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Orgas haben Pegida in die Sackgasse geführt

Repro: hw

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Politologe Patzelt stellt bisher umfangreichste Pegida-Monografie vor

Dresden, 14. Juni 2016. Die Organisatoren von „Pegida“ haben diese rechtspopulistische Protestbewegung in Dresden in eine Sackgasse geführt. Das hat der Politologe Werner J. Patzelt von der TU Dresden heute eingeschätzt. Den „politisch unfähigen“ Anführern sei es nicht gelungen, sich ein politisches Mandat zu verschaffen und ein belastbares Programm für die Pegidisten zu formen.

Zwar rechne er damit, dass es in nächster Zeit weiter Pegida-Kundgebungen geben werde, betonte der Professor. Die oft nur noch 2000 bis 3000 Teilnehmer seien aber eher eine Art harter Kern, der aus „Treue zur Sache“ weiterkomme, die Demos wie ein obligates Gottesdienst-Ritual lediglich abfeiere. Aufwind könne Pegida aber noch durch neue islamistische Anschläge oder eine erneute Eskalation in der Flüchtlingskrise bekommen.

Prof. Werner Patzelt im Stadtmuseum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Werner Patzelt bei einem früheren Vortrag im Stadtmuseum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Entscheider haben nicht auf Patzelts Rat gehört….

Zugleich verteilte Werner Patzelt heute Ratschläge an Politiker und Journalisten, wie mit Pegida und derem politischen Spiegelbild, der AfD, umzugehen sei. Er stellte nämlich heute gemeinsam mit Joachim Klose von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung das bisher umfangreichste Sachbuch über das Phänomen Pegida im Stadtmuseum Dresden vor, immerhin 667 Seiten dick. Und in dem Wälzer widmet er dem „Was tun?“ (in freier Anlehnung an Lenin) ein ganzes Kapitel. Hätte man beizeiten auf diese seine Tipps gehört, so ließ er durchblicken, wäre Pegida „nie so groß geworden“.

Warnsignale aus Dresden ernst nehmen

Sein Rat: Die Pegidisten mehrheitlich als Rassisten abzustempeln, gehe von einer „falschen Lagebeurteilung“ aus. Grenze man Pegida und AfD weiter politisch und medial aus, werde es diese Bewegungen nur stärken und solidarisieren. Statt dessen sollten Politiker und Journalisten die „Warnsignale aus Dresden“ – so auch der Untertitel des neuen Pegida-Buches – ernst nehmen. Es sei ein öffentlicher Diskurs über das Für und Wider einer Einwanderungsgesellschaft, wie sie sich in Deutschland abzeichne, nötig. Und drittens solle Deutschland über mehr direkte Demokratie diskutieren, speziell vor allem über Volksabstimmungen auf Bundesebene.

Triebfedern für Pegida-Zulauf: Angst, Gleichheits-Verlust und Anti-Religiösität

Buch-Koautor Joachim Klose sieht vor allem drei Triebkräfte, die für Zulauf bei Pegida sorgten: Angst, Neid und Ressentiments. Er denke da an die Angst all jener, die schon die gesellschaftliche Transformation der Post-DDR-Gesellschaft durchgemacht haben und nun erneute Erschütterungen nahen sehen. Ein weiteres Momentum sei der Verlust von Gleichheit in der heutigen Gesellschaft. Ein Verlust, der vor allem von ehemaligen DDR-Bürgern, die in einer egalitären Gesellschaft aufwuchsen, als besonders irritierend empfunden werde. Und schließlich kommen Ressentiments gegen Fremdes hinzu, gegen Neues, aber auch ganz generell gegen Religionen, die von vielen Ostdeutschen als rückschrittlich empfunden werden.

Werbung: Hier kann man das Pegida-Buch kaufen:

PEGIDA: Warnsignale aus Dresden (Social Coherence Studies)

„AfD ist Pegida in den Wahlkabinen“

Und diese Emotionen bildete zusammen mit einem ganz speziellen Dresdnerisch-sächsischen Mentalitäts-Biotop den Nährboden dafür, dass gerade hier eine rechtspopulistische Pflanze wie Pegida gedeihen konnte, meint wiederum Professor Patzelt. Dabei sei Pegida aber Ausdruck ganz genereller gesellschaftlicher Unzufriedenheiten und Verschiebungen, die bisher kaum sichtbar waren. Wieviel Sprengstoff in diesen angestauten Konflikten stecken kann, mögen die jüngsten Wahlerfolge der AfD zeigen. Denn auch in diesem Punkt ist sich der TU-Politologe ziemlich sicher: „Pegida und AfD sind ein und derselbe politische Komplex: Pegida ist AfD auf der Straße und AfD ist Pegida in den Wahlkabinen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Werner J. Patzelt / Joachim Klose: „PEGIDA. Warnsignale aus Dresden“, Thelem-Verlag, Dresden 2016, 667 S., 22 Euro, ISBN: 978-3-945363-44-7

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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