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Europas Rolle schwindet auch beim Chipdesign

Schaltkeis-Entwurf und Zuverlössigkeitsprüfungen sind eine Kunst für sich. EAS-Chef Dr. Peter Schneider. Foto: Jürgen Lösel, Fraunhofer IIS/EAS

Schaltkreis-Entwurf bei Fraunhofer. Foto: Jürgen Lösel, Fraunhofer IIS/EAS

Kommentar: Wirtschaftspolitiker bemänteln nur eigene Untätigkeit

Brüssel/Dresden, 5. April 2017. Seit längerem zeichnet sich ein Trend in der globalen Mikroelektronik-Industrie ab: Immer mehr Unternehmen der Halbleiterindustrie geben ihre eigene Fertigung auf, werden also zu fabrik-losen Unternehmen („fabless“). Sie konzentrieren sich auf den Entwurf von Chips und lassen diese dann bei sogenannten Foundries fertigen. Deren Rolle im gesamten Halbleitermarkt wächst rasant. Allein im vergangenen Jahr wurden damit erstmals Umsätze von über 60 Mrd.$ erzielt.

Spitzen-Foundries technologisch auf Augenhöhe mit den ganz Großen

Diese Foundries spielen auch technologisch eine immer bedeutende Rolle. Die größte und erfolgreichste Foundry ist TSMC in Taiwan, die auch technologisch auf Augenhöhe mit Intel und Samsung das weltweite Spitzenniveau bestimmt. Europa ist auf diesem Gebiet völlig abgehängt. Es gibt keine Fertigung mehr in Europa, die auf dem technologischen Spitzenniveau der Höchstintegration (derzeit bei Strukturbreiten von 7 Nanometern) heute oder in absehbarer Zukunft mithalten kann – weder als Foundry noch als hauseigene Halbleiterfabrik. Das hat fatale Folgen für die Abhängigkeit der europäischen HighTech-Industrie von Importen aus den USA und Südost-Asien.

Ausweg Lohnfertigung?

Die zuständigen europäischen, deutschen und sächsischen Wirtschaftspolitiker versuchen das Publikum über diesen Umstand und ihre damit zusammenhängende Untätigkeit mit dem Hinweis zu trösten, dass ja man ja nicht selbst eine Fertigung braucht, sondern die eigenen Spitzenprodukte für eine Lohnfertigung an diese Foundries übergeben kann.

Der A7-"Erprobungsträger" für autonomes Fahren beim Start im Silicon Valley. Foto. Audi

Audi-„Erprobungsträger“ für autonomes Fahren beim Start im Silicon Valley. Foto. Audi

Rechenkraft für Autonomes Fahren kommt von Nvidia

Aber leider ist nun das nicht einmal der Fall. Mit der Herausbildung leistungsfähiger Foundries haben sich tatsächlich weltweit gewissermaßen spiegelbildlich ebensolche leistungsfähigen „fabless“ Unternehmen herausgebildet, die den Umsatz für die Foundries generieren. Die bekanntesten sind Apple, Qualcomm und Nvidia. Leider fehlt Europa auch in dieser Spitzenklasse. Europas Automobilindustrie ist für die Zukunftstechnologie des autonomen Fahrens zum Beispiel von Nvidia abhängig: Der Grafikkarten-Spezialist hat als einziges Unternehmen Supercomputer auf einem Chip entwickelt, die diesen Anforderungen entsprechen.

Europa hoffnungslos zurückgefallen

Aber auch quantitativ ist Europa bei den fabriklosen Halbleiterunternehmen hoffnungslos hinter den USA und China zurückgefallen. Der Weltmarkt-Anteil europäischer Mikroelektronikunternehmen ohne eigene Fertigung ist im vergangenen Jahr auf 1% (in Worten: ein Prozent) gefallen! Das heißt, es gibt nicht nur keine Fertigungsbasis mehr in Europa für die technologisch anspruchsvollsten mikroelektronischen Schaltkreise, es gibt auch keine quantitativ bedeutenden fabless Halbleiterunternehmen mehr. Ob das in Brüssel, Berlin und Dresden als Weckruf gehört wird?

Autor: Bernd Junghans

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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