Geschichte, zAufi
Schreibe einen Kommentar

Die Ernestiner und die Coburg-Verschwörung

Mit der Heirat von Prinz Albert von sachsen-Coburg und Gotha und Königin Victoria von Großbritannien und Irland wurde das engliche Königshaus ernestinisch. Foto: Peter Weckbrodt

Mit der Heirat von Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha und Königin Victoria von Großbritannien und Irland wurde das engliche Königshaus ernestinisch. Foto: Peter Weckbrodt

Teil 4: Die Ernestiner, Großmeister in Sachen Familienpolitik

„Kriege führen mögen andere, du glückliches Österreich, heirate. Denn was Mars den anderen, gibt dir die göttliche Venus.“

Dieses aus einem Vers des Ovid abgeleitetes identitätsstiftendes Motto der Habsburger könnte glatt auch im Stammbuch der Ernestiner stehen. Diesem Fürstenhaus ist eine Sonderausstellung gewidmet, die zu besuchen heute die letzte Chance ist.

Völlig verfehlte Erbpolitik

Aus dem tragischen Niedergang ihrer Dynastie durch eine völlig verfehlte Politik des ständigen Teilens der Herrschaftsterritorien zogen die Ernestiner 1855 die längst überfälligen Schlussfolgerungen: Durch Hausgesetze und -verträge schufen sie die rechtliche Grundlage, um Fortbestand, Macht und Besitz ihrer Familie zu sichern. Der dynastische Zusammenhalt der einzelnen Linien sollte gewährleistet sein. Mit Zustimmung des Landtages wurde das Hausgesetz für das „Herzoglich Sachsen-Coburg und Gothaische“ erlassen. In 119 Paragrafen war alles bis ins Detail geregelt. Das schloss die exakte Regelung der Rangfolge am Hof ein. Die Königin Victoria von Großbritannien und Irland nahm in der Hiererarchie Platz 4 ein. Auch dem König der Belgier, Leopold I. wurde im Hausgesetz sein Platz zugeordnet.

Da stimmte noch die ernestinische Welt: Johann Friedrich von Sachsen in vollem Ornat mit Kurhut, Hermelinmantel und Schwert des Erzmarschallamtes als hoheitszeichen des Reichsstatthalters. Foto: Peter Weckbrodt

Da stimmte noch die ernestinische Welt: Johann Friedrich von Sachsen in vollem Ornat mit Kurhut, Hermelinmantel und Schwert des Erzmarschallamtes als hoheitszeichen des Reichsstatthalters. Foto: Peter Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Das Oiger-Special: Die Ernestiner wiederentdeckt

Kanzler Bismarck mischte sich ein

In politischen Kreisen Englands und Deutschlands kam bald die Sorge auf, die Dynastie könne ihren privaten Interessen den Vorzug gegenüber dem Staatswohl geben. In England machte das Wort von einer „Coburg conspiracy“ die Runde. Auch den späteren Reichskanzler Bismarck quälten solche Zweifel. Als Reichskanzler hat Bismarck beim Kaiser sogar eine ihm suspekt erscheinende Heirat ausdrücklich verbieten lassen.

Thronsessel des Großherzog Carl August: Mit großem politischem Geschick führte der Großherzog sein Herrschaftsgebiet ins das 19. Jahrhundert. Foto: Peter Weckbrodt

Thronsessel des Großherzog Carl August: Mit großem politischem Geschick führte der Großherzog sein Herrschaftsgebiet ins das 19. Jahrhundert. Foto: Peter Weckbrodt

Leopold großer Coup: Liebeshochzeit mit der Queen

Als Musterbeispiel erfolgreicher ernestinischer Personalpolitik soll hier der nahezu mittellos geborene Prinz Leopold aus dem eher unbedeutenden Herzoghaus Sachsen-Coburg-Saalfeld näher vorgestellt werden: Er war gut aussehend, charmant, politisch versiert und ehrgeizig. Das waren nach ernestinischem Verständnis beste Voraussetzungen für eine glänzende Karriere. Sie irrten nicht! Dank bereits aufgebauter verwandtschaftlicher Beziehungen zum Zarenhof diente Leopold schon frühzeitig als Oberst in der russischen Armee. Er schloss sich 1812 dem Kampf gegen Napoleon an. Auf dem Wiener Kongress glänzte er durch sein diplomatisches Geschick. 1816 gewann er die Hand der der englischen Thronfolgerin, die jedoch schon bald im Kindbett starb.

