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Neues Zentrum in Dresden erforscht demografischen Wandel

Der Asina-Tablettrechner soll Senioren im Alltag daheim helfen - und auch Omis Blutdruck im Auge behalten. Foto: Exelonix

Können technische Geräte – wie hier die Asina-Tablettrechner – helfen, den demografischen Wandel abzufedern? Foto: Exelonix

30 Experten gründen „Centrum für Demografie und Diversität“ an der TU Dresden

Dresden, 8. Juni 2016. Der Baby-Boom, die prallgefüllten Kitas und die Zuwanderung junger Familien nach Dresden mögen im Moment darüber hinwegtäuschen. Aber dass der demografische Wandel Sachsen und Dresden doch wieder einholen wird, daran haben die meisten Experten kaum Zweifel. Um Ausmaß, Folgen und Antworten auf diesen Wandel zu untersuchen, wollen die Architektin Prof. Gesine Marquardt und der Arbeitspsychologe Prof. Jürgen Wegge zusammen mit rund 30 weiteren Forschern am 13. Juni an der TU Dresden ein „Centrum für Demografie und Diversität“ (CDD) gründen.

Sieht hohen Forschungsbedarf mit Blick auf den demografischen Wandel. Prof. Jürgen Wegge. Foto: TU Dresden

Sieht hohen Forschungsbedarf mit Blick auf den demografischen Wandel. Prof. Jürgen Wegge. Foto: TU Dresden

Interdisziplinäre Suche nach Antworten auf den demografischen Wandel

Die Experten aus zahlreichen Fachgebieten möchten in diesem Verbund interdisziplinär den demografischen und sozialen Wandel vor allem in Sachsen untersuchen, die medizinische Versorgung einer künftig stärker von Senioren geprägten Gesellschaft ausloten, die kulturellen Folgen von Einwanderung sowie das Zusammenspiel von Mensch und Maschine in der Zukunft erforschen. „Diversität“ als Forschungsgegenstand ist hier in einem weiten Sinne zu verstehen: Als auseinanderdriftende Gesellschaft, deren Individuen sich in Alter, kulturellen Bindungen, Geschlecht, Gesundheit und Behinderung stark unterscheiden.

Das Zentrum ist allerdings nicht als physische Einrichtung mit eigenem Gebäude und Budget zu verstehen. Das CDD ist eher als Verbund gedacht, der Fachgrenzen überwindet. Konkrete Forschungsprojekte sind zwar noch nicht durchfinanziert, aber schon ausgeheckt. Dazu gehören zum Beispiel solche Themen wie barrierefreie Roboter für Senioren- und Behindertenhaushalte, „demografische Schocks bei akut hoher Migration“, Industriearbeit im Alter, der Einfluss von Computerarbeit auf die Gehirndynamik und dergleichen mehr.

Der künftige 5G-Mobilfunk soll auch die Funkvernetzung von Exoskeletten über große Distanzen ermöglichen - ein Anwendungsbeispiel ist die Fern-Physitherapie. Foto: NASA

Der künftige 5G-Mobilfunk soll auch die Funkvernetzung von Exoskeletten über große Distanzen ermöglichen – ein Anwendungsbeispiel ist die Fern-Physiotherapie. Foto: NASA

Vorgänger-Verbund schlief ein

Schon früher hatte es an der Uni einen ähnlichen Forschungsverbund gegeben. Die Aktivitäten dieses „Zentrums für Demographischen Wandel“ (ZDW) waren aber zuletzt fast eingeschlafen, wie die Wissenschaftler (selbst-)kritisch einschätzen. Unterstützt durch das TU-Zentrum für Synergie-Entwicklung versuchen sie nun einen Neustart für die Bevölkerungsforschung. Eine neue Generation von Wissenschaftlern stecke dahinter, schätzte ein Mitarbeiter des Synergiezentrums ein. Die Zusammenarbeit aller TU-Fachbereiche von Psychologie bis Informatik, von Ingenieuren wie Geisteswissenschaftlern gelte als beispielhaft. Und: Diese jungen Forscher sehen die Themen Migration, Alter, Demenz, Medizintechnik und kulturelle Vielfalt als noch viel zu wenig bearbeitet an.

Schere zwischen Stadt und Land öffnet sich weiter

Denn längst hat der Wandel neue Nuancen gewonnen: Durch die jüngsten Flucht- und Zuwanderungswellen nimmt die Zahl der Menschen in Deutschland wieder zu. Auch wächst in wenigen Zentren wie Dresden und Leipzig die Bevölkerung in Sachsen, während sie im ländlichen Raum schrumpft und überaltert. Auf natürlichem Wege wird aber selbst in den geburtenstarken Großstädten keine langfristig stabile Bürgerzahl zu halten sein.

Ende des Babybooms auch in Dresden absehbar

So prognostizieren die Statistiker für Dresden, dass die Geburtenzahlen bis etwa zum Jahr 2018 noch leicht ansteigen – von rund 6300 auf 6340 Babys pro Jahr –, aber danach deutlich sinken. Inklusive Zuwanderung werden im Freistaat wohl nur Dresden und Leipzig bis 2020 ihre Bevölkerung halten können, fast alle anderen Kommunen aber stark verlieren.

Bevölkerungsprognose von 2007 für Sachsen und die Großstädte bis 2020. Abb.: ifo Dresden, LHD

Bevölkerungsprognose von 2007 für Sachsen und die Großstädte bis 2020. Abb.: ifo Dresden, LHD

Stabilisierung durch Zuwanderung möglich?

„Selbst in den optimistischeren Bevölkerungs-Vorausberechnungen wird ab etwa 2020 wieder ein Rückgang der Geburtenzahlen prognostiziert – unabhängig davon, wie sich die Geburtenrate weiter entwickelt“, warnt Ökonom Joachim Ragnitz vom ifo Dresden in einer Analyse für ganz Sachsen aus dem Jahr 2016. „Die Bevölkerung wird mittel- bis langfristig weiter schrumpfen, solange es nicht gelingt, durch Zuwanderung eine Stabilisierung zu erreichen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

 

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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