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Supercomputer helfen im Kampf gegen Krebs

Dr. Michael Bussmann leitet am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf eine Forschertruppe, die die komplexen Prozesse in Laser-Protonen-Beschleunigern für die Krebsbehandlung in Supercomputern simulieren. Foto: Heiko Weckbrodt

Dr. Michael Bussmann leitet am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf eine Forschertruppe, die die komplexen Prozesse in Laser-Protonen-Beschleunigern für die Krebsbehandlung in Supercomputern simulieren. Foto: Heiko Weckbrodt

Forscherteam in Dresden simuliert mit Großrechnern neue Waffen gegen Tumore

Dresden, 29. Dezember 2016. Um künftig kleinere und billigere Protonen-Beschleuniger für die Krebstherapie bauen zu können, simulieren Forscher vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) die Konstruktionsprinzipien und Abläufe dafür auf einem der weltweit schnellsten Supercomputer. Der heißt „Titan“ und steht im „Oak Ridge National Laboratory“ in den USA. Dieser Rechenriese kann die Wechselwirkung extrem kurzer Laserblitze mit über 100 Milliarden geladenen Teilchen, wie sie für die Protonentherapie gebraucht werden, vorab berechnen. Möglich machen dies 18 688 Tesla-Grafikprozessoren des US-Konzerns „Nvidia“ – und spezielle Programm-Codes, die Physiker und Informatiker aus Dresden geschrieben haben.

Vorstoß in die Exaflop-Klasse

„Und auch diese Rechenkraft reicht uns noch nicht“, erklärt Dr. Michael Bussmann, der die Supercomputer-Forschungsgruppe am HZDR leitet. Denn die weltweit schnellsten Supercomputer wie der chinesische „Sunway Taihu Light“ oder der „Titan“ können „nur“ 17 bis 93 Billiarden Rechenschritte (Petaflops) pro Sekunde erledigen. Doch diese Petaflop-Rechner sind noch zu langsam, um die lasergestützten Protonen-Beschleuniger, an denen die Dresdner arbeiten, in überschaubarer Zukunft fertig zu bekommen. Dafür werden noch schnellere Supercomputer der Exaflop-Klasse nötig sein. Das heißt: Elektronenhirne, die eine Trillion Fließkommazahl-Berechnungen pro Sekunde schaffen. „Ich habe dem Chef von Oak Ridge schon gesagt, dass sein Computer zu klein ist und er einen besseren Rechner braucht“, erzählt Michael Bussmann mit einem Augenzwinkern.

Der Titan-Supercomputer in den USA wird demnächst über einem Simulationsprojekt aus Dresden schwitzen. Foto: ORNL/U.S. Dept. of Energy

Der Titan-Supercomputer in den USA. Foto: ORNL/U.S. Dept. of Energy

Protonen sind das schärfste Skalpell gegen Hirntumore

Solche Exaflop-Systemen könnten besser simulieren was passiert, wenn Billionen Watt Laser-Leistung binnen weniger Billiardstel Sekunden auf kleinstem Raum freigesetzt und schwere Teilchen wie Protonen bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Diese energiereichen Atomkern-Fragmente können die Ärzte einsetzen, um heimtückische Krebsgeschwüre im Hirn oder in der Bauchspeicheldrüse zu zerstören. Gerade diese Tumore sind mit klassischen chirurgischen Methoden nur unter hohen Risiken für den Patienten operierbar.

Der Teilchenbeschleuniger im Protonenstrahl-Therapiezentrum Dresden, OncoRay, Foto: Christoph Reichelt , Uniklinik Dresden

Teilchenbeschleuniger im Protonenstrahl-Therapiezentrum Dresden, OncoRay, Foto: Christoph Reichelt , Uniklinik Dresden

Zwar gibt es auch heute schon Protonenbeschleuniger für die Krebstherapie. Diese sind aber (samt Umfeldtechnik) so groß wie ein Fußballfeld und so teuer, dass sich nur wenige große Krankenhäuser solche Anlagen leisten können. Auch das Uniklinikum Dresden hat inzwischen solch einen riesigen Ringbeschleuniger.

Schrumpfkur für Beschleuniger

Gelingt aber der Plan der Forscher in Rossendorf, Protonen mit kompakten Superlasern auf Lichttempo zu bringen, wären mit dieser Technologie Therapieanlagen konstruierbar, die „nur noch“ die Größe einer kleinen Wohnung oder gar nur einer Schrankwand hätten. Die könnten sich dann auch kleinere Krankenhäuser leisten. Diese Highend-Waffe gegen Tumore wäre dann für mehr Patienten verfügbar.

Nur noch halb so groß wie klassische Protonenbeschleuniger: Der Dresdner Laser-Beschleuniger. Schema: Umar Masood

Nur noch halb so groß wie klassische Protonenbeschleuniger: Der Dresdner Superlaser-Beschleuniger. Schema: Umar Masood

Bisher ist aber nur wenig darüber bekannt, was genau passiert, wenn sich die enormen Energien eines Superlasers in Sekundenbruchteilen in der subatomaren Welt entladen. Viele dieser Abläufe sind experimentell nur schwer ermittelbar: Viele Messinstrumente würden in solchen Extremsituationen einfach kaputt gehen. Deshalb investieren Michael Bussmann und sein Team auch soviel Zeit, diese Prozesse vorab in Supercomputern zu simulieren. „Wir hoffen, eine bessere Kontrolle über die Protonentherapie zu bekommen, die Anlagen effizienter zu machen, die Protonenstrahlen besser auf die Tumore zu fokussieren und dann einmal erzielte Erfolge zuverlässig reproduzieren zu können“, zählt der 40-jährige Physiker einige Ziele seiner Gruppe auf.

CPUs kümmern sich um die Atomphysik, Grafikkerne um die Teilchenflüsse

Und dabei wird es nicht nur um ein „Höher-Schneller-Besser“ gehen. Durch besonders raffinierte Codes, wie sie der Nachwuchsforscher Axel Hübl in Bussmanns Gruppe erdacht hat, beginnen Supercomputer „interdisziplinär zu denken“: Die international prämierten Spezialprogramme der Dresdner nutzen Speicher, Grafikkarten-Chips (GPUs) und klassische Prozessoren (CPUs) in den Rechnern besonders effektiv aus. Dabei spezialisieren sich beispielsweise die CPUs auf die atomphysikalischen Prozesse in einem Laser-Protonenbeschleuniger, während die GPUs parallel die Bahnen und Kräfte von Milliarden Materie- und Lichtteilchen simulieren.

Nachwuchsphysiker Axel Hübl (HZDR-Institut für Strahlenphysik) im Rechenzentrum. Foto: HZDR / R. Weisflog

Nachwuchsphysiker Axel Hübl (HZDR-Institut für Strahlenphysik) im Rechenzentrum. Foto: HZDR / R. Weisflog

Code behält Milliarden Partikel zeitgleich im Auge

„Mit unserem Code können wir alle Teilchen eines Plasmas mit über 100 Milliarden Elektronen und Ionen verfolgen und ihren Einfluss auf das System berechnen“, erklärte Axel Hübl, als er kürzlich den internationalen Nachwuchspreis „George Michael Memorial HPC Fellowship“ für Hochleistungsrechnen zuerkannt bekam. Und ihre Erkenntnisse wollen die Dresdner auch mit allen teilen: „Wir werden unsere Software als Open Source weltweit Forschern zur Verfügung stellen“, kündigte Axel Hübl an.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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