Nun wandte er sich der europäischen Politik und entwickelte sich zum erfolgreichen Heiratsvermittler für seine Familie. Er verkuppelte schlechthin Alle: Geschwister, Kinder, Neffen, Nichten – alle bekamen vorteilhafte Eheverbindungen. Sein größter Erfolg war die Heirat seiner Nichte, Königin Victoria von Großbritannien und Irland und seines Neffen, Albert von Sachsen-Coburg und Gotha. Es war sogar eine Liebesheirat. Gefühle blieben bei den Heiratsvermittlungen ansonsten konsequent außen vor. Victoria hatte 1837 mit 18 Jahren den Thron bestiegen. Sie verliebte sich bei dessen zweitem Englandaufenthalt spontan bis über beide Ohren in Albrecht. Schon nach 5 Tagen machte sie, die im Rang Höherstehende, ihm einen Heiratsantrag. Er nahm an – wie schön!

Für nachgeborene Fürstensöhne der Ernestiner bot der Dreißigjährige Krieg eine Gelegenheit, das magere Offizierseinkommen aufzubessern. Bernhard erwies sich als erfolgreicher Feldherr. Daran erinnert diese Reliefphantasie. Foto: Peter Weckbrodt

Für nachgeborene Fürstensöhne der Ernestiner bot der Dreißigjährige Krieg eine Gelegenheit, das magere Offizierseinkommen aufzubessern. Bernhard erwies sich als erfolgreicher Feldherr. Daran erinnert diese Reliefphantasie. Foto: Peter Weckbrodt

Englisches Königshaus auch heute noch ernestinisch

Erst 1917 verabschiedete sich das englische Königshaus unter dem öffentlichen Druck von seinem bis dahin offiziell geführten Namen Sachsen-Coburg und Gotha und nahm den Namen Windsor an. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Queen auch im Jahre 2016 noch immer Ernestinerin ist.

Der deutsche Kaiser Wilhelm II. war der Enkel der Königin Victoria. Deren gleichnamige Tochter Victoria war für 99 Tage Ehefrau und danach Witwe des früh verstorbenen Kaisers Friedrich III! Sie nahm nach dem Tod ihres Mannes den Namen Kaiserin Friedrich an.

Leopold selbst ließ sich 1831 vom Parlament der Belgier zu deren ersten König wählen. Der als Habenichts Geborene war fortan König Leopold der I. Er begründete hier die Dynastie Sachsen-Coburg und Gotha in Belgien, die bis heute dort regiert.

Besucherinformationen:

Was?

Landesausstellung „Die Ernestiner – Eine Dynastie prägt Europa“

Wann?

bis 28. August

Wo?

Neues Museum Weimar
Weimarplatz 5 | 99423 Weimar
Eintritt: Erw. 5,50 € | erm. 3,50 € | Schüler* (16-20 J.) 1,50 €

Stadtschloss Weimar
Burgplatz 4 | 99423 Weimar
Eintritt: Erw. 7,50 € | erm. 6 € | Schüler* (16-20 J.) 2,50 €
(incl. Rundgang durch die historischen Räume des Stadtschlosses)

Schloss Friedenstein Gotha
Parkallee 15 | 99867 Gotha
Eintritt: Erw. 10 € | erm.* 4 €

Herzogliches Museum Gotha
Parkallee 15 | 99867 Gotha
Eintritt: Erw. 5 € | erm.* 2,50 €

Kombiticket für alle Ausstellungsorte in Weimar und Gotha
Erw. 16 € | erm. 12 € | Schüler* (16-20 J.) 5 €

-> Weitere Infos gibt es hier im Internet

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
Kategorie: Geschichte, zAufi

von

[caption id="attachment_67607" align="alignleft" width="117"]Peter Weckbrodt. Foto: IW Peter Weckbrodt. Foto: IW[/caption] Peter Weckbrodt hat ursprünglich Verkehrswissenschaften studiert, wohnt in Dresden und ist seit dem Rentenantritt journalistisch als freier Mitarbeiter für den Oiger und die Dresdner Neuesten Nachrichten tätig.

Schreibe einen Kommentar