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Deutsche Medien sollten gemeinsame Disput-Plattform im Netz schaffen

Immer mehr Menschen teilen Online-Nachrichten über Facebook, dagegen hat Twitter fast ganz an Bedeutung verloren, haben Professor Thorsten Strufe von der TU Dresden und seine Dormunder Kollegen ermittelt. Foto: Heiko Weckbrodt

Immer mehr Menschen teilen Online-Nachrichten über Facebook, dagegen hat Twitter fast ganz an Bedeutung verloren, haben Professor Thorsten Strufe von der TU Dresden und seine Dormunder Kollegen ermittelt. Foto: Heiko Weckbrodt

Vorschlag: Mit einem Konto überall diskutieren, von SPON über Bild bis Heise

Dresden, 10. November 2016. Prof. Thorsten Strufe leitet den Lehrstuhl für Datenschutz und Datensicherheit an der Technischen Universität Dresden (TUD). Gemeinsam mit Darmstädter Kollegen untersucht er zudem seit Jahren die Nachrichtenverbreitung im Internet. Oiger-Redakteur Heiko Weckbrodt hat sich mit Prof. Thorsten Strufe und Prof. Oliver Hinz  über die Zukunft der Nachrichtenverbreitung in einer Facebook-dominierten Internetwelt unterhalten.

Oiger: Facebook versucht derzeit, Medienhäuser und andere Kreative zu überzeugen, ihre Texte nicht nur im Netzwerk zu verlinken, sondern exklusiv bei Facebook einzuspeisen. Wie verändert dies den Journalismus und die Pressearbeit?

Prof. Thorsten Strufe: Einerseits sind Medien wie Facebook noch schnelllebiger als klassische Massenmedien. Wer da mit nur zwei Einträgen pro Tag daherkommt, wird untergehen. Außerdem müssten solche Berichte viel kürzer sein als etwa in der klassischen Zeitung, weil die Leute auf Facebook nur kurze Texte zu lesen bereit sind.

Und wie kann man in dieser wachsenden Posting-Flut künftig überhaupt noch Aufmerksamkeit auf die eigenen Beiträge lenken?

Prof. Thorsten Strufe: Wenn Sie in sozialen Medien eigene Beiträge einstellen, ist selbst eine guter Ruf noch keine Gewähr, dass Ihr Freundeskreis oder Ihre Fans übermäßig damit interagieren. Aber wenn ich die Inhalte Dritter weitergebe oder mit „Gefällt mir“ markiere, dann kann die Interaktionsrate im Freundeskreis sehr hoch sein. Das hat eine Studie über die Verbreitung von Videos gezeigt. In eigenen Studien sind wir zu ähnlichen Ergebnissen gekommen: Wenn ich es schaffe, dass jemand erst mal anfängt, meine Beiträge zu kommentieren, dann erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit für die anderen, dass sie diese Inhalte konsumieren.

Der Datenschutz und die Diktatmacht von Facebook, was „wichtig“ und was „unwichtig“ für den Besucher im Nachrichtenstrom ist, sind umstritten. Auch die Hassbotschaften, die sich über diese Netzwerke verbreiten, sorgen für viele Diskussionen. Wäre ein „deutsches Facebook“, ein eigenes Alternativ-Netzwerk eine sinnvolle Antwort?

Prof. Thorsten Strufe: Für ein europäisches oder deutsches Konkurrenz-Netzwerk zu Facebook sehe ich keine Chance. Google hat das mit Google Plus versucht und selbst die haben das nicht geschafft.

Anders wäre es, wenn sich die deutschen Medienhäuser von SPON bis Heise zusammentun würden, um eine gemeinsame digitale Diskussionsplattform für ihre Internetportale zu schaffen, die wie eine zusätzliche soziale Interaktions-Schicht überall angedockt wird. Eine Plattform, auf der man sich einmal einen Zugang anlegt und dann überall über alle möglichen Themen mit Freunden diskutieren könnte, wiedererkannt wird, sich Reputation erarbeiten und Anhänger gewinnen kann. Solch eine gemeinsame Lösung der Medienhäuser in Deutschland könnte auch die Diskussionskultur im Internet wieder heben und das Troll-Wesen eindämmen, weil dort jeder wiedererkannt wird.

Prof. Oliver Hinz. Foto: TU Darmstadt

Prof. Oliver Hinz. Foto: TU Darmstadt

Keine Chance für ein deutsches „Gegen-Facebook“

Prof. Oliver Hinz von der TU Darmstadt: Verlage könnten besser mit „Influencern“ kooperieren

Der 41-jährige Wirtschaftswissenschaftler Prof. Oliver Hinz lehrt Wirtschaftsinformatik an der TU Darmstadt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören „soziale Netzwerke“ und elektronische Vermarktung. Gemeinsam mit Prof. Thorsten Strufe von der TU Dresden untersucht er in einer Langzeitstudie seit Jahren die Nachrichten-Verbreitung auf Facebook, Twitter und Google+ .

Oiger: Oft heißt es, die Teenager haben mit Facebook nichts mehr am Hut und kommunizieren lieber über Whatsapp, Snapshot und andere vergleichsweise abgeschottete Netzwerke: Wie können Nachrichten-Macher diese Generation der Jüngeren überhaupt noch erreichen?

Prof. Oliver Hinz: Dass die Jugend sich vom Althergebrachten absetzen will, ist ja nichts neues. Um junge Leute zu erreichen, müssen daher andere Konzepte entwickelt werden und wir sehen gerade neue Entwicklungen. Denken Sie nur an Phänomene wie die Instagram-Bloggerin Pamela Reif, die über zwei Millionen Follower hat. Firmen zahlen viel Geld, um mit solchen „Influencern“ zusammenarbeiten zu können.

Wäre eine Art „deutsches Facebook“ ein tragfähiges Konzept für die deutschen Verlage?

Prof. Oliver Hinz: Ich glaube nicht, dass es in einer globalisierten Welt möglich ist, sich abzuschotten. Wir hatten ein deutsches Facebook. Sie werden sich vermutlich an StudiVZ erinnern, das vom Holzbrinck-Verlag für 85 Millionen Euro gekauft wurde. Es konnte gegen das internationale Facebook nicht bestehen.

Zum Weiterlesen:

Wie eine 19-Jährige aus Karlsruhe zwei Millionen Instagram-Fans gewinnt

Hinweis: Dieses Interview ist ursprünglich für das Uni-Journal der TU Dresden entstanden und hier im Netz zu finden.

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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