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Dresdner TU-Forscher arbeiten an Augen für Jagd-Raumschiff

Die Visualierung zeigt den ENVISAT in der Betriebsphase. Abb.: ESA

Die Visualierung zeigt den ENVISAT in der Betriebsphase. Abb.: ESA

Orbitaler Jäger soll 2020 den toten Envisat einfangen

Dresden, 28. Juni 2016. Automatisierungs-Forscher der TU Dresden entwickeln derzeit künstliche Augen für einen kosmischen Jagd-Satelliten. Der soll voraussichtlich im Jahr 2020 im Auftrag der europäischen Raumfahrtagentur ESA den toten Umweltsatelliten ENVISAT vom Himmel holen, damit der keine Katastrophe im All auslöst.

Kontakt vor vier Jahren abgebrochen

Seit über vier Jahren hat die ESA bereits keinen Funkkontakt mehr zu dem acht Tonnen schweren Großsatelliten, der in etwa 767 Kilometern Höhe um die Erde kreist. „In dieser Umlaufbahn könnte ENVISAT theoretisch noch 150 Jahre bleiben“, erklärte Doktoringenieur Frank Schnitzer vom Dresdner TU-Institut für Automatisierungstechnik. Da in ähnlicher Höhe aber zwei weitere Satelliten kreisen und ein Zusammenstoß eine katastrophale Trümmerwelle ähnlich wie im Sci-Fi-Film „Gravity“ verursachen könnte, will die ESA einen Jagdsatelliten bauen lassen. Der soll sich bis auf zwei Meter an ENVISAT heranpirschen, den Ausreißer mit einem Roboterarm packen und auf eine niedrige Umlaufbahn zwingen.

Ein Trümmerfeld zerstört das Raumschiff der Astronauten und schleudert sie hinaus ins All. Foto: Warner

Zum Glück bisher nur ein Sci-Fi-Szenario in „Gravity“: Ein Trümmerfeld zerstört das Raumschiff der Astronauten und schleudert sie hinaus ins All. Foto: Warner

Zu groß, um in Atmosphäre zu verglühen

Da aber ENVISAT einer der größten und schwersten Satelliten ist, der je von den Europäern ins All geschossen wurde, sehen die ESA-Experten keine Chance, dass der Irrläufer in der Erdatmosphäre verglüht. „Wir sprechen hier über acht Tonnen geschmolzenes Metall, die da runterstürzen sollen“, sagt Frank Schnitzer. Deshalb muss der Jagdsatellit seine Beute sehr präzise nach unten ziehen, damit ENVISAT letztlich über dem Südpazifik und nicht über besiedeltem Gebiet abstürzt.

Gespann aus Kameras, Infrarot und Laser-Scanner soll Jagdschiff navigieren

Die Automatisierungs-Experten der TU Dresden hatten von der ESA den Auftrag erhalten, Methoden zu entwickeln, wie der Jagdsatellit seine kosmische Beute auch unter ungünstigen Lichtverhältnissen im Erdschatten finden kann. Die Forscher wollen daher normale Kameras, Infrarot-Kameras und Laser-Scanner („Lidar“) so koppeln, dass diese künstlichen Augen den ENVISAT relativ zum Jäger ganz genau finden können.

Tests an 1:5-Modell geplant

Die Dresdner unter Leitung von Prof. Klaus Janschek koordinieren dieses Entwicklungsprojekt „Image Recognition and Processing for Navigation“ (IRPN). Beteiligt sind als Partner die Airbus-Standorte Bremen und Friedrichshafen, Astos Solutions aus Stuttgart und Jena-Optronik. Die TU Dresden spezialisiert sich dabei auf die Handlungsanweisungen für die Navigation und die Computerprogramme, die das gesamte Sensorsystem steuern. Derzeit bauen die Dresdner Ingenieure ein 1:5-Modell von ENVISAT, um das Ortungssystem für den Jagdsatelliten zu testen.

ENVISAT überwachte Weltklima ein Jahrzehnt – dann schwieg er

Die ESA hatte den 8,2 Tonnen schweren Umweltsatelliten ENVISAT im März 2002 mit einer Ariana-5-Rakete gestartet, um das Erdklima, die Weltmeere und die Ökosysteme unseres Planeten zu überwachen. Nach zehn Jahren brach der Kontakt zu dem etwa 25 Meter langen Satelliten ab. Seitdem kreist er ungesteuert im Erdorbit.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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