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Halbe Milliarde Euro Exzellenzgeld winkt

Dr. Sebastian Merchel vom "5G-Lab" der TU Dresden zeigt einen Datenhandschuh, der künftig mittels 5G zum Beispiel Bombenentschärfungs-Roboter fernsteuern oder Fern-OPs ermöglichen soll. Foto: Heiko Weckbrodt

Dr. Sebastian Merchel vom „5G-Lab“ der TU Dresden zeigt einen Datenhandschuh, der künftig mittels 5G zum Beispiel Bombenentschärfungs-Roboter fernsteuern oder Fern-OPs ermöglichen soll. Ein neues Zentrum für Taktiles Internet in Dresden soll dieses Miteinander von Mensch und Maschine ganzheitlich untersuchen. Foto: Heiko Weckbrodt

TU Dresden erfolgreich im Zwischenfinale für Exzellenz-Wettbewerb – Neues Zentrum für Taktiles Internet geplant

Dresden/Leipzig, 29. September 2017. Sachsens Unis haben einen wichtigen Etappenerfolg im Wettbewerb  um neue Exzellenz-Fördergelder errungen: Die für den bundesweiten Wettbewerb zuständige „Deutschen Forschungsgemeinschaft“ (DFG) hat die Hälfte der 14 eingereichten sächsischen Projekte für so interessant befunden, dass die Professoren nun für die finale Auswahlrunde formale Förderanträge einreichen können. Allein der Dresdner Uni winken bis zu 65 Millionen Euro Exzellenzfordergelder pro Jahr beziehungsweise im besten Fall fast eine halbe Milliarde Euro für die Jahre 2019 bis 2025.

„Sehr gutes Zwischenergebnis“

„Das ist ein sehr gutes Zwischenergebnis“, lobte die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) in einer ersten Reaktion. Das zeigt, dass unsere Universitäten in den letzten Jahren eine erhebliche Exzellenz aufbauen konnten.“ Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) gratulierte vor allem den Unis Dresden und Leipzig, die sich im Vorausscheid durchsetzen konnten. „Die erneuten Erfolge unserer Universitäten zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, durch gute Forschung und Innovation Sachsen zu stärken und so die Bedingungen für attraktive Arbeit und Wohlstand im Land immer weiter verbessern.“

Die Uni Leipzig hat sich in den vergangenen Jahren erfolgreich auf Adipositas-Forschung konzentriert. Foto: Universität Leipzig, Christian Hüller

Die Uni Leipzig hat sich in den vergangenen Jahren erfolgreich auf Adipositas-Forschung konzentriert. Foto: Universität Leipzig, Christian Hüller

Uni Leipzig wirbt um fettleibiges Exzellencluster

Einen Vollantrag an die DFG kann nun die Uni Leipzig für den Ausbau ihrer Adipositas-Forschung stellen. Sie wollen chronische Fettleibigkeit  nicht nur unter klassich-medizinischen Aspekten betrachten. „Uns geht es auch um die soziale Dimension des Essens. Wer hat eigentlich Zugang zu den Nahrungsmitteln, die wir als gesund definieren? Studien zeigen, dass Adipositas vor allem bei einkommensschwachen Schichten oder bei Menschen mit Migrationshintergrund zu finden ist“, erklärte Prof. Maren Möhring, Kulturwissenschaftlerin der Universität Leipzig.

TU Dresden mit Spitzenquote: 6 von 8 Skizzen fand die DFG-Jury vielversprechend genug

Besonders aber die TU Dresden konnte punkten: Von acht eingereichten Projektskizzen ließ die DFG-Jury sechs fürs Finale zu – sie können nun in Vollanträge umgeschrieben werden. TUD-Rektor Hans Müller-Steinhagen zeigte sich „massiv erleichert“ über diesen „phantastischen Erfolg“. Die TUD, die bereits seit 2012 den Titel Exzellenz-Uni verteidigt, habe in den vergangenen Jahren enorm zugelegt, habe sich schärfer profiliert, mit Hilfe von Land, Bund und EU neue Infrastrukturen aufgebaut sowie internationale Spitzenforscher berufen. Der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) gratulierte den Forschern: „Ein großartiges Ergebnis“, kommentierte er und strich den besonderen Stellenwert der Uni für die ganze Stadt heraus: „Die TU kurbelt die Wirtschaft in Dresden an. Die TU revolutioniert Materialien. Die TU bildet den Nachwuchs aus.“

Der künftige 5G-Mobilfunk soll auch die Funkvernetzung von Exoskeletten über große Distanzen ermöglichen - ein Anwendungsbeispiel ist die Fern-Physitherapie. Foto: NASA

Der künftige 5G-Mobilfunk soll auch die Funkvernetzung von Exoskeletten über große Distanzen ermöglichen – ein Anwendungsbeispiel ist die Fern-Physitherapie. Foto: NASA

Taktiles Internet kann ganze Gesellschaft verändern

In der neuen Runde will die TU einerseits das bisher schon als „exzellent“ geförderte Zukunftselektronik-Forschungszentrum „cfaed“ fortführen. Als Kooperationspartner für das „5G Lab Germany“ der TU ist ein neues „Zentrum für Taktiles Internet“ (CeTI) geplant, das das Miteinander von Mensch und Maschine nicht nur technisch, sondern auch psychologisch, geisteswissenschaftlich und kommunikationswissenschaftlich untersuchen soll. All dies weckt auch das Interesse der Hightech-Branchen vor Ort: „Besonders die beiden Vollanträge für die Erforschung der Zukunft der Mikroelektronik sowie im Bereich des ,Taktilen Internets‘ zeigen die weltweit einzigartige Qualität der interdisziplinären Zusammenarbeit an der TU Dresden, an Europas führendem Halbleiter- und Internet of Things-Standort Sachsen“, meint Heinz Martin Esser, Vorstand des Hightech-Branchenverbandes Silicon Saxony. TUD-Rektor Müller-Steinhagen betont aber auch: „Wir müssen den Menschen bei dieser Entwicklung mitnehmen.“ Und eben darauf soll sich das geplante CeTi stürzen.

Weitere Exzellenz-Millionen wollen die Dresdner für ein Translationales Regenerationscluster (DTRC), ein Zentrum für Materiomik (DCM), ein Cluster „Physik des Lebens“ sowie ein Cluster „Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien“ (ct.qmat) beantragen.

Rektor Hans Müller-Steinhagen sieht für die TU Dresden "große Chancen, Exzellenzuniversität zu bleiben". Foto: Heiko Weckbrodt

Rektor Hans Müller-Steinhagen sieht für die TU Dresden „große Chancen, Exzellenzuniversität zu bleiben“. Foto: Heiko Weckbrodt

Bis zu 65 Millionen Euro pro Jahr könnten fließen

Zusammen haben diese sechs Projekte ein Antragsvolumen von zirka 50 Millionen Euro pro Jahr, informierte TUD-Rektor Hans Müller-Steinhagen auf Oiger-Anfrage. Sollte sich Dresden mit mindestens zwei dieser Anträge im Finale durchsetzen, kann sich die Uni außerdem um den Titel „Exzellenzuniversität“ und damit verbunden um zehn bis 15 Millionen Euro Querschnitts-Fördergelder bewerben.

Karbonbeton und Strahlenmedizin will Land anderweitig finanzieren

Nicht durchsetzen konnten sich die TU-Ideen für ein Karbonbeton-Cluster und die Strahlenmedizin-Forschung sowie die Projektskizzen der Unis Chemnitz und Freiberg. Hier versprach Ministerin Stange aber, gemeinsam mit den Unis auszuloten, ob sich diese Zentren und Projekte zumindest in Kernelementen doch noch realisieren lassen – nur eben mit anderen Geldgebern.

Bundesweit 88 von 195 Skizzen angenommen

Insgesamt waren bundesweit 195 Skizzen für exzellente Forschungscluster bei der DFG eingegangen. 88 davon können die Unis nun in Vollanträge umschreiben und sich an der finalen Auswahlrunde beteiligen. Letztlich werden rund 50 Projekte ausgewählt, die dann ab 2019 jährlich Exzellenz-Fördergelder bekommen. Wenn die Projekte nach sieben Jahren eine Erfolgsprüfung bestehen, werden sie im Sieben-Jahres-Rhythmus weitergefördert.

Autor: Heiko Weckbrodt

Die vorgeschlagenen TU-Exzellenprojekte im Überblick:

(Quelle: TUD)

cfaed: Center for Advancing Electronics Dresden

Das cfaed wird bereits seit 2012 im Rahmen der Exzellenzinitiative als Exzellenzcluster gefördert. Es stellt sich den größten Herausforderungen auf dem Gebiet der Elektronik. Die immer kleineren Strukturen der heutigen Technologie kommen an die physikalischen, atomaren Grenzen. Durch Einsatz neuer Materialien und unter anderem inspiriert durch die Biologie erforscht das cfaed völlig neue Elektronik für die Informationsverarbeitung. Ziel sind noch geringere Abmessungen, höhere Geschwindigkeit und gesteigerte Energieeffizienz, Kostenreduktion sowie die Realisierung neuer Funktionalitäten. Das Cluster setzt dabei auf einen ganzheitlichen Ansatz von den molekularen Ausgangsmaterialien bis hin zu hochintegrierten Verarbeitungssystemen.

 

DTRC: Translationales Regenerationscluster Dresden

Lebenslange Gesundheit durch Regenerationsforschung ist das Leitbild, nach dem das Cluster in einem ganzheitlichen Ansatz neue Behandlungs- und Präventionstherapien erforschen will. Im DTRC wollen Forscher der Lebenswissenschaften der TU Dresden, gemeinsam mit Medizinern des Universitätsklinikums, diesen Ansatz verfolgen. Langfristiges Ziel von translationaler Regenerationsforschung ist die Verbesserung der Lebensqualität der Patienten und damit Senkung der Gesundheitsausgaben für chronische Krankheiten. Dabei geht es darum, Erkenntnisse zur Regeneration, die bei Tieren gelingt,  auf den Menschen zu übertragen und bis zur klinischen Anwendung zu führen.

 

DCM: Zentrum für Materiomik Dresden

Das DCM will neuartige programmierbare Materialien erforschen und entwickeln. Dabei stehen Technologien und Simulationswerkzeuge im Mittelpunkt, die die Übertragung von Materialeigenschaften und -funktionen auf der Nanoskala in Anwendungen auf der Makroebene ermöglichen – vom Bit zum Atom zum System.

 

PoL: Physik des Lebens

Das Leben zu verstehen, ist eine der größten und komplexesten wissenschaftlichen Herausforderungen. Das Cluster will den grundlegenden Fragen in der Zell- und Entwicklungsbiologie auf den Grund gehen und dabei einen Paradigmenwechsel anstoßen: Die dem Leben zugrunde liegenden biologischen Prozesse als komplexe physikalische Phänomene zu begreifen.

 

ct.qmat: Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien

Neuartige Materialien mit speziell zugeschnittenen Funktionen sind die Grundlage des Fortschritts in praktisch allen Bereichen moderner Technologie. ct.qmat  setzt auf Quantenmechanik im atomaren Bereich, die in Verbindung mit der topologischen Physik sowie der chemischen und physikalischen Komplexität noch nie dagewesene Eigenschaften und Phänomene hervorbringt. Dieser Clusterantrag wird im Verbund mit der Universität Würzburg gestellt.

 

CeTI: Zentrum für Taktiles Internet

CeTI soll eine effiziente Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine vorantreiben. Eine künftige Anwendung ist  das Co-Working von Mensch und Maschine mit gegenseitigem Lernen. Dazu braucht es sowohl neue Kommunikationstechnologien zur Unterstützung von Echtzeit als auch das Verständnis des menschlichen Körpers und dessen Reaktionsvermögens.

 

Wundersame Regeneration: Der Lurch Axolotl kann ganze Gliedmaßen nachwachsen lassen. Abb.: CRTD

Wundersame Regeneration: Der Lurch Axolotl kann ganze Gliedmaßen nachwachsen lassen. Abb.: CRTD

Darüber hinaus wird bereits seit 2006 das Exzellenzcluster CRTD (Center for Regenerative Therapies Dresden) im Rahmen der Exzellenzinitiative gefördert. „Da es mit insgesamt zwei Förderphasen die maximale Finanzierungslaufzeit aus Mitteln der Exzellenzinitiative erreicht hat, war hier kein Folgeantrag möglich“, erklärte die TU-Pressestelle. „Das CRTD wird aber aus Mitteln des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst und der TU Dresden dauerhaft weiterfinanziert, um die hervorragenden wissenschaftlichen Arbeiten nahtlos fortsetzen zu können.“

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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