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Die Altlast im Boden

Mit Großbohrern holen die Arbeiter in Schutzkleidung das LHKW-verseuchte Erdreich aus dem Boden. Foto: Umweltamt DresdenMit Großbohrern holen die Arbeiter in Schutzkleidung das LHKW-verseuchte Erdreich aus dem Boden. Foto: Umweltamt Dresden

Mit Großbohrern holen die Arbeiter in Schutzkleidung das LHKW-verseuchte Erdreich aus dem Boden. Foto: Umweltamt Dresden

In Dresden- Friedrichstadt ist das alte Purotex-Areal nun weitgehend entgiftet – doch über 300 Altlasten lauern allein in Dresden noch im Erdreich

Dresden, 14. Dezember 2016. Eine giftige Altlast verschwindet aus dem Dresdner Stadtbild: Die Sanierung des ehemaligen Purotex-Geländes in der Friedrichstadt steht kurz vor dem Abschluss. In wenigen Tagen werden die Dekontaminierungs-Spezialisten im Auftrag der Stadt die letzten Kubikmeter verseuchter Erde auf dem Gelände der früheren chemischen Reinigung aus DDR-Zeiten ausgebohrt und abtransportiert und den Untergrund verdichtet haben. „Dann sind wir fertig“, kündigte Sachgebietsleiter Bernd Richter vom städtischen Umweltamt an.

Ab 1850 waren auf dem Grundstück chemische Reinigungen tätig und zuletzt der DDR-Dienstleistungsbetrieb Purotex. Deren Chemikalien hatten das etwa 846 Quadratmeter große Areal an der Friedrichstraße 17 über Jahrzehnte hinweg vergiftet. So gelangten auch rund 2,5 Tonnen „leichtflüchtige halogenisierte Kohlenwasserstoffe“ (LHKW) in den Boden und in das Grundwasser. Diese Chemikalien gelten als gesundheitsgefährend.

Blick auf das alte Purotex-Gelände
an der Friedrichstraße 17 (Google Earth):

Da der VEB Purotex mit der DDR untergegangen ist und nicht mehr haftbar gemacht werden kann, hat letztlich die Kommune die Aufgabe übernommen, das Gelände in Ordnung zu bringen. Im September 2016 begann die rund 1,6 Millionen Euro teure Sanierung. Einen Großteil der Kosten, nämlich etwa 1,1 Millionen Euro, steuerte der „Europäische Fonds für Regionale Entwicklung“ (EFRE) bei.

Sanierer setzten auf Großbohrer

Die beauftragten Spezialisten haben mit Großbohrern schadstoffbelastetes Bodenmaterial in bis zu 14 Metern Tiefe extrahiert. Insgesamt mussten sie rund 4000 Kubikmeter chemiegetränkte Erde austauschen. Bis zum März 2017 sind noch einige Restarbeiten fällig, um Chemiereste aus dem Grundwasser zu holen. Ist die Sanierung abgeschlossen, sollen auf dem Purotex-Areal Wiesen wachsen und Zufahrten für einen neuen Wohnkomplex nebenan entstehen.

Und das kontaminierte Purotex-Gelände war und ist kein Einzelfall: In Dresden haben seit über 200 Jahren Militär und Gewerbe ihren – oft ziemlich giftigen – Stempel im Boden hinterlassen, besonders aber die „Volkseigenen“ Betriebe der DDR. Nach der Wende haben die kommunalen Umweltschützer einige Tausend Standorte mit – in unterschiedlichem Maße – verseuchten Böden untersucht und teils saniert. Seit 1991 stuften sie fast 2900 Altstandorte als besonders bedenklich für die Umwelt ein. Die Stadt konzentrierte sich in ihren Bemühungen anfangs vor allem auf besonders schlimm verseuchte große Grundstücke.

Die Aufnahme entstand um 1962, als die stillgelegte Uranfabrik entkernt und zu einem Reifenwerk für Traktoren und Laster umgebaut wurde. Die Männer arbeiteten ohne Schutzausrüstung - die meisten wussten gar nicht, dass sie in einer strahlenden Umgebung arbeiteten. Wie sich nach der Wende zeigte, war der Boden darunter bis zu zwölf Meter tief kontaminiert und dottergelb von den Uran-Abprodukten. Abb.: Wismut

Die Aufnahme entstand um 1962, als die stillgelegte Uranfabrik entkernt und zu einem Reifenwerk für Traktoren und Laster umgebaut wurde. Die Männer arbeiteten ohne Schutzausrüstung – die meisten wussten gar nicht, dass sie in einer strahlenden Umgebung arbeiteten. Wie sich nach der Wende zeigte, war der Boden darunter bis zu zwölf Meter tief kontaminiert und dottergelb von den Uran-Abprodukten. Abb.: Wismut

Uranfabrik war die schlimmste Altlast

Das mit Abstand größte Öko-Projekt nach der Wende war die Sanierung des verstrahlten Areals in Coschütz-Gittersee, auf dem die Russen und die Wismut zunächst Uran geschürft, dann ein Reifenwerk den Boden verschmutzt und die DDR-Chemieindustrie eine große Invest-Ruine, das Reinstsiliziumwerk, hinterlassen hatten. Nach der Wende ließen die Behörden den Boden auf rund 76 Hektar austauschen, verfüllten hier teils auch Erde vom Autobahn-Bau an der A 17. Dann richteten sie in Coschütz-Gittersee das größte kommunale Gewerbegebiet Dresdens ein. Rund 45,5 Millionen Euro investierten Stadt, Land und Bund von 1993 bis 2012, um die ökologische Katastrophe im Dresdner Süden zu beenden.

Heute alltäglich, doch vor der Wende und doch geschehen: Anwohner und Aktivisten demonstrieren gegen ein geplantes Chemiewerk in Dresden-Gittersee. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

Anwohner und Aktivisten demonstrieren zu DDR-Zeiten gegen ein geplantes Chemiewerk in Dresden-Gittersee. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

Im Zuge weiterer ökologischer Großprojekte ließ die Stadt die ehemalige Hausmülldeponie Proschhübel, die Deponie Reitzendorf, das Plattenwerk Sporbitz, das Glaswerk Sabra, die Sondermülldeponie am Hammerweg und zahlreiche andere Altlasten sanieren. Sie gab dafür im Schnitt zwischen zwei und fünf Millionen Euro pro Jahr aus.

LHKW-verseuchte Betriebe nun im Fokus

Seit die radioaktiven Hinterlassenschaften in Coschütz-Gittersee beseitigt sind, konzentrieren sich die Umweltbehörden nun auf kleinere, chemisch kontaminierte Flächen. Zudem drängen verstärkt Landesbehörden darauf, LHKW-verseuchte Grundstücke anzugehen. Betroffen sind vor allem Stadtteile wie die Friedrichstadt, in denen „über viele Jahre Betriebe der Metallverarbeitung, die militärische Nutzung, chemische Reinigungen, Tankanlagen und dergleichen Ursachen für oftmals schwerwiegende Boden- und Grundwasser-Verunreinigungen waren“, schätzte Bernd Richter vom Umweltamt ein. Altlasten wie das nun gereinigte Purotex-Areal hatten hier über Jahre die „städtebauliche Entwicklung des gesamten Quartiers“ gehemmt.

Zweistellige Millionenbeträge werden daher in den nächsten Jahren von Stadt, Land und EU in Dresden aufzuwenden sein, um die schlimmsten Altlasten endlich zu beseitigen, geht aus städtischen Schätzungen hervor. Rund 300 belastete Flächen wollen die Umweltbehörden jetzt näher unter die Lupe nehmen und möglichst gleich sanieren.

Millionenteure Sanierungen

„Wir haben noch Flächen mit gleichen Schadstoffen wie auf der Friedrichstraße an der ehemaligen chemischen Reinigung am Lockwitzbachweg und am Chemiehandel Rosenstraße, mit jährlichen Kosten von zirka 450 000 Euro“, nennt Sachgebietsleiter Richter einige Beispiele. „Daneben ist der Schwerpunkt für die nächsten Jahre die Collmberghalde, deren Endverwahrung nach derzeitiger Rechnung rund zehn Millionen Euro kosten wird. Da werden wir hoffentlich im kommenden Jahr mit dem ersten Bauabschnitt beginnen können.“

Ein Großteil dieser Sanierungskosten wird wohl letztlich an der Kommune hängenblieben. Die nämlich geht in Vorleistung, bezahlt also erstmal die Altlasten-Beseitigung, wenn der Verursacher nicht mehr haftbar gemacht werden kann, Und das ist gerade in ostdeutschland oft der Fall: All die VEBs, russischen Truppen und andere wenig umweltbewusste Verursacher sind längst weg, als dass sie noch zur Kasse gebeten werden könnten – und sei es auch nachträglich.

Foto: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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