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Elektromobile Musike spielt im Fahrradmarkt

Ein mit Pendix-Technik zum e-Bike umgerüstetes fahrrad Foto: Pendix

Ein mit Pendix-Technik zum e-Bike umgerüstetes fahrrad Foto: Pendix

Zwickauer Ingenieure haben sich mit elektrischen Nachrüst-Bausätzen für Fahrräder in die obere Liga gespielt

Zwickau, 4. Juli 2017. Wenn sich Deutschland technologisch und wirtschaftlich nicht mehr ins Zeug legt, wird aus dem Auto-Vorzeigeland ein Nachzügler der Elektromobilität. Davor hat Thomas Herzog gewarnt. „Wir müssen extrem achtsam sein, dass wir nicht den Anschluss verlieren“, sagt der Chef des Zwickauer Unternehmens „Pendix“, das Elektro-Nachrüstsätze für klassische Fahrräder entwickelt. Zum Beispiel fließe in Deutschland und speziell in Sachsen viel zu wenig Risikokapital, um aus guten Geschäftsideen erfolgreiche Unternehmen zu machen. „Der Technologiegründerfonds Sachsen gehört da zu den wenigen Ausnahmen.“

USA und Fernost geben den Takt auf dem  elektromobilen Markt an

Die Gefahr zurückzufallen gelte für mehrere Marktsegmente, betonte der Pendix-Chef: Unter den Herstellern von Elektroautos gibt technologisch beispielsweise nicht etwa ein deutsches Unternehmen den Ton an, sondern Tesla in den USA. Auch die Batterien für Elektrofahrzeuge kommen heute fast ausschließlich aus Südkorea, Taiwan und den USA. Zudem konzentriere sich der deutsche Blick zu sehr auf die renommierträchtigen Elektroautos. Darüber werde indes oft vergessen, wo sich schon längst ein elektromobiler Massenmarkt entwickelt habe: Und das ist der Markt für Elektrofahrräder, in dem wiederum – zumindest quantitativ – die Chinesen den Ton angeben.

Pendix-Geschäftsführer Thomas Herzog. Foto: Pendix

Pendix-Geschäftsführer Thomas Herzog. Foto: Pendix

Deutsche investieren besonders viel Geld in ihre E-Drahtesel

Andererseits sollten deutsche Anbieter für eBikes eigentlich hierzulande leichtes Spiel haben, gilt Deutschland doch neben China eigentlich als eines der interessantesten Zielländer überhaupt für E-Fahrrad-Hersteller: Im Schnitt gibt der deutsche Elektrofahrrad-Käufer fast 3300 Euro für seinen Hightech-Drahtesel aus – Tendenz: steigend. Zum Vergleich: In Frankreich und Italien liegt dieser Durchschnitts-Verkaufspreis bei nur knapp 1000 Euro, in China weit unter 500 Euro.

Nachrüstbatterien für Fahrräder. Foto: Pendix

Nachrüstbatterien für Fahrräder. Foto: Pendix

Pendix-Chef sieht Umrüst-Potenzial für 16 Millionen Fahrräder

Auch das hohe Umweltbewusstsein und die hohen Spritpreise machen Deutschland interessant für die elektromobile Wirtschaft: „Immer mehr Deutsche nutzen wieder Fahrräder, teils auch als Lastenfahrräder, und darunter ist wiederum ein hoher Anteil von E-Fahrrädkäufern“, betont Thomas Herzog. So gehen die Bundes-Statistiker derzeit davon aus, dass die Deutschen insgesamt rund 71 Millionen Fahrräder besitzen, davon sind etwa drei Millionen Elektrofahrräder. Die Nachrüst-Sätze der Zwickauer zielen auf die Differenz dazwischen: „Wir gehen davon aus, dass etwa 16 Millionen Bestands-Fahrräder allein in Deutschland für eine Umrüstung zum Elektrofahrrad in Frage kommen“, ist der Pendix-Chef überzeugt. „Das ist ein riesiges Potenzial.“

Erste Erfahrungen mit E-Rennwagen bei der Formel 1 für Studenten

Dass in diesem eBike-Markt „die Musike spielt“, hatten Herzog und seine Mitstreiter bereits vor Jahren erkannt: „Wir Fünf haben uns 2007 an der Hochschule Zwickau kennengelernt“, erzählt er. Die Kommilitonen schraubten und tüftelten bei den internationalen Studenten-Meisterschaften „Formula Student“ mit, konstruierten 2010 für diesen Wettbewerb auch einen ersten Elektro-Rennwagen. „Ein Jahr später haben wir unser erstes Unternehmen gegründet: Als Ingenieurdienstleister haben wir zum Beispiel Prototypen für die Automobilindustrie entwickelt.“

Etwa 20 Anbieter am Markt

Eines Tages kam ein Entwicklungsauftrag von einem Hersteller von Lasten-Fahrrädern – und da zündete die Idee. „Wir wollten schon längst mal ein eigenes Produkt entwickeln“, erinnert sich Herzog. 2013 wurde aus diesem Wunsch die Firma „Pendix“, die ihr erstes Risikokapital vom „Technologiegründerfonds Sachsen“ bekam. Denn die Fonds-Manager erkannten rasch das Potenzial der Idee aus Zwickau: „Zwar gab und gibt es schon um die 20 Bausätze auf dem Markt, mit dem man klassische Fahrräder zu e-Bikes umrüsten kann“, sagt Herzog. Aber Pendix habe von Anfang an auf hohe Qualität und eine simple Montage gesetzt. Binnen einer Stunde, so das Konzept, soll jeder die Umrüstung schaffen können. Der Bausatz ist für 80 Prozent aller Klassik-Fahrräder geeignet, ein sogenanntes BSA-Tretlager ist Bedingung. Ist die Montage geschafft, kommt das frisch geschlüpfte E-Bike – je nach gekauftem Lithium-Ionen-Akku und Nutzung – auf 25 bis 160 Kilometer Reichweite.

Großteil der Wertschöpfung in Sachsen

Die Akkus kommen letztlich aus Asien, ansonsten aber werden 90 Prozent der Zulieferteile in Deutschland und vor allem in Sachsen produziert, betont der Geschäftsführer. Die Endmontage erledigen Pendix-Mitarbeiter in einer Werkhalle in Zwickau.

„Wir stehen noch ganz am Anfang.“

Und die inzwischen 37-köpfige Truppe aus Sachsen muss wohl irgendwas richtig machen: Mittlerweile beliefert Pendix über 400 Händler in der Bundesrepublik und viele weitere Distributoren im europäischen Ausland, sieht sich selbst als deutscher Marktführer im Nachrüst-Segment. Genaue Geschäftszahlen will Herzog nicht herausrücken, um die Konkurrenz nicht anzufüttern. Der Umsatz liege derzeit im einstelligen Millionen-Bereich, verrät er lediglich. Für dieses Jahr gehe er von einer Verdreifachung aus. „Dabei stehen wir noch ganz am Anfang.“

Autor. Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Der deutsche E-Bike-Markt in Zahlen

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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