Ausflugstipp, Kunst & Kultur, zAufi
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Besuch beim Junker Jörg

Die Eltern des Reformators auf Bildern von L. Cranach d. Ä. Foto: Peter Weckbrodt

Vater des Reformators auf Bildern von L. Cranach d. Ä. Foto: Peter Weckbrodt

Oigers Wochenendtipp: Die Wartburg und die Luther-Frage

Eisenach, 26. Mai 2017. Was machen wir bloß mit diesem Luther? Mit dieser Frage quälen sich die Deutschen, beginnend im Jahre 1521 mit dem Reichstag in Worms bis in unsere Gegenwart. Denn das 500-jährige Reformationsjubiläum naht unausweichlich. Und die Lutherfrage nimmt die Bundesregierung, die Kirchen und letztlich alle Deutschen in die Pflicht. Mit drei wuchtigen Hammerschlägen in Gestalt der drei Nationalen Sonderausstellungen in Berlin, Eisenach und Lutherstadt Wittenberg, soll einmalig und zugleich erschöpfend der Deutschen Antwort auf diese Frage verkündet werden.

Eindrucksvoll bietet sich die Wartburg dem Blick des Besuchers, wenn er den Aufstieg bis zum Burgtor mit Zugbrücke endlich geschafft hat. Foto: Peter Weckbrodt

Eindrucksvoll bietet sich die Wartburg dem Blick des Besuchers, wenn er den Aufstieg bis zum Burgtor mit Zugbrücke endlich geschafft hat. Foto: Peter Weckbrodt

Dazu gesellen sich ebenfalls große Ausstellungen auf der Landesebene, so in Torgau für Sachsen, in Eisleben für Sachsen-Anhalt sowie jede Menge eher kleinere durch die Kommunen initiierte Ausstellungen. Der Oiger wird sich die einen oder anderen davon ansehen. Wir unternehmen aber keine Tiefenprüfung auf deren Gehalt.

Zum Weiterlesen:

Sachsen und die Reformation

Luther-Handschrift in der SLUB

Luther auf Münzen weltweit omnipräsent

Luther belegt in Umfragen nach den bekanntesten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte stets vordere Plätze. Rainer Grund, der Direktor des Dresdner Münzkabinetts, bestätigte dem Oiger, dass Luther die weltweit am meisten auf Medaillen porträtierte Persönlichkeit ist.

Des Reformators Denkmal auf dem Karlsplatz in Eisenach. Foto: Peter Weckbrodt

Des Reformators Denkmal auf dem Karlsplatz in Eisenach. Foto: Peter Weckbrodt

„Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir“

Dem jungen Luther, dem Junker Jörg, gilt auf der Wartburg unser erster Besuch. Mit dem Wormser Edikt Karl IV. vom 8. Mai 1521 war Luther seinem erbittertsten Feind, dem Papst, ausgeliefert worden. Wir können dieses Edikt in der nationalen Sonderausstellung „Luther und die Deutschen“  erstmalig und sicher niemals wieder, im Original bewundern.

Selbst das Duplikat der in der Wiener Hofburg im Original aufbewahrten Reichsinsignien  beeindruckt. Foto: Peter Weckbrodt

Selbst das Duplikat der in der Wiener Hofburg im Original aufbewahrten Reichsinsignien beeindruckt. Foto: Peter Weckbrodt

Kaiser verzögerte bewusst die Zustellung des Edikts nach Sachsen

Luther hatte dem Wormser Reichstag den Wideruf seiner Wittenberger Thesen verweigert. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir“, soll er gesagt haben. Pikant und bisher kaum so bekannt an der Geschichte ist, dass der Kaiser die Ausfertigung und Bekanntgabe des Ediktes deutlich verzögerte, es dem sächsischen Kurfürsten gar nicht erst zustellten ließ. Dies ermöglichte überhaupt erst Friedrich dem Weisen, dem Beschützer Luthers, diesen auf der Wartburg komplett aus dem Bewusstsein der Politik und des Klerus zu entfernen um, in Abstimmung mit dem Kaiser, Ruhe im Reich eintreten zu lassen, die beide offenbar dringend brauchten.

