Beim Steckerfest in der VW-Manufaktur Dresden loten Ingenieure die Energiereserven im intelligenten Heim vom morgen aus
Dresden, 5. Oktober 2017. Dutzende Ingenieure haben sich heute zu einem „Plugfest“ („Steckerfest“) in der gläsernen VW-Manufaktur in Dresden getroffen. Dabei haben sie versucht, Elektroautos, Solaranlagen und Heizungen verschiedener Hersteller zum gemeinsamen Plausch zu animieren – zum Beispiel über die aktuellen Strompreise oder über den richtigen Zeitpunkt, ein Haus zu heizen, die Wäsche anzusetzen oder das Auto aufzuladen. Dabei setzen sie auf die deutsche Maschinensprache „EEBus SPINE“, die sich laut Peter Kellendonk von der „EEBus-Initiative“ in Europa und in den USA immer mehr als Standard für die Energiekommunikation im „Internet der Dinge“ durchsetzt.
EEBus-Vision: Intelligentes Heim agiert als autonomer Energiehändler
Ein Ziel dieser Initiative ist ein intelligentes Heim, in dem das Elektroauto nicht nur als Transportvehikel, sondern auch Energiespeicher für das Hausnetz dienst. Ein solaranlagen-gerüstetes Heim, das Strom und Heizungsenergie möglichst billig erzeugt oder eingekauft und teuer verkauft. Gleichzeitig soll die lautlose EEBus-Debatte der Maschinen im Hintergrund verhindern, dass alle Sicherungen rauspringen, wenn Wärmepumpe, Geschirrspüler und Elektroauto-Ladesäule gleichzeitig zu starten versuchen. Mit dieser Technik „können Haushalte und Unternehmen erheblich Strom sparen“, verspricht Manager Frank Blessing vom Wechselrichter-Hersteller SMA, der ebenfalls auf VW-Einladung nach Dresden gekommen war.
Lokales Energiemanagement soll Blackouts durch Elektroautos verhindern
Hinter der EEBus-Initiative, die 2012 aus einem Förderprojekt des Bundeswirtschaftsministeriums entstand, stehen aber auch handfeste wirtschaftspolitische und ökonomische Interessen. Beispiel deutsche Energiewende: Die rief die Kanzlerin aus, bevor dafür genug Energiespeicher und Netzkapazitäten verfügbar waren. Wenn nun die deutschen Verbraucher gemäß der Kanzler-Vision plötzlich zu Zehntausenden Elektroautos kaufen würden, die dann alle fast gleichzeitig nach dem Berufsverkehr an die Dose müssten, wären Stromausfälle in Deutschland wieder an der Tagesordnung. Lokale Energiemanagement-Systeme könnten da als Brückentechnologie dienen: Indem sie verfügbare Energie und Verbrauch auf Haus- und Wohnblock-Ebene so austarieren, dass ein Blackout ausbleibt.
Deutsche Industrie will Standards fürs IoT setzen
Außerdem hat die deutsche Industrie ein vitales Eigeninteresse, beizeiten (deutsche) Standards für die vernetzte Welt von morgen zu definieren. Und wer Standards für eine Zukunftstechnologie setzt, der gewinnt damit oft auch Wettbewerbsvorteile. Abgesehen davon hat auch die starke Automobilbranche wenig Interesse daran, unzählige verschiedene Kommunikationsprotokolle in ihre Fahrzeuge einzubauen, damit jedes Elektroauto mit jeder Ladesäule klar kommt. „Japan hat schon einen eigene Standard namens Econet“, sagt VW-Entwicklungskoordinator Gunnar Bärwaldt. „Auch China wird wohl auch hier wieder eine Sonderrolle spielen und einen eigenen Standard entwickeln.“ Doch in Europa und den USA werden die meisten Autohersteller wahrscheinlich auf die EEBus-Maschinensprache setzen.
E-Autos sprechen ab 2019 gemeinsame EEBus-Sprache
Dafür spricht auch der starke Rückhalt unter Herstellern von Haushaltsgeräten („Weiße Ware“) und Heizungen. Inzwischen hat der EEBus-Verein rund 60 Mitglieder, auch viele US-Protagonisten haben sich dem europäischen Energie-Kommunikations-Standard angeschlossen. Dazu gehören viele große Unternehmen wie ABB, Miele, Liebherr, Bosch, Intel oder IBM, aber auch kleinere Firmen wie das Dresdner Kiwigrid. Und auch der Steckerfestival-Ort war nicht ganz zufällig gewählt: VW versucht die Dresdner Manufaktur als Zentrum neuer elektromobiler Konzepte zu profilieren – und dazu gehört neben den Elektroautos selbst eben auch ein ganzes Ökosystem neuer Mobilitäts-Lösungen. Die ersten Elektro-Autos mit voller EEBus-Unterstützung, so schätzt Volkswagen-Manager Bärwaldt, werden aber wohl erst in etwa zwei Jahren auf den Markt kommen.
Autor: Heiko Weckbrodt
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