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Mehr aus dem Beschleuniger herauskitzeln

Physiker Michael Kuntzsch arbeitet an der TELBE-Anlage, die in Dresden-Rossendorf besonders brillante Terahertz-Strahlung erzeugt. Die Forscher versprechen sich noch Großes von den Analyse-Fähigkeiten dieser Durchlechtungstechnik. Foto: HZDR/Frank Bierstedt

Physiker Michael Kuntzsch arbeitet an der TELBE-Anlage, die in Dresden-Rossendorf besonders brillante Terahertz-Strahlung erzeugt. Die Forscher versprechen sich noch Großes von den Analyse-Fähigkeiten dieser Durchleuchtungstechnik. Foto: HZDR/Frank Bierstedt

Dresdner Wissenschaftler von HZDR und TU fühlen Terahertz-Wellen auf den Zahn

Dresden, 20. Juli 2016. Physiker und Ingenieure der Technischen Universität Dresden (TUD) und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) haben einen Weg gefunden, um Teilchen-Beschleuniger effektiver zu nutzen. Sie haben dafür gemeinsam einen elektronischen Spektrometer-Chip konstruiert. Dieser Chip kann sogenannte Terahertz-Strahlen, die in Elektronenbeschleunigern wie der ELBE Anlage in Dresden-Rossendorf entstehen, besonders schnell, preiswert und zuverlässig analysieren. Die Forscher wollen damit die teuren Anlagen für mehr Wissenschaftler zugänglich machen und zuverlässiger justieren. Der 1 mal 1,4 Millimeter kleine Chip könnte auch neue Perspektiven für die Umwelt- und Sicherheitstechnik eröffnen.

Teure Anlagen für mehr Wissenschaftler nutzbar machen

„Beschleuniger sind sehr teure Großforschungsanlagen“, erklärt HZDR-Gruppenleiter Dr. Michael Gensch, der das Miniaturspektrometer gemeinsam mit dem Hochfrequenztechnik-Experten Dr.-Ing. Niels Neumann von der TUD konzipiert hat. „Jede Stunde zusätzliche Nutzungszeit, die wir extra rauskitzeln, vergrößert die Chance für einen weiteren Wissenschaftler, seine Theorien experimentell zu überprüfen.“ Daher sei auch das Interesse von Wissenschaftlern an anderen Beschleuniger-Standorten groß, solch einen Chip zu bekommen, um ihre Anlagen schneller und besser einstellen und überwachen zu können.

Dr. Michael Gensch. Foto: HZDR

Dr. Michael Gensch. Foto: HZDR

Firmenausgründung denkbar

Vorstellbar sei zudem, die Terahertz-Analysechips so weiterzuentwickeln, dass sie Sprengstoffe in Flughäfen sehr schnell aufspüren, die Qualität der Großstadtluft flächendeckend überwachen oder prüfen können, wie haltbar zum Beispiel Windrad-Flügel sind. Bei so vielen Einsatzmöglichkeiten komme womöglich auch eine Firmen-Ausgründung in Frage, um den Terahertz-Chip in diesem noch jungen Fachgebiet zu vermarkten. „Aber warten wir da erstmal ab, wie groß die Nachfrage ist“, betonte Niels Neumann, dessen Gruppe den Chip technisch realisierte.

Scanner entlarven Kunstfälschungen und Sprengstoffe

Terahertz-Strahlen schwingen üblicherweise 300 Milliarden bis drei Billionen Mal pro Sekunde. Sie dringen nicht so tief in Objekte ein wie Röntgenstrahlen, gelten aber als unschädlich für Mensch und Tier. Terahertz-Scanner eignen sich auch dafür, verborgene Schichten in alten Gemälden sichtbar zu machen, gefälschte Kunstwerke zu entlarven oder Forscherproben zu analysieren.

Dafür ist es aber wichtig, sehr genau die Frequenz und Leistung der Terahertz-Wellen zu messen. Bisher war dies zwar auch schon möglich, aber nur mit vielen Kompromissen: Thermische Verfahren sind für viele Anwendungen schlicht zu langsam. Herkömmliche elektronische Sensoren wiederum können nur die Leistung, nicht aber deren Verteilung über die verschiedenen Terahertz-Frequenzen ermitteln. Klassische Terahertz-Spektrometer sind zwar sehr präzise, aber zu groß und teuer, um sie überall in modernen Beschleuniger unterzubringen.

Der Dresdner Terahertz-Chip vergrößert unterm Mikroskop. Im Original ist er nur 1 mal 1,4 Millimeter groß. Abb.: TUD/HZDR

Der Dresdner Terahertz-Chip vergrößert unterm Mikroskop. Im Original ist er nur 1 mal 1,4 Millimeter groß. Abb.: TUD/HZDR

Terahertz-Chip aus Gallium und Arsen

Die Dresdner Forscher entwarfen daher einen Terahertz-Chip, kaum größer als ein Sandkorn, aus einer Verbindung der Elemente Gallium und Arsen. Mit diesem Halbleiterwerkstoff können viel höhere Frequenzen als mit dem klassischen Chip-Material Silizium verarbeitet werden. Wird dieses winzige Spektrometer mit Terahertz-Strahlung bombardiert, kann es den Forschern genau sagen, bei welchen Frequenzen ihr Beschleuniger die beste Strahlungs-Leistung erzielt.

Nun wollen Dr. Michael Gensch und Dr.-Ing. Niels Neumann diese Spezialsensoren weiterentwickeln. Das Mini-Spektrometer soll in spätestens drei Jahren auch fähig sein, Terahertz-Strahlenbündel mit großem Durchmesser zu analysieren – und zwar so, dass genau klar wird, an welchem Ort und welcher Frequenz genau im Strahl die höchste Leistung anliegt. „Mit dieser bisher nicht zugänglichen Möglichkeit, die am Beschleuniger entstehende Terahertz-Strahlung gleichzeitig spektral und ortsaufgelöst zu messen, können wir den Zustand des Beschleunigers noch besser verstehen“ betonte Dr. Michael Gensch vom HZDR. „Damit können diese wissenschaftlichen Großgeräte weiter verbessert werden.“

TU-Laser sorgt für Tempo-Tuning

Die Produktion des Dresdner Terahertz-Spektrometers hat ein französisches Chipwerk des europäischen Herstellers „UMS“ übernommen. Damit die nächsten Generationen dieses Chips auch für höchste Frequenzen empfindlich sind, bekommen sie künftig in einem TU-Labor ein Tempo-Tuning per Laserbearbeitung.

Entstanden ist der Spektrometer-Chip im Rahmen des Projektes „InSEl – Integriertes Spektrometer zur Elektronenbunchform-Onlinediagnose“, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Beteiligt waren der TUD-Lehrstuhl Hochfrequenztechnik und am HZDR das Institut für Strahlenphysik. Beide Einrichtungen arbeiten nun am Nachfolgeprojekt „SAMoS – Spektrale Analyse und ortsaufgelöstes Monitoring von Elektronenpaketen durch THz-Strahlung“.

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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