Wie die Lutherstube heute aussieht, ist bekannt. So hielt Theodor Rothbart jun. um 1845 deren Aussehen im Bild fest. Foto: Peter Weckbrodt

Wie die Lutherstube heute aussieht, ist bekannt. So hielt Theodor Rothbart jun. um 1845 deren Aussehen im Bild fest. Foto: Peter Weckbrodt

Wartburg-Intermezzo war produktivste Zeit des Reformators

Die Zeit auf der Wartburg war, das wird in der Sonderausstellung überzeugend dokumentiert, die wahrscheinlich produktivste Schaffenzeit im Leben des Reformators: Er übersetzt in elf Wochen das Neue Testament ins Deutsche und legt damit zugleich die Grundlagen für unsere heutige hochdeutsche Schriftsprache. Wir können prachtvollste Bibelausgaben noch aus Luthers Zeit bestaunen. Luther lernt Griechisch und Hebräisch, arbeitet gleichzeitig an mehreren theologischen Schriften. Wir sehen ein Exemplar seines umfangreichen Schriftwechsels mit seinem engen Wittenberger Mitstreiter Georg Spalatin. Gezeigt werden Original-Exemplare seiner Schrift gegen das Klostergelübde sowie der Wartburgpostille, einer Sammlung von Musterpredigen. Sie sollte den evangelischen Pfarrern die Verkündung der neuen, der reformierten lutherischen Lehre, ermöglichten.

Modell der Judensau aus der Wittenberger Stadtkirche St. Marien. Foto: Peter Weckbrodt

Modell der Judensau aus der Wittenberger Stadtkirche St. Marien. Foto: Peter Weckbrodt

Die dunkle Seite Luthers: Hass auf Juden und Türken

Die Ausstellung geht weit über die Darstellung von Leben und Wirken Luthers auf der Wartburg hinaus: Sie zeigt, wie die Reformen den Verlauf der deutschen Geschichte bestimmte, wie sich Luther im Gedächtnis der Deutschen verankerte, wie ihn die Generationen vor uns sahen, gebrauchten und missbrauchten. Die Ausstellung setzt sich (erstmalig?) mit Luthers unversöhnlichem Hass gegenüber den Juden auseinander, ebenso wie er die Türken als Agenten des Teufels beschrieb.

Judaslohn für Moritz

Die Schau reflektiert auch das Verhältnis Luthers zum Bauernführer Thomas Müntzer, auch die Geschichte des Schmalkaldischen Bundes sowie dessen vernichtende Niederlage in der Schlacht bei Mühlberg. In der Folge wurde die Kurwürde als „Judaslohn“ an Moritz von Sachsen übertragen.

Das Jüngste Gericht, hier auf einem Flügelaltar von l. Cranach d. Ä. von 1520, war zu Luthers Zeiten allgegenwärtig. Foto: Peter Weckbrodt

Das Jüngste Gericht, hier auf einem Flügelaltar von l. Cranach d. Ä. von 1520, war zu Luthers Zeiten allgegenwärtig. Foto: Peter Weckbrodt

In der DDR war Luther erst „Fürstenknecht“, dann Teil des progressiven Erbes

Auch erinnert die Ausstellung daran, wie sich das Luther-Bild in der DDR wandelte. Erinnert sei an den damaligen SED-Chefideologen Kurt Hager, der noch zu Beginn der 1980er Jahre den „Fürstenknecht“ zum roten Genossen mutieren ließ, weil er so dem Politbüro der SED besser ins ideologische Feindbild passte.

Kein Besucher sollte Vollständigkeit im vielfältigen Lutherbild erwarten, die anderen Ausstellungen wollen auch ihren Anteil am großen Luther-Reformationsjubiläumskuchen haben.

Autor: Peter Weckbrodt

Besucherinformationen

Nationale Sonderausstellung „Luther und die Deutschen“ vom 4. Mai bis5. Novemder 2017 auf der Wartburg, 99817 Eisenach, Auf der Wartburg 1; Besucherservice täglich von 9 bis 17 Uhr unter 03691-250 220; E-Mail: besucherservice@wartburg.de

http://www.wartburg.de/de/luther-2017/luther-und-die-deutschen.html

https://www.3xhammer.de

Öffnungszeiten:

Täglich 8.00 bis 17.30 Uhr

Eintrittspreise:

Erw. 12 Euro, Erm. 8 Euro, Schüler 5 Euro; Kombiticket für drei Nationale Sonderausstellungen 24 Euro;

Publikation zur Sonderausstellung 29.95 Euro an der Kasse.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
Kategorie: Ausflugstipp, Kunst & Kultur, zAufi

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[caption id="attachment_67607" align="alignleft" width="117"]Peter Weckbrodt. Foto: IW Peter Weckbrodt. Foto: IW[/caption] Peter Weckbrodt hat ursprünglich Verkehrswissenschaften studiert, wohnt in Dresden und ist seit dem Rentenantritt journalistisch als freier Mitarbeiter für den Oiger und die Dresdner Neuesten Nachrichten tätig.

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