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Kriegsgott Dix im Steinkohle-Revier

Otto Dix: Selbstbildnis als Mars. Repro: Peter Weckbrodt

Otto Dix: Selbstbildnis als Mars. Repro: Peter Weckbrodt

Oigers Wochenend-Tipp 2./3. April 2016: Künstlerische Schatzsuche in Freital

Freital/Dresden, 2. April 2016. Was sind die Dresdner – und dies zweifellos völlig zu Recht – doch stolz auf ihre Staatlichen Kunstsammlungen. Da wird leicht überheblich, weil wenig sachkundig geschlussfolgert, dass im benachbarten Freital bestenfalls noch ein Rest einstiger Steinkohle zu entdecken sei, aber sicher nichts von Bedeutung in Sachen Kunst. Weit gefehlt und höchste Zeit zur Korrektur! Der Oiger wollte es genau wissen, war vor Ort und wurde fündig: Bis zum Sonntag präsentiert die Städtische Kunstsammlung Freital in einer Sonderausstellung Werke der bildenden Kunst, die bisher ihr Dasein im Depot fristen mussten. Nicht Mangel an künstlerischer Qualität, sondern an Ausstellungsfläche dürfte hierfür die Ursache sein.

Von Conrad Felixmüller bis zu Paul Wilhelm

Anlass ist das 25-jährige Bestandsjubiläum der Kunstsammlung im wunderschönen Schloss Burgk. Unter dem Motto „Auch das gibt’s – Neues und selten Geschautes“ werden Gemälde, Aquarelle und Kohlezeichnungen vorgestellt, die beim Betrachter schnell Erstaunen auslösen. Der illustre Bogen von Künstlern der Region um Dresden spannt sich von Otto Griebel, Conrad Felixmüller, Curt Querner, Max Klinger, Oskar Zwintscher, Willi Kriegel, Otto Hettner, Heribert-Fischer-Geising, bis zu Paul Wilhelm, ohne hier vollständig zu sein.

Irena Rüthe-Rabinowski (1900-1979): Lissy Tempelhof als "Heilige Johanna der Schlachthöfe" , Öl, 1973. Repro: Peter Weckbrodt

Irena Rüthe-Rabinowski (1900-1979): Lissy Tempelhof als „Heilige Johanna der Schlachthöfe“ , Öl, 1973. Repro: Peter Weckbrodt

Die Heilige Johanna der Schlachthöfe festgehalten

Einzelne Bilder besonders zu nennen, erscheint schon frevelhaft. Die große Mehrheit ist schlicht und einfach schön, lädt ein zum Betrachten und Verweilen. Und doch beeindruckt, wie es Irene Rüther-Rabinowitz gelungen ist, die einst auf der Bühne des Großen Hauses in Dresden unvergesslich agierende Schauspielerin Lissy Tempelhof als „Heilige Johanna der Schlachthöfe“ uns für alle Zeiten festzuhalten. Bemerkenswert ist aber auch die Biografie der Malerin. Die 1900 in Köln Geborene kam bereits mit 16 Jahren nach Dresden. Als Jüdin sollte sie noch am 16. Februar 1945 in das KZ Theresienstadt transportiert werden. Das verhinderte der Bombenangriff am 13. Februar, ihr gelang die Flucht und sie überlebte. Sie porträtierte neben Lissy Tempelhof auch die bekannten Sänger Richard Tauber und Theo Adam. Als sie 1979 in Dresden starb, wurde sie in Dresden-Loschwitz beigesetzt. Im Oktober 2013 wurden auf mehreren Dresdner Friedhöfen Grabskulpturen aus Buntmetall gestohlen, darunter auch die Skulptur vom Grab der Künstlerin. Die Skulptur war eine Kopie der griechischen Statue „Betender Knabe“.

Ewald Schönberg (1862-1949) Frau mit Ziegen, Sensedengler, Melkende Frau, Öl 1963. Repro: Peter Weckbrodt

Ewald Schönberg (1862-1949) Frau mit Ziegen, Sensedengler, Melkende Frau, Öl 1963. Repro: Peter Weckbrodt

Die drei Bilder von Ewald Schönberg (1862-1949) „Frau mit Ziegen“, „Sensedengler“ und die „Melkende Frau“ wirken auf den Besucher gar wie ein Triptychon. Natürlich erfreuen wir uns an den vielfältig vertretenen Ansichten der Elbe, beispielsweise von Otto Hettner oder denen von Blasewitz aus der Hand von Willi Kriegel. Wir lächeln beim Anblick von Curt Querners Aquarellen zum „Kinderkarneval im Erzgebirge“.

Zum Weiterlesen:

Otto Dix: Expresso in Chemnitz

Der I. Weltkrieg in 3D

Romantik pur im Albertinum

Die Metamorphose des Künstlers zum Zerstörer

Dann sind wir schon in der Dauerausstellung und gleich erst mal richtig baff! Da überraschen uns die Freitaler „Konkurrenten“ gleich neunfach mit Werken von Otto Dix (1891-1969). Am augenfälligsten ist zweifellos sein Porträt von Heinar Schilling aus dem Jahr 1922. Gewöhnungsbedürftig für den unbedarften Betrachter wiederum das „Selbstbildnis als Mars“, also als römischer Kriegsgott: ein auf den ersten Blick überraschendes Sujet für einen Künstler, dessen malerische Anklagen gegen die Gräuel des I. Weltkriegs Legende sind. Aber wer dieses Selbstbildnis länger betrachtet, wird rasch bemerken, dass es wohl vor allem die selbstempfundene Metamorphose des Künstlers in einen martialischen Zerstörer reflektiert.

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Theodor Rosenhauer (1990-1996) Blumen im Korb, Öl, 1930. Repro: Peter Weckbrodt

Theodor Rosenhauer (1990-1996) Blumen im Korb, Öl, 1930. Repro: Peter Weckbrodt

Verschollen geglaubtes Werk von Theodor Rosenhauer

Der mit dem Schaffen Theodor Rosenhauers (1901-1996) Vertraute nimmt ziemlich überrascht zur Kenntnis, dass Freital überhaupt ein Bild dieses Malers sein Eigