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Sachsen will aus Tischlern und Bäckern Export-Haie machen

Bürokratie, Zoll und Geschäftspartner-Suche sind für viele kleinere Unternehmen Steine auf dem Weg zu einem florierendem Exportgeschäft - aber sie sind überwindbar, weiß Kerstin Tiegel, die den Kälte- und Heiztechnik-Hersteller Tiegel in Radeberg leitet. Foto: Heiko Weckbrodt

Bürokratie, Zoll und Geschäftspartner-Suche sind für viele kleinere Unternehmen problematische Steine auf dem Weg zu einem florierendem Exportgeschäft – aber sie sind überwindbar, weiß Kerstin Tiegel, die den Kälte- und Heiztechnik-Hersteller Tiegel in Radeberg leitet. Foto: Heiko Weckbrodt

Wirtschaftsminister Dulig gründet Internationalisierungs-Agentur für Mini-Betriebe

Dresden/Radeberg, 6. April 2016. Um den sächsischen Export anzukurbeln, will Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) eine Internationalisierungs-Agentur gründen. Diese Agentur werde spätestens im Januar 2017 als Teil der Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS) starten, kündigte Martin Dulig heute bei einem Besuch der Firma Tiegel in Radeberg an. Das zweiköpfige Team soll dann gemeinsam mit zusätzlichen „Export-Lotsen“ in den Wirtschaftskammern vor allem Handwerker, junge Hightech-Gründungen und andere Mini-Firmen im Freistaat als Exporteure trainieren. „Unsere Wirtschaft ist sehr, sehr kleinteilig“, erinnerte Dulig an ein altes Problem im Land. „Sie brauchen Wachstum und eine Außenwirtschaftsstrategie“.

Über 90 % der Betriebe exportieren: nichts

Dazu muss man wissen: Über 90 Prozent der sächsischen Betriebe exportieren bisher überhaupt nichts. Die Ausfuhren des Freistaats stehen und fallen mit wenigen Unternehmen aus wenigen Branchen: Fast die Hälfte (48 %) der Exporte leistet der Automobilbau, jeweils 10 beziehungsweise 11 % Prozent steuern der Maschinenbau sowie die Elektrotechnik/Elektronik bei. Aber nur 8,1 Prozent der sächsischen Unternehmen verkaufen überhaupt etwas im Ausland. Was heißt: Mit seiner Exportquote von inzwischen 34,2 Prozent steht der Freistaat zwar im Bundesvergleich gar nicht so schlecht da (Rang 6), aber mit der erwähnten niedrigen Exporteur-Quote von nur 8,1 % (Stand 2013) rangiert der Freistaat nur auf Platz 12 im Bundesländer-Vergleich.

Martin Dulig. Foto: Götz Schleser, SMWA

Martin Dulig. Foto: Götz Schleser, SMWA

„Ich kenne Tischler mit 90 Prozent Exportquote“

Denn viele Unternehmer setzen ganz auf den Absatz in der Region, wären entweder gar nicht konkurrenzfähig im Ausland oder trauen sich selbst und ihren Produkten einfach zu wenig zu. Minister Dulig wie auch der Dresdner Handwerkskammer-Präsident Jörg Dittrich denken deshalb auch durchaus an die kleinen Handwerker um die Ecke als Zielgruppe für ihre Internationalisierungs-Agentur und die Exportlotsen. „Ich kenne Tischler mit 90 Prozent Exportquote“, erzählt Jörg Dittrich. „Und viele Bäcker erlösen einiges Geld mit dem Stollen-Export.“ Solche Beispiele als Vorbild für andere Unternehmer in Sachsen bekannt zu machen, sieht der Kammerpräsident als eine Aufgabe für die Agentur und die zusätzlichen Exportlotsen, die Dulig mit bis zu 60.000 Euro pro Jahr kofinanzieren will. Weitere Aufgaben: Die Experten helfen den Unternehmern, exportfähige Produkte zu identifizieren und geeignete Zielmärkten zu erschließen. Und sie sollen Ursachenforschung betreiben, warum so viele Firmen im Freistaat den Schritt ins Ausland scheuen.

Günter Bruntsch, Abb.:IHK Dresden

Günter Bruntsch ein. Abb.: IHK Dresden

 

Günter Bruntsch, Präsident der IHK Dresden: Die Suche nach verlässlichen Geschäftspartnern, die Abschottung, der Zoll und die Bürokratie der Zielmärkte sind für viele Unternehmen in Sachsen die Haupthindernisse beim Export.

 

 

Bürokratie, Zoll und Sprachbarrieren

Denn hinter den Statistiken stecken offensichtlich ganz praktische Export-Hindernisse, mit denen sich viele „kleine“ Unternehmer einfach überfordert fühlen: Politisch abgeschottete Zielmärkte zum Beispiel, komplizierte Gesetze, Korruption und dergleichen mehr. „Da müssen wir an Sprachbarrieren denken, an Bürokratie, an Zoll-Bestimmungen“, zählt Geschäftsführerin Kerstin Tiegel auf. Sie leitet mit der Tiegel GmbH in Radeberg einen Heiz- und Klimatechnik-Hersteller mit 2,5 bis fünf Millionen Euro Jahresumsatz und 40 Mitarbeitern. Die begannen vor 15 Jahren, Exportwege gen Russland aufzubauen. Schon der russische Zoll sei eine Herausforderung gewesen: „Die nehmen die Anlagen bis zum letzten Teil auseinander, fotografieren jede Schraube“, erinnert sich Kerstin Tiegel an die vielen Startschwierigkeiten.

Embargo machte Aufbauarbeit zunichte

Als das Russland-Geschäft für die Radeberger endlich brummte, kamen die EU-Sanktionen und der so mühsam aufgebaute Export gen Osten brach in sich zusammen. „Weil unsere Heizungs- und Kältetechnik besonders für die Erdölindustrie ausgelegt ist, versuchen wir nun neue Märkte zum Beispiel in Kanada oder den Vereinigten Arabischen Emiraten aufzubauen“, sagt die Chefin. „Bisher konnten wir damit aber die Ausfälle im Russlandgeschäft noch nicht kompensieren.“

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Aber: Russland steht für Sachsen nur auf Platz 14 der Exportländer

Allerdings ist nicht allein das EU-Embargo schuld daran, dass die sächsischen Ausfuhren gen Russland im Jahr 2015 um 15 % geschrumpft sind: Der Preisverfall beim Erdöl und hausgemachte Wirtschaftsprobleme haben ebenfalls die Investitionsbereitschaft der Russen gedämpft und damit einigen sächsischen Unternehmen die Bilanzen verhagelt. Und was auch erwähnt werden muss: Zwar kritisieren einige Unternehmer und Politiker in Sachsen recht deutlich die Sanktionen des Westens gegen Putin. Doch in der Praxis rangiert Russland für den Freistaat gerade mal auf Rang 14 der Außenhandels-Partner.

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Sachsen hoffen auf persischen Boom

Viel gravierender war für die Sachsen insofern das abflauende Wachstum der chinesischen Wirtschaft, was wiederum den sächsischen Export ins Reich der Mitte im Jahr 2015 um 13 Prozent schrumpfen ließ. Neue Wachstumsimpulse verspricht sich Minister Dulig nun aber im Iran: Das Embargo des Westens gegen die Perser fällt jetzt schrittweise. Ende Mai wird Martin Dulig daher mit einer Unternehmerdelegation im Schlepptau zu einer „ersten Markterkundungsreise“ in den Iran reisen. Dort wollen die Sachsen den Modernisierungsbedarf des Landes und ihre eigenen Exportchancen auszuloten – um auf keinen Fall zu spät zu kommen, wenn der persische Boom beginnt.

Autor: Heiko Weckbrodt

Sachsen-Export in Zahlen:

Export (absolut): 38,4 Mrd. €
Zuwachs 2014: +14 %
Zuwachs 2015: +7 %
Exportquote 2015: 34,2 %
Wichtigste Zielmärkte (2015): China, USA, Großbritannien
Hauptexportgüter:

Quelle: SMWA, Stat. LA

Quelle: SMWA, Stat. LA

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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