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Flugzeug-Fabrik im Bunker

Gasmasken im Stollen. Foto: Heiko Weckbrodt

Gasmasken im Stollen. Foto: Heiko Weckbrodt

Lost Places: Deutsche Weltkriegs-Spuren im böhmischen Rabstein – Teil 1

Rabstein, 19. April 2017. Passiert ein Autofahrer die Straße von Hrensko (Herrenskretchen) nach Ceska Kamenice (Böhmisch-Kamnitz), kann er kaum ahnen, dass das bewaldete Sandstein-Bergmassiv zu seiner Rechten in Höhe des Ortes Janska (Johnsbach) wie ein Schweizerkäse unterhöhlt ist. Tatsächlich geschah dies durch Menschenhand, in der unbegreiflich kurzen Zeit von lediglich acht Monaten, zwischen dem 28. August 1944 und dem 8. Mai 1945. Die SS-Organisation Todt (OT) wollte dort ein unterirdisches Flugzeugwerk für das „Dritte Reich“ graben. Bis zum Kriegsende dauerten die Arbeiten, die Bunker-Fabrik ging aber nicht mehr in Betrieb. Ortsansässige führen heute noch gelegentlich Touristen gegen einen Obolus durch das kaum halbfertige Stollensystem.

Viele Stollen der unterirdischen Rüstungsschmiede bleieb nunvollendet, als der krieg endete. Foto: Heiko Weckbrodt

Viele Stollen der unterirdischen Rüstungsschmiede blieben unvollendet, als der Krieg endete. Foto: Heiko Weckbrodt

Tschechische Pioniere übernahmen deutsche Stollen nach dem Krieg

Vladimir Pesek (Pechek auszusprechen), ein Pensionsbesitzer aus Janska, ist für die nächsten gut 2,5 Stunden unser Führer. Der jetzt 72-Jährige hat wesentliche Abschnitt der Rabsteiner Nachkriegsgeschichte miterlebt, war als Angehöriger der Tschechoslowakischen Armee sogar hier stationiert. Als junger Mann stellte er Stocknägel her, diente auch in einer tschechischen Pionier-Einheit, die nach dem Weltkrieg die deutschen Bunker übernahm. „Damals habe ich mich aber mehr für hübsche Mädchen und Bier interessiert als für die Geschichte der Stollen nicht sonderlich interessiert“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Direkt hinter dem Fabrikgelände befindet sich der Zugang zum museal gestalteten unterirdischen Stollenkomlex. Foto: Peter Weckbrodt

Direkt hinter dem Fabrikgelände befindet sich der Zugang zum museal gestalteten unterirdischen Stollenkomlex. Foto: Peter Weckbrodt

Spurensuche mit dem Metalldetektor

Dieses historische Interesse erwachte erst später, als er anfing, mit einem Metalldetektor die böhmischen Wälder zu durchstreifen – und immer wieder Relikte aus dem II. Weltkrieg fand. Gemeinsam mit interessierten Mitstreitern aus dem Ort hat er in den vergangenen zehn Jahren in den Stollen eine bemerkenswerte Ausstellung von Zeitzeugnissen aufgebaut.

Bild und Hauswappen des Fabrikanten Franz Preidl, der insgesamt Spinnereien in Rabstein errichten ließ. Foto: Peter Weckbrodt

Bild und Hauswappen des Fabrikanten Franz Preidl, der insgesamt Spinnereien in Rabstein errichten ließ. Foto: Peter Weckbrodt

Fabrikant Preidl vom Kaiser geadelt

Unser Treffpunkt ist ein großes, offensichtlich leerstehendes Fabrikgebäude, an deren Fenstern sich offensichtlich die Dorfjugend im Steinzielwurf geübt hat. Pesek spricht gut verständlich Deutsch, beantwortet gern unsere Fragen. Der Altbau ist, das erfahren wir als Erstes von Pesek, eine von insgesamt drei Fabriken, die der aus der Donaumonarchie kommende Industrielle Franz Preidl (1810-1889) in den Jahren 1860, 1864 und 1867 als Baumwollspinnereien hier errichten ließ. Dies muss, ähnlich den Verhältnissen in der heutigen Zeit, für eine strukturschwache Region einen beträchtlichen Entwicklungsschub gebracht haben. Immerhin wurde Preidl dafür vom Kaiser Franz Josef geadelt, er konnte sich ein stattliches Hauswappen zulegen. Das bekommen wir später auch zu sehen.

Vorzugsweise für den bekannten und vom Feind gefürchteten deutschen Sturzkampfbomber Ju 87 wurden Teile in Rabstein gefertigt. Foto: Peter Weckbrodt

Vorzugsweise für den bekannten und vom Feind gefürchteten deutschen Sturzkampfbomber Ju 87 wurden Teile in Rabstein gefertigt. Foto: Peter Weckbrodt

Rüstungsschmiede brauchte Fabriken außerhalb des britischen Bomber-Radius

Nachdem Hitlers 1941 erklärt hatte, er wolle die deutsche Rüstungsproduktion ankurbeln, annektierte das Deutsche Reich am 1. Oktober 1942 die drei Fabriken und verwandelte sie durch die Weser-Flugzeugbau GmbH Bremen zu einer leistungsfähigen Waffenschmiede. Der Umzug von Maschinen und Ausrüstungen währte bis ins Jahr 1943 hinein. Fortan wurden in den Hallen Teile für die bekannten Junkers Flugzeuge Ju 87 , Ju 188, Ju 288 und Ju 388, aber auch für Jäger von Messerschmidt und Fucke-Wulf gefertigt. Auch 30-mm-Maschinenkanonen für die Bestückung der Flugzeuge, wurden hier gebaut. Damals befand sich Rabstein außerhalb des Aktionsradius’ englischer Bomber. Damit waren die zunächst noch überirdischen Rüstungsfabriken hier – anders als in Bremen – vor alliierten Bomberangriffen zunächst sicher.

übersicht des insgesamt geplanten 80 000 m2 großen Tunnelsystems im Rabstein. Foto: Peter Weckbrodt

übersicht des insgesamt geplanten 80 000 m2 großen Tunnelsystems im Rabstein. Foto: Peter Weckbrodt

Auch Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge zur Rüstungs-Arbeit gezwungen

Rabstein wurde in die Zonen Werk A, B, C, D unterteilt, für die eigenen Angestellten im Werk A das Lager „Neues Bremen“ errichtet. Die Waffenherstellung konnte schnell gesteigert werden. Zur Deckung des daraus resultierenden Bedarfes an Fach- und Hilfkräften wurden in Johnsbach, Rabstein und Böhmisch-Kamnitz nacheinander 34 Arbeitslager, 2 Gefangenenlager und im August 1944 ein Außenlager des Konzentrationslager Flosenbürg errichtet. Zu den vorhandenen Bauten kamen große Hallen in einer freitragenden Bauweise hinzu. Sie wurden mit riesigen Tarnnetzen überspannt. Insgesamt kamen für den Rüstungsbetrieb in Rabstein und Umgebung etwa 6000 Angestellte, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge aus 18 Ländern zum Einsatz.

Autor: Peter Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Die Rüstungsfabrik in Rabstein, Teil 2: Der Weg in den Berg

Deutscher stahlhelm aus dem II. Weltkrieg. Foto: Heiko Weckbrodt

Deutscher Stahlhelm aus dem II. Weltkrieg. Foto: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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