Auf den Dresdner Piano-Kirsten schwören auch die russischen Milliardäre
Dresden, 18. September 2017. Alles begann kurz nach der Wende auf einem Bauernhof in Dürrröhrsdorf: Noch im Jahr 1989 gründete der junge Klavierbauer Bert Kirsten im Gehöft seiner Eltern ein „Pianohaus“, die Scheue funktionierte er zum Konzertsaal und „Showroom“ um. Als erster Zoni absolvierte er die Ausbildung zum Klavierbau-Meister drüben im Westen. Mit dem Meisterbrief in der Tasche, traf er einen musikliebenden Schwaben, der ihm mit günstigen Mietversprechen nach Dresden lockte.
Ältestes Instrument war über 150 Jahre alt
Seitdem hat sich der „Piano-Salon Kirsten“ weit über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus einen Namen gemacht: Als Ort kleiner, aber feiner Konzerte am Neumarkt, vor allem aber als Hort von 16 detailverliebten Handwerkern, die selbst den angestaubtesten Flügel noch so aufzumöbeln verstehen, dass er wieder wie am ersten Tag klingt. „Das älteste Instrument, das wir hier repariert haben, war – glaube ich – ein Tafelklavier von 1865“, erzählt Meister Kirsten.
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Fernheizungen trocknen Resonanzboden aus
Etwa ein Vierteljahr dauere es im Schnitt, einen alten Flügel neu aufzubauen, sagt er. Oft sind die Resonanzböden gerissen, weil die Instrumente ursprünglich für Wohnungen mit Ofenheizungen gebaut wurden, aber mit der trockenen Luft von Fernheizungen schlecht klarkommen. Oft müssen die Klavierbauer zudem neue Saiten einziehen, die Hämmer mit neuem Schafsfilz überziehen oder auch mal Tasten austauschen: die schwarzen aus Ebenholz und die weißen mit dem Elfenbein-Überzug, der inzwischen verboten ist und durch einen speziellen Kunststoff ersetzt wird.
Flügelbefeuchter erfunden
Eigentlich, so sinniert Kirsten, sei Klavierbau ja ein zutiefst ausgereiftes, konservatives Handwerk. „Aber manchmal kommen mir doch neue Ideen.“ Stolz zerrt er unter einem seiner vielen Flügel ein Gerät hervor, der einem besonders edel lackierten Papierkorb mit Stromanschluss ähnelt. „Eine Flügelbefeuchtungs-Anlage“, erklärt er triumphierend und erinnert dann an die bereits erwähnte Feindschaft zwischen Resonanzböden aus Fichtenholz und den neumodischen Fernheizungen: Kirstens Innovation soll verhindern, dass die Flügel weiter austrocknen. Die Elektronik habe eine Rossendorfer Firma beigesteuert. Die Nullserie werde er der Staatsoperette und der Musikhochschule zum Testen geben. Wenn sich der Befeuchter dort bewährt, will er ihn weltweit vermarkten.
Hochseesicherer Jacht-Flügel
Und gelegentlich bauen er und seine Mitarbeiter auch mal Flügel völlig um. Letztens hätten reiche Russen von ihm Sonderanfertigungen für ihre sündhaft teuren Jachten haben wollen, erzählt der Meister. Die Entwürfe kamen aus Frankreich, gebaut wurden die Flügel dann in Dresden – mit Internetanschluss und hochseesicher bis zur Sturmstärke 10, wie Kirsten versichert. Die eingebauten Lichteffekte seien spektakulär geworden, sagt er, schwärmt von „dimmbaren Lichtfluten“ und davon, wie nützlich so etwas auch für Konzertpianisten wären, die sich oft über Schlagschatten auf ihren Klaviaturen ärgern. „Wenn man da nur auf größere Stückzahlen käme, dann wäre das auch für normale Musiker bezahlbar und nicht nur für Oligarchen…“, versinkt er bereits wieder in tüftlerischen Gedanken.
Autor: Heiko Weckbrodt
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