Kommentar & Glosse, Wirtschaftspolitik, zAufi
Kommentare 1

Kommentar: Europas Halbleiter-Industrie braucht Risikovorsorge

Die US-Mikroelektronik - hier ein Intel-Wafer - dominiert mit 55 % Anteil ganz klar den Halbleiter-Weltmarkt. Europas Antel wrd auf nur 6 % geschätzt. Foto: Intel

Foto: Intel

Politiker sehen hohe Import-Abhängigkeit erschreckend gleichgültig

Dresden, 29. Mai 2016. Die europäischen Industrien sind zu abhängig von asiatischen Lieferanten. Dies zeigt sich vor allem dann, wenn diese Lieferketten durch politische Unruhen, durch Erdbeben oder andere Naturkatastrophen ausfallen.

Beben erschüttern immer wieder Lieferketten

Ein Beispiel dafür: Das Mitte April in Japan auf der südlichen Hauptinsel Kyushu sich über mehrere Tage ersteckende Erdbeben der Stärke 7,3 hat zu erheblichen Störungen der Lieferkette für elektronische Bauelemente geführt. Davon sind auch die deutschen Automobilzulieferer ZF, Bosch und Continental bis heute massiv betroffen. Und erst in jüngster Vergangenheit hatte ein Erdbeben in Taiwan zu Lieferverzögerungen bei mikroelektronischen Bauelementen geführt.

Auch Lieferstränge über die USA sind nicht katastrophenfest

Die politisch Verantwortlichen in der EU sollten es sich daher zur ernsthaften Aufgabe machen, eine Risikovorsorge für diese immer wieder auftretenden Naturkatastrophen aufzubauen. Immerhin treffen solche Katastrophen nicht nur asiatische, sondern häufig auch wichtige amerikanische Zulieferer: Verschiedene US-Bundesstaaten wie Kalifornien bis Idaho liegen ebenfalls in einer Erdbebenzone und beheimaten bedeutende Halbleiterlieferanten.

Schlüsselindustrie gemeinsam mit Anwendern stärken

Die Politiker wären gut beraten, diese Risikovorsorge in Zusammenarbeit mit den europäischen Schlüssel-Anwendern für Mikroelektronik aufzubauen, also beispielsweise mit der Auto- und Flugzeugindustrie, Maschinen- und Anlagenbau und anderen Wirtschaftszweigen. Sie sollten in diesem Zuge die europäische Halbleiter-Branche als Schlüsselindustrie für die vierte industrielle Revolution so zu stärken, dass sie als Rückgrat für eine störungsfreie Versorgung der europäischen Anwenderindustrie fungieren kann. Bisher allerdings zeigen die Verantwortlichen auch in Deutschland (und natürlich Sachsen) eine erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber einer solchen strategischen Aufgabe.

Autor: Bernd Junghans

Kommentar: Anschluss verpasst

Diesem Kommentar von Bernd Junghans, der nicht etwa einen eventuellen worst case auf dem Gebiet der entscheidenden Schlüsseltechnologie Mikroelektronik, sondern die bereits heute bestehende dramatische Situation für das HighTech-Land Deutschland sowie für Europa insgesamt beschreibt, ist nur noch hinzuzufügen, dass Europa bei Beibehaltung dieses gegenwärtigen Kurses seiner Technologie“förderung“ in allernächster Zeit auch fachlich/ technologisch überhaupt gar nicht mehr in der Lage sein wird, den erforderlichen internationalen Anschluss wieder herzustellen. Mit GLOBALFOUNDRIES‘ Entscheidung, die z. B. für selbstfahrende Autos erforderlichen Hightech-Chips ausschließlich in den USA zu entwickeln und fertigen, hat sich bereits 2014 auch der letzte Entwickler solcher Technologien aus Sachsen und damit Deutschland, resp. Europa verabschiedet!

Autor: Dr. rer. nat. Andreas Kalz (ehem. Principal Specialist Technical Training bei GLOBALFOUNDRIES-Dresden)

Kommentar: Erdbeben verzögern die Halbleiterindustrie erheblich

Am 14. April diesen Jahres war ein Erdbeben in Komamoto, so dass die Bildsensorproduktion von Sony vorübergehend eingestellt werden musste. Das ist mindestens das zweite Mal in Folge und wird auch nicht die letzte Fertigungsunterbrechung sein.

In den USA war das letzte große Erdbeben der Stärke 8,4! auf der Richterskala am 18. April 1906 in San Francisco. Das ist längst in Vergessenheit geraten und kann sich aber jederzeit wieder ereignen. Dies ist ganz einfache, banale Realität.

Kathedrale Parish, aufgenommen am 22. Februar 2013 in Christchurch. Dort hatte die Erde im Februar 2011 mit der Stärke 6,3 gebebt. Foto Norbert Haase

Kathedrale Parish, aufgenommen am 22. Februar 2013 in Christchurch. Dort hatte die Erde im Februar 2011 mit der Stärke 6,3 gebebt. Foto Norbert Haase

Im Vergleich dazu war das Erdbeben in Christchurch vom 22. Feb. 2011 nur von der Stärke 6,3. Was das bedeutet, kann sich jeder heute noch ansehen. Da kommen einen die Tränen in die Augen, wenn man selbst vor den unzähligen Ruinen steht.

Wenn hier ein Halbleiterwerk gestanden hätte… nicht auszudenken.

Warum baut man kein Werk in Europa?? Es ist längst Zeit dafür!

Die Politiker sind offenbar im Tiefschlaf. Nächstes Jahr ist Wahljahr und mindestens bis dahin fließen die Gelder in andere Richtungen. Dann kommt noch die Entscheidung der Briten am 23. Juni für oder gegen einen Brexit. Zur Zeit ist diese Entscheidung noch völlig offen.

Nächstes Jahr kommt auch der Halbleitermarkt in Richtung 10 nm Technologie durch Intel in Gang. Vielleicht mischt das dann alles etwas durcheinander, wenn Intel ordentlich anzieht und einige dann beginnen, wieder über eine Halbleiterindustrie nachzudenken. Zur Zeit halte ich (leider) jede Aktivität für vergebene Mühe.

Die Politiker haben ihre Ohren zur Zeit leider an anderer Stelle und sind für den Halbleitermarkt nicht sensibel genug.

Autor: Norbert Haase

 

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

1 Kommentare

Schreibe einen Kommentar