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Hart wie Hightech-Holz

Yves Mattern (links) und Philipp Strobel (mit Holzbuch, rechts) sind die Chefs der Holz-Leichtbaufirmen Lignoa (in Gründung) und Jungholz aus Dresden. Sie wollen mit ihren Holztechnologien Kinderagen, Rollstühle und Autos bauen. Foto: Heiko Weckbrodt

Yves Mattern (links) und Philipp Strobel (mit Holzbuch, rechts) sind die Chefs der Holz-Leichtbaufirmen Lignoa (in Gründung) und Jungholz aus Dresden. Sie wollen mit ihren Holztechnologien Kinderagen, Rollstühle und Autos bauen. Foto: Heiko Weckbrodt

Drei Studenten aus Dresden haben Holz mit Luftfahrt-Technologien superstabil gemacht – und wollen damit nun Autos, Fahrräder und Rollstühle bauen

Dresden, 13. Dezember 2017. Drei Studenten wollen in Dresden einen Leichtbau-Konzern für Autos, Fahrräder, Rollstühle und Kinderwagen aus Holz etablieren: Yves Mattern, Philipp Strobel und Lukas Denzner haben am Institut für Leichtbau (ILK) der TU Dresden ein innovatives Verfahren entwickelt, um Holzbauteile so leicht wie Karbon und stabiler als Aluminium zu fertigen. Diese Hightech-Hölzer halten auch hohen mechanischen Belastungen stand – und können nahezu jede Form annehmen. Die Drei wollen das Konzept ab dem Sommer 2018 unter den Marken „Jungholz“ und „Lignoa“ kommerzialisieren. Erste Aufträge haben sie bereits in Aussicht. „In 15 Jahren will ich mit einem von uns gebauten Elektroflitzer aus Holz zur Autoausstellung IAA zu fahren“, verrät der 28-jährige Yves Mattern.

Schöner, ökologischer – und stabiler

Das mag kühn klingen, hat aber einen soliden Kern – einen sehr stabilen sogar. „Was aus unseren Holzbauteilen hergestellt wird, sieht nicht nur schöner aus als ein Rahmen aus Metall“, erklärt Philipp Strobel. „Unsere Komponenten sind ökologischer, komfortabler, halten doppelt so lange und sind 50 Prozent belastbarer als zum Beispiel ein gleich schwerer Alu-Rahmen.“ Allerdings werden sie auch etwa doppelt so teuer sein wie eine Standardlösung.

Alles begann mit einem Unfall

Um zu verstehen, warum das Trio sich so auf den Werkstoff Holz eingeschossen hat, muss man sechs Jahre zurück in die Vergangenheit gehen. Damals baute Mattern einen Unfall und der fesselte ihn für ein paar Wochen an einen Rollstuhl. Während der „Reha“ grübelte er darüber nach, warum viele Rollstühle so hässlich aussehen wie ein 30 Jahre altes Fahrrad – und ob man das nicht besser machen kann. Ein Prothetik-Studium in Erlangen später war Mattern klar, dass er auch profunde Maschinen- und Leichtbau-Kenntnisse brauchen würde, um seine Vision von einem schönen und doch stabilen Rollstuhl zu verwirklichen. „Das beste Studium in der Richtung habe ich am ILK in Dresden gefunden.“

„Er sprach von seinen Rollstühlen, ich von meinen Holz-Tischen.“

Während er dort bei Professor Niels Modler studierte und forschte, stieß er auf seinen späteren Kompagnon Philipp Strobel. Der Fahrzeugbauer aus Freiberg war in Dresden gerade dabei, eine eigene Leichtbau-Geschäftsidee unter der Marke „Jungholz“ zu realisieren: kleine, aber stabile Aufsatztische aus Holz, die man sich aufs Bett oder Sofa stellt, um gemütlicher mit dem Notebook arbeiten zu können. „Wir saßen im selben Büro“, erinnert sich Strobel. „Er hat von seinen Rollstühlen erzählt, ich von meinen Holz-Tischen.“

Technologien aus der Karbon- und CFK-Fertigung weiterentwickelt

Ein Gedanke gesellte sich zum anderen und bald war beiden klar: Holz ist das richtige Material. Aber normales Holz ist zu instabil und zu schwer. Andere Dresdner Jungunternehmer haben sich bereits mit Holzrohren versucht und sind gescheitert. Also mussten die jungen Ingenieure ein paar Technologien adaptieren und weiterentwickeln, die das ILK bis dahin mit ganz anderen Materialien eher im Highend-Automobilbau und in der Flugzeugindustrie erprobt hatte. Ihr Dreh: Die jungen Leichtbauer legen Furniere – also dünne Holzstreifen – über eine Vorgabeform, biegen und verkleben sie. Dadurch entsteht ein geschwungenes Bauteil, das durch die natürliche Orientierung der Holzfasern in Längsrichtung besonders zug- und bruchfest ist. Dann schneiden die Experten dieses Bauteil wieder in Streifen, diesmal aber quer. Diese bereits gekrümmten Furniere legen sie dann auf eine neue Musterform und kleben sie schichtweise zusammen. So entstehen dreidimensional geformte Holzbauteile, die in Längs- wie Querrichtung starke Kräfte aushalten. Diese Formteile werden dann halbiert, innen ausgefräst, bis die richtige Balance zwischen Festigkeit, Steife und niedrigem Gewicht erreicht ist, und wieder zusammengefügt. In der Fachsprache heißt dies „Topologie-Optimierung“ – und wird bisher meist nur für aufwendig produzierte Auto- oder Flugzeugteilen aus Karbon oder Faser-Verbundwerkstoffen eingesetzt. Die daraus entwickelte Holztechnologie nennen die Dresdner „Wooden 3D Tubing“ (W3T), weil dabei frei geformte Rohre entstehen.

Eingefräst: „Da klaut Ihnen keiner mehr die Fahrrad-Leuchte.“

„Unser Verfahren ermöglicht ganz besondere Designs“, betont der 27-Jährige Fahrzeugbau-Ingenieur Strobel. „Wir können zum Beispiel in einem hölzernen Fahrradrahmen gleich die Aussparungen für integrierte LEDs, für Schlösser und Gelenke mit einfräsen. Da klaut Ihnen keiner mehr die Fahrrad-Leuchte.“ Hinzu komme der Komfortgewinn: Anders als Stahl, Alu oder Karbon federe ein Holzgefährt die Fahrstöße auf Dresdner Pflasterwüsten im Nu ab.

Naturkind will Holz-Kinderwagen aus Dresden

Die Technologien des Trios bergen offensichtlich so viel Innovations-Strahlkraft, dass schon die ersten Kunden vor der Tür stehen – noch bevor die „Lignoa Holztechnik“ richtig gegründet ist: Ein ökologisch ambitionierter Kinderwagenhersteller aus Österreich will von den Dresdnern einen hölzernen Designer-Kinderwagen haben. Und ein namhafter Stativ-Produzent möchte ein besonders leichtes und ungewöhnlich geformtes Kamera-Dreibein von Lignoa entwickeln lassen.

Crowdfunding-Werbevideo für
das Holzbuch (Jungholz):
 

Keine falsche Bescheidenheit: Vom Gründer-Stipendium zum Konzern

Einen konkreten Fahrplan für ihren künftigen Konzern haben die Drei auch schon ausgeheckt: Derzeit bemühen sie sich um ein Gründer-Stipendium. Das erste Geld soll durch Kredite sowie die erwähnten Laptop-Tische, laserbearbeitete Holzbücher und andere „Jungholz“-Produkte ins Haus kommen. Im Sommer 2018 soll dann die zweite Firma „Lignoa Holzechnik“ starten und zunächst für Kunden innovative Holzprodukte als Auftrags-Entwicklungen übernehmen. Etwa 2020 wollen die Gründer eine eigene automatisierte Fabrik in Dresden einrichten und womöglich die Fertigungssparte in eine separate Konzernsparte ausgliedern. Spätestens in zehn Jahren – also 2027 – möchten Strobel, Mattern und Denzner dann eine eigene Produktlinie von hochwertigen Holzfahrzeugen auf dem Markt haben: hochtechnologisch produzierte und doch naturnahe Fahrräder, E-Autos – und natürlich einen schicken hölzernen Rollstuhl, weil mit der Idee ja alles mal angefangen hat…

Autor: Heiko Weckbrodt

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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