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Möge die Tinkerei beginnen!

Eine Jungen-Gruppe hat aus Piezo-Keramiken und anderen "Smart Materials" diesen Roboter "Piezo Noise Maker" gebastelt, der vor allem eines tut: Krach machen. Im Sommer wollen die Initiatoren einen ähnlichen Workshop mit einer Mädchengruppe wiederholen - und sind schon gespannt, welchen Roboter die Mädels bauen. Foto: Heiko Weckbrodt

Eine Jungen-Gruppe hat aus Piezo-Keramiken und anderen „Smart Materials“ diesen Roboter „Piezo Noise Maker“ gebastelt, der vor allem eines tut: Krach machen. Im Sommer wollen die Initiatoren einen ähnlichen Workshop mit einer Mädchengruppe wiederholen – und sind schon gespannt, welchen Roboter die Mädels bauen. Foto: Heiko Weckbrodt

Neue „Forschungswerkstatt Smart Materials“ in Striesen lädt zum Hightech-Basteln ein – und lotet das Museum der Zukunft aus

Dresden, 4. Mai 2018. Wo vor Kurzem noch olfaktorische Konzerte im Zuge der Sonderausstellung „Echtzeit“ vor sich hin stanken, machen sich jetzt die Geeks (englisch für „Laborratten“) breit: Künstler, Kuratoren, Ingenieure und Wissenschaftler haben den Goldmann-Saal im Obergeschoss der Technischen Sammlungen Dresden (TSD) in eine „Forschungswerkstatt Smart Materials“ verwandelt.

Gelbe Steckdosenverteiler hängen nun von der Decke der alten Fabrikhalle, auf Werkbänken machen sich die Lötkolben heiß, ein Laser-Cutter ächzt. In einer Ecke schnappt eine fleischfressende Hightech-Pflanze nach arglosen Opfern. Am Eingang kloppt ein Roboter besinnungslos auf seine Piezo-Panzerung. Im Entdecker-Regal stapeln sich Molekül-Modelle, Mineralproben und Krimskrams-Beutel, sträuben sich synthetische Tierfelle. Sinn und Zweck des Ganzen: Schulklassen und andere TSD-Besucher können hier in den kommenden fünf Monaten mit Formgedächtnis-Legierungen, Piezo-Keramiken und anderen aufregenden neuen Materalien hightech-basteln – neudeutsch „tinkern“ genannt.

Die "Fleischfressende Pflanze" aus Formgedächtnis-Drähten schnappt nach Beute in der „Forschungswerkstatt Smart Materials“ in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Die „Fleischfressende Pflanze“ aus Formgedächtnis-Drähten schnappt nach Beute in der „Forschungswerkstatt Smart Materials“ in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Nichts ist Zufall. Alles folgt dem Plan

„Obwohl es so aussieht: Nichts hier ist Zufall. Alles folgt einem Plan“, betont Museumsdirektor Roland Schwarz. Und den hat er gemeinsam mit dem „Smart3“-Forschungskonsortium, mit Dresdner Fraunhofer-Ingenieuren, Designerinnen der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Dessauer Bauhaus-Experten und vielen anderen Partnern anderthalb Jahre lang geschmiedet, bevor das neue Format nun starten kann. „Auch für uns ist das ein Experiment“, räumt Roland Schwarz ein. „Wir suchen hier nach neuen Formen der Technik- und Wissenschaftskommunikation.“

Der Goldbergsaal in den Technischen Sammlungen Dresden hat sich in eine „Forschungswerkstatt Smart Materials“ verwandelt - hinter den eigens installierten alten Raumteilern haben die Projektleiter ihr offenes Büro. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Goldbergsaal in den Technischen Sammlungen Dresden hat sich in eine „Forschungswerkstatt Smart Materials“ verwandelt – hinter den eigens installierten alten Raumteilern haben die Projektleiter ihr offenes Büro. Foto: Heiko Weckbrodt

Konzepte fürs Museum der Zukunft gefragt

Denn Radios oder Fotos aufzureihen, auf dass die Besucher die Texttafeln ablatschen, war gestern: Mehr und mehr Museen experimentieren mit modernen, interessanteren Präsentationsformaten jenseits klassischer Ausstellungskonzepte, mit denen neubegierige Menschen Wissen erkunden können. Und dazu gehört eben auch die neue, nerdige Tüftlerwerkstatt in der ehemaligen Kamerafabrik an der Junghansstraße in Dresden-Striesen. Die soll einerseits ein Schaufenster für die deutschlandweit einzigartige Dresdner Werkstoff-Forschungslandschaft sein, andererseits erproben, wie das Museum der Zukunft funktionieren könnte. „Und diese Werkstatt soll noch wachsen“, betonte Projektleiterin Anja Johannes. „Wir hoffen auf viele Impulse von außerhalb“ – von Besuchern wie von Forschern, die hier mitmachen wollen.

Illustratorin Anja Maria Eisen aus Dresden bereitet „Forschungswerkstatt Smart Materials“ in den Technischen Sammlungen Dresden auf dem Tablet die Visualisierung einer Corvette vor. Foto: Heiko Weckbrodt

Illustratorin Anja Maria Eisen aus Dresden bereitet „Forschungswerkstatt Smart Materials“ in den Technischen Sammlungen Dresden auf dem Tablet die Visualisierung einer Corvette vor. Foto: Heiko Weckbrodt

Residenz-Künstlerin will mit Besuchern „das Inhärente“ im intelligenten Material erkunden

Solch externe Impulse wollen auch zwei Künstlerinnen liefern, die temporär ihr Atelier ins Museum verlagern. Den Anfang macht die Gestalterin Ulrike Mäder aus Halle. Sie will mit den Besuchern während ihrer Residenz-Zeit in Dresden „das Inhärente“ sogenannter „intelligenter“ Materialien erkunden – also was dem unscheinbaren Stück Kunststoff oder Metall innewohnt, das seine magischen Eigenschaften oft erst zeigt, wenn es draußen heiß wird, Strom anliegt oder Töne durch den Raum schwingen.

Draht „erinnert“ sich an seine alte Form

Ein recht anschauliches Beispiel für solche „Smart Materials“ können Besucher gleich am ersten Tisch der neuen Forschungswerkstatt ausprobieren: Ein Gewicht hängt an einer Spirale aus Nickel-Titan-Draht. Erwärmt der Besucher die Installation mit einem Föhn, „erinnert“ sich der Draht an die straffere Form, die er früher einmal hatte, zieht sich zusammen – und hebt wie ein Kran das Gewicht. „Formgedächtnis-Legierungen“ nennt man solche Werkstoffe, die für ganz neuartige Maschinen und Produkte sorgen sollen.

Der Goldbergsaal in den Technischen Sammlungen Dresden hat sich in eine „Forschungswerkstatt Smart Materials“ verwandelt - hinter den eigens installierten alten Raumteilern haben die Projektleiter ihr offenes Büro. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Goldbergsaal in den Technischen Sammlungen Dresden hat sich in eine „Forschungswerkstatt Smart Materials“ verwandelt – hinter den eigens installierten alten Raumteilern haben die Projektleiter ihr offenes Büro. Foto: Heiko Weckbrodt

Hirnabsauger und Kleinkind-Kissen aus „Smart Materials“ entwickelt

Erste solcher Innovationen hat das „Smart3“-Forschungskonsortium, das die neue Forschungswerkstatt in Dresden erst möglich gemacht hat, auch schon in petto: „Wir entwickeln zum Beispiel einen Sauger für minimal-invasive Gehirn-Operationen“, erzählt Fraunhofer-Experte Matthes Brähmig vom „Smart3“-Verbund. „Im Vergleich zu klassischen OPs muss dabei nicht so viel Gehirngewebe entfernt werden.“ Eine weitere „Smart3“-Entwicklung ist ein lautloses Hightech-Kissen: Die darin verbauten Gedächtnislegierungen ändern regelmäßig die Form des Kissens, um Schädeldeformationen bei Kleinkindern vorzubeugen.

„Forschungswerkstatt Smart Materials“ in den Technischen Sammlungen Dresden: An zahlreichen Tischen und Regalen können die Besucher Smart Materials anfassen und ausprobieren - hier zum Beispiel lässt sich ein künstliches Tierfell streicheln.

„Forschungswerkstatt Smart Materials“ in den Technischen Sammlungen Dresden: An zahlreichen Tischen und Regalen können die Besucher Smart Materials anfassen und ausprobieren – hier zum Beispiel lässt sich ein künstliches Tierfell streicheln.

Dauerhaftes Labor im Museum geplant

All dies und mehr wollen die Forscher und Künstlern jungen wie älteren TSD-Besuchern spielerisch verklickern, mit ihnen experimentieren und tinkern. Wenn die Mitmach-Werkstatt in fünf Monaten wieder ihre Pforten schließt, soll’s das aber nicht gewesen sein: „Unser Plan ist, in den Technischen Sammlungen dauerhaft ein offenes Labor zum Thema ,Smart Materials’ einzurichten, in das wir auch Elemente der Forschungswerkstatt einbauen wollen“, kündigte TSD-Direktor Schwarz an.

Autor: Heiko Weckbrodt

-> Mit einer „Einzugsparty“ mit Musik und Vorführungen wollen die Ingenieure und Künstler gemeinsam mit den Dresdnern die neue „Forschungswerkstatt Smart Materials“ am Sonnabend, 5. Mai 2018, ab 15 Uhr im 5. Obergeschoss der TSD, Junghansstraße 1, einweihen. Ab 14 Uhr ist daher an diesem Tag der Eintritt im gesamten Technikmuseum gratis. Mehr Infos im Netz, zum Beispiel über Sonderveranstaltungen und Angebote für Schulklassen, gibt es hier.

Die Forschungswerkstatt kann ansonsten während der regulären Öffnungszeiten des Technikmuseums besucht werden: Di – Fr  9.00 – 17.00 UhrSa / So / Feiertag  10.00 – 18.00 Uhr. Der Eintritt in die TSD kostet 5 Euro

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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