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Astrophysiker befragen den Dresdner Eiswurm

40 Zentimeter strahlungsarmer sächsischer Beton schirmen das künftige Labor zusätzlich zu Felsen von störender Strahlung ab. Foto: Heiko Weckbrodt

40 Zentimeter strahlungsarmer sächsischer Beton schirmen das künftige Labor zusätzlich zu Felsen von störender Strahlung ab. Foto: Heiko Weckbrodt

Unterirdisches Richtfest: Beschleuniger im Plauenschen Grund soll die großen Fragen nach dem Leben und dem Universum beantworten

Dresden, 28. Juni 2017. Weil sie wissen wollen, wie Sterne die Grundzutaten des Lebens kochen, haben der kanadische Nobelpreisträger Professor Arthur McDonald und seine sächsischen Forscherkollegen am Mittwoch ein unterirdisches Richtfest gefeiert – eben dort, wo der Legende nach einst ein Drache das Eis von den gelagerten Bierfässer schleckte. „Für mich ist es eine besondere Freude, mit Professor Kai Zuber und den Kollegen der TU Dresden zusammenzuarbeiten“, betonte der Neutrino-Experte.

War zum Richtfest im Eiswurrmlager Dresden angereist: Nobelpreisträger Professor Arthur McDonald. Foto: Foto: Heiko Weckbrodt

War zum Richtfest im Eiswurrmlager Dresden angereist: Nobelpreisträger Professor Arthur McDonald. Foto: Foto: Heiko Weckbrodt

Vom Bierkeller ins Innere der Sterne gucken

Denn derzeit entsteht mit einem finanziellen Aufwand von rund drei Millionen Euro tief in den Felshängen des Plauenschen Grundes ein deutschlandweit einzigartiges Labor mit einem Ionenbeschleuniger als Herzstück. Damit wollen die Astrophysiker des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und der TU Dresden im alten Bierstollen die Vorgänge im Zentrum von jungen, sterbenden und explodierenden Sternen nachstellen. „Sie werden aus der Tiefe eines Bierkellers ins Innere der Sonne schauen – ein interessanter Brückenschlag“, sinnierte fasziniert die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) zum Richtfest.

Richtfest im Eiswurrmlager Dresden. Von links nach rechts: Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), Prof. Peter Joehnk (HZDR), Rektor Hans Müller-Steinhagen (TU Dresden), Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) und Nobelpreisträger Arthur McDonald schneiden das Band durch. Foto: Heiko Weckbrodt

Richtfest im Eiswurrmlager Dresden. Von links nach rechts: Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), Prof. Peter Joehnk (HZDR), Rektor Hans Müller-Steinhagen (TU Dresden), Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) und Nobelpreisträger Arthur McDonald schneiden das Band durch. Foto: Heiko Weckbrodt

Unterm Fels: Mantel aus strahlungsarmem Beton

Die 1991 aufgegebene Felsenkeller-Brauerei mit ihrem „Eiswurmlager“ ist mit Bedacht als Ort für den Beschleuniger gewählt: 45 Meter Felsen werden das Labor vor kosmischer Strahlung gut abschirmen, damit die Messungen nicht verfälscht werden. Weil aber auch Dresdner Fels selbst etwas strahlt, haben Bauarbeiter in den vergangenen Monaten zusätzlich noch mal einen dicken Mauerschlauch in die Stollen gegossen – 40 Zentimeter dick und aus einem besonders strahlungsarmen sächsischen Beton gemacht. Im Dezember 2017 sollen die letzten Geräte installiert sein und das Labor schrittweise in Betrieb gehen.

Hofft auf neue Erkenntnisse über die Kernfusion in Riesensternen: Physiker Daniel Bemmerer neben dem Beschleuniger-Tank beim Eiswurmlager in dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Hofft auf neue Erkenntnisse über die Kernfusion in Riesensternen: Physiker Daniel Bemmerer neben dem Beschleuniger-Tank beim Eiswurmlager in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Was genau passiert beim Helium-Brennen?

Die Forscher um Prof. Kai Zuber von der TU Dresden und Dr. Daniel Bemmerer vom HZDR wollen hier nämlich hochpräzise vermessen, was genau passiert, wenn zum Beispiel zwei Helium-Atomkerne nahezu mit Lichttempo zusammenprallen. Einiges wissen die Astrophysiker bereits über diesen Prozess: Er spielt sich meist in älteren Sternen ab, die schon viel von ihren Wasserstoff-Vorräten zu Helium verschmolzen haben. Dann fangen sie nämlich an, das Helium zu Beryllium und anderen Elementen zu verschmelzen, um dem eigenen Energietod zu entgehen. Und in noch älteren Sternen und in Supernovae fusionieren diese vergleichsweise leichten Materalien dann auch zu Kohlenstoff und Sauerstoff – zusammen mit Wasserstoff sind dies die Grundbausteine unseres Lebens.

Prof. Kai Zuber, TUD. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Kai Zuber, TUD. Foto: Heiko Weckbrodt

Warum sind die Grundbausteine des Lebens so häufig im Universum?

Seltsamerweise sind gerade diese Elemente besonders häufig im Universum anzutreffen, während andere ganz selten sind. Warum das so ist, wollen die Dresdner Forscher mit dem Eiswurm-Beschleuniger in Zukunft hochpräzise ausmessen. Bereits jetzt gibt es zahlreiche Anfragen von Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland, die um Arbeitszeit im Dresdner Bierkeller bitten. „Wir rechnen mit einem Run auf die Anlage, wenn sie fertig ist“, orakelte der kaufmännische HZDR-Direktor Prof. Peter Joehnk.

Noch stehen die Schalter im Beschleuniger-Labor im Eiswurmlager auf Aus. Foto: Heiko Weckbrodt

Die großen Fragen im Hintergrund

Auch Nobelpreisträger McDonald erhofft sich wichtige wissenschaftliche Beiträge aus dem Eiswurmlager. Denn eine Grundneugier sei doch allen gemein: Wir alle wollen zu gern mehr über unsere Ursprünge wissen, wie das Leben und das Universum entstand – und wie es endet. Auch für die Konstruktion von Fusions-Reaktoren könne die Sonne als „Prototyp“ und Bauanleitung dienen, so McDonald. „Der Felsenkeller-Beschleuniger könnte darauf einige Antworten liefern.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Richtfest im Eiswurrmlager Dresden

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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