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Kommentar: Ordnungspolitisch korrekter Untergang

Siliziumkarbid-Wafer (SiC) von NXP mit 7,5 Zentimetern Durchmesser. Foto: NXP

Foto: NXP

Warum kauft Qualcomm NXP und was geht das Europa an?

San Diego/Eindhoven/Dresden, 30. Oktober 2016. Die Pläne des US-Konzerns Qualcomm, das niederländische Halbleiterunternehmen NXP zu übernehmen, sind nun offiziell: 47 Milliarden Dollar wollen die US-Amerikaner dafür zahlen. Man könnte meinen, das ist eine der vielen Firmenübernahmen zur Konsolidierung des Halbleitermarktes, die in letzter Zeit einige Aufmerksamkeit erregt haben. Es ist mehr. Es ist eine direkte Bedrohung der europäischen, vor allem deutschen Automobilindustrie und ihrer Zulieferer bezüglich ihrer führenden Stellung in der Welt.

Elektromobilität und autonomes Fahren eng verflochten

Die Elektromobilität tritt in naher Zukunft ihren Siegeszug an und wird die Industrie grundlegend verändern. Am 27. Oktober zitiert die Sächsische Zeitung den Chief Digital Officer von Volkswagen, Johann Jungwirth, mit den Worten: „Die Autobauer müssen die Mobilität neu erfinden … Mit der Elektromobilität kommt auch das autonom fahrende Auto“. Jungwirth sei sich sicher, dass die ersten autonom fahrenden Autos in den kommenden drei bis fünf Jahren auf den Straßen unterwegs sein werden, vor allem in den USA, Singapur und den Metropolregionen Chinas. Und weiter: „VW wird autark autonome Autos bauen.“ Bei diesen autonom fahrenden Autos kommt es aber vor allem auf die Elektronik an, um sich im Wettbewerb abzuheben. Bei der anderen großen Herausforderung der Elektromobilität, den elektrischen Speichern, hat Europa schon lange den Anschluss verloren, auch wenn neuerdings Mercedes wieder in Kamenz in die Montage von Batterien mit Zellen aus Asien investiert.

Höchstintegration ist wichtiger Schlüssel

Wo aber kommt künftig die Elektronik für diese autonom fahrenden Autos her? Nicht aus Europa, soviel steht fest. Qualcomm mit NXP zusammen haben die Kompetenz, diesen Markt zu dominieren. Qualcomm (ca. 25 Mrd. $ Umsatz im Jahr 2015) hat sich vor allem einen Namen als führendes Unternehmen für höchstintegrierte Chips für mobile Elektronik gemacht. Vor reichlich zwei Jahren haben sie mit ihrem „Snapdragon 820“-Prozessor den Galaxy-Handys zum triumphalen Markterfolg verholfen. Dieser Chip wurde bei TSMC in Taiwan in der 14-Nanometer-Technologie gefertigt. Inzwischen nimmt Qualcomm die Foundry-Dienste von Samsung ion Anspruch, um im kommenden Jahr in 10-nm-Technologie zu produzieren. Taiwan und Südkorea beherrschen eben die Höchstintegration, die auch für autonom fahrende Autos gebraucht wird.

NXP war einst Halbleitersparte von Philips

NXP ist derzeit mit einem Umsatz von ca. 6 Mrd. $ die Nummer 1 auf dem Markt der Elektronik-Automobilzulieferer. Das Unternehmen war 2006 aus dem Halbleiterbereich von Philips hervorgegangen. NXP hatte vor rund einem Jahr die Firma Freescale gekauft, die ihrerseits 2004 aus dem Halbleiterbereich von Motorola mit starker Orientierung auf den Automobilmarkt hervorgegangen ist.

Qualcomm baut Führungsposition aus

Folgerichtig stellt der NXP-CEO Rick Clemmer fest: “Die Kombination aus Qualcomm und NXP bringt alle Technologien zusammen, um unsere Vision sicherer Verbindungen für eine klügere Welt zu realisieren. Wir kombinieren fortgeschrittene Computer-Technologien und allgegenwärtige Vernetzung mit Sicherheit und hochleistungsfähiger Mixed-Signal-Lösungen inklusive Microcontroller. Zusammen werden wir imstande sein, komplexere Lösungen anzubieten, die unsere Führungspositionen stärken. Und wir bauen so unsere schon starken Partnerschaften mit unserer breiten Kundenbasis aus, vor allem im Automobil- und Konsumentensektor sowie im industriellen Internet der Dinge und in der Gerätesicherheit.“

Europas Automobilindustrie wird von USA und Asien immer abhängiger

Es ist also abzusehen, dass die europäische (und deutsche) Automobilindustrie in der Zukunftsbranche Elektromobilität völlig von amerikanischen Halbleiterunternehmen und deren Produktionsstätten in Asien abhängig sein werden.

Unsere Wirtschaftspolitiker lässt das allerdings völlig kalt. Sie versuchen mit Macht, ordnungspolitisch bedenkliche Entwicklungen zugunsten der europäischen Industrie zu verhindern. Der Untergang der europäischen Automobilindustrie muss ordnungspolitisch korrekt erfolgen – so wie der Untergang von Qimonda.

Autor: Bernd Junghans

Bernd Junghans. Foto: privat

Bernd Junghans. Foto: privat

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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