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Schwere Demokratiekrise in Ostdeutschland

Frank Richter auf der Populismus-Konferenz inKassel. Foto: Heiko Weckbrodt

Frank Richter auf der Populismus-Konferenz inKassel. Foto: Heiko Weckbrodt

Richter: Pegida-Anhänger sehen sich kulturell enteignet

Kassel/Dresden, 25. April 2016. Der Osten Deutschlands erlebt 26 Jahre nach der friedlichen Revolution und der Wiedervereinigung eine „schwere gesellschaftliche und demokratische Krise“. Das hat Direktor Frank Richter heute auf einer Populismus-Tagung in Kassel eingeschätzt. Die rechtspopulistische Pegida-Bewegung in Dresden sei ein deutliches Anzeichen dafür, betonte der Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung.

Eure Ordnung ist nicht unsere!

Richter warnte davor zu unterschätzen, wie grundsätzlich der Vertrauensverlust einiger Menschen in Sachsen und Ostdeutschland in das politische System der Bundesrepublik sei. Viele dieser Menschen fühlten sich – nach den tiefen biografischen Umbrüchen der 1990er Jahre – jetzt ein zweites Mal kulturell enteignet. „Da gibt es viele, die sagen: „Diese eure Ordnung ist nicht die unsrige!“

Sich diesem Problem mit immer neuen Dialogversuchen zu stellen, halte er für eine wichtige Aufgabe der politischen Bildungsarbeit. Allerdings sehe auch er inzwischen Grenzen des Dialogs: einerseits die strafrechtlichen Grenzen für Meinungsäußerungen. Andererseits gebe es offensichtlich einen harten Kern hochradikalisierter und rechtsextremer Pegida-Anhänger, die durch Dialog nicht erreichbar sei.

Dresdner Ingenieure behandeln soziale Probleme wie kaputten Motor

Zudem seien zwar viele Parallelen zwischen vielen rechtspopulistischen Bewegungen in Deutschland unübersehbar. „Pegida“ selbst ist aber nach Richters Meinung ein spezifisches „Dresdner Phänomen“. Die Anhängerschaft dieser Bewegung bestehe keineswegs mehrheitlich aus Deklassierten, sondern speise sich wesentlich durch eine in Dresden tief verwurzelte Tradition der „Technischen Intelligenz“: Ingenieure und Akademiker, die mit Geisteswissenschaften wenig am Hut haben, es aber gewöhnt sind, jedes Problem wie einen kaputten Motor zu lösen: „Ich nehme ihn auseinander, repariere die Teile und setze ihn wieder zusammen“, beschreibt Richter diese Denkart.

Dass die Gesellschaft aber mehr als ein technisches Aggregat sei, komme in diesem Konzept zu kurz weg. „In Leipzig tickt man da schon anderes und der Westen tickt anders als der Osten.“ Autor: Heiko Weckbrodt

Hinweis: Dieser Bericht ist (in leicht abgewandelter Form) als Teil einer journalistischen Artikelserie für die sächsische Landeszentrale für politische Bildung entstanden. Die Beiträge sind hier im Blog der Landeszentrale zu finden.  

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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