Regionalförderung stärker auf sechs ausgewählte Schlüsseltechnologien wie Mikroelektronik, fortgeschrittene Materialien, Biotechnologie, Photonik, Nanotechnologie und Verfahrenstechnik zu fokussieren. Dabei müsse man auf drei Säulen setzen: Forschungsförderung, Produktentwicklung und die Unterstützung weltmarktfähiger Schlüsselunternehmen. Um Investitionen zu unterstützen – etwa für die Ansiedlung einer Chipfabrik –, müsse es künftig auch möglich sein, mehrere EU-Förderprogramme miteinander zu kombinieren.

RAM-Riegel von Hynix – der Konzern gilt als Paradebeispiel für staatliche Hilfen. Abb.: Hynix
„Wir sind sehr froh, dass dieser Report unsere Empfehlungen bestätigt“, sagte Vorstand Heinz-Martin Esser vom sächsischen Hightech-Verband „Silicon Saxony“. „Es muss in Zukunft möglich sein, diese Hochtechnologien – und zwar auch die Produktionsansiedlung – in der EU stärker zu unterstützen. Vor allem gilt es, die Wettbewerbsverzerrung auf internationaler Ebene durch gezielte Förderung auszugleichen.“
Die von der EU-Kommission vor einem Jahr eingesetzte „High-Level Expert Group“ warnte unter anderem vor einer Importabhängigkeit von Asien und Nordamerika. Beispielsweise führte Europa per Saldo mehr Computerchips ein als aus und der europäische Anteil am Halbleitermarkt sinke immer weiter. Größere Investitionen aus der Chipbranche habe es auf dem „alten Kontinent“ in den vergangenen Jahren kaum noch gegeben, wenn man von einigen Erweiterungen in Dresden (Globalfoundries), Dublin (Intel) und Grenoble (französischer Staat) absehe.

Die Expertengruppe sprach in diesem Zusammenhang von einem „Tal des Todes“, in dem sich die europäische Schlüsselindustrie befänden: Zwar produzierte Europa wettbewerbsfähige Erfindungen, in der Kette bis hin zur Produktreife und einer Kommerzialisierung klaffe jedoch ein Abgrund. Ähnliche Phänomene habe man zwar auch in den USA, China und Taiwan gefunden, dort habe es jedoch (meist staatliche) koordinierte Programme gegen diese Todestäler gegeben, heißt es im nun vorgelegten Abschlussbericht der Expertengruppe.


Bereits in der Vergangenheit hatte sächsische Politiker und Branchenvertreter insbesondere aus der Mikroelektronik einen Neuansatz der EU-Förderrichtlinien gefordert: In direkter Konkurrenz zu anderen Chip-Standorten, die oft hoch subventioniert werden, sei es ausgesprochen schwer, neue Großansiedlungen nach Sachsen zu holen, wenn die EU restriktive Förderobergrenzen festlege. So hatte beispielsweise der Bundesstaat New York direkte und indirekte Beihilfen in Höhe von einer Milliarde Dollar für die neue Globalfoundries-Chipfabrik in den USA zugesagt. Und in der jüngsten Chipkrise 2008/2009 war die deutsche Speicherchipfirma Qimonda pleite gegangenen, während asiatische Regierungen ihren Mikroelektronik-Konzernen unter die Arme griffen, wie zu Beispiel Hynix in Südkorea. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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