Schon im Krieg experimentierten Hellerauer Technologen mit Furnier-Leichtbau für die V1 und für Kampfflugzeuge
Dresden, 23. Januar 2018. Die Studenten der Dresdner Unternehmung „Jungholz“ sind nicht die ersten, die freigeformte Leichtbau-Werkstücke aus zahlreichen Lagen von Furnierhölzern herstellen: Die Deutschen Werkstätten Hellerau (DWH) setzten während des Weltkrieges eine Vorstufe dieser Technologie ein, um die Nazi-Flugbombe V1 leichter zu machen, und danach, um besonders elegante Stühle zu bauen. Darauf hat der Chemiker Michael Thieme hingewiesen, dessen Vater Hans Thieme an den damaligen Entwicklungen beteiligt war. Allerdings konnten die DWH-Holzexperten damals nur Furnierholz-Leichtbauteile in zwei Dimensionen frei formen und nicht wie heute in drei Dimensionen: Das Know-how und die Computeroptimierung, die in den jüngsten „Jungholz“-Formteilen stecken, fehlten damals noch.
Vom Tischler zum einarmigen Technologen
„Mein Vater hatte ursprünglich Tischler gelernt“, erzählt Michael Thieme. Nach einer Kriegsverletzung verlor der Vater einen Arm, schulte zum Möbel-Techniker um und heuerte in den DWH in Dresden an. „Die Idee war schon damals, Holz als Leichtbau-Werkstoff einzusetzen.“ Darauf hätten auch die nationalsozialistischen Rüstungspolitiker gedrängt. Sie wollten von den Hellerauern unter anderem leichte Bauteile für Flugzeuge und für den Lastraum der V1 haben. Die DWH und auch der einarmige Technologe Hans Thieme arbeiteten daran einige Zeit in einer Außenstelle in Olbernhau. Dabei legten sie abgestuft eingekürzte Furnierhölzer übereinander und verleimten sie unter Druck und Hitze. Dadurch kamen geschwungene Bauteile und Rohre zustande. Mit klassischem Vollholz-Zuschnitt wären Teile in dieser Form, Leichtigkeit und Stabilität nicht produzierbar gewesen.
Auch „Menzel-Stuhl“ basierte auf Furnier-Stapeln
Diese Vorläufer heutiger Verbundwerkstoff-Technologien verwendeten die DWH nach dem Krieg auch wieder, um zum Beispiel den „Menzel-Stuhl“ herzustellen: ein schwungvolles Sitzmöbel, dessen Lehne, Sitz und Vorderbeine aus einem Furnierholz-Stapel mit variierender Dicke gefertigt war. „Der Stuhl wurde allerdings nur in kleineren Serien produziert“, sagt Michael Thieme.
Mit Computerhilfe von 2D zu 3D
Aufgenommen haben dieses Konzept in jüngster Zeit Dresdner Leichtbau-Studenten. Sie haben die Technologie mit digitaler Unterstützung allerdings so weiterentwickelt, dass sie aus Furnieren nun frei modellierbare und hochbelastbare 3D-Bauteile erzeugen können. Unter anderem verwenden sie Computermodelle aus der Verbundstoff-Technologiesphäre, um Materialeinsatz und Festigkeit ihrer Furnierbauteile zu optimieren.
Autor: Heiko Weckbrodt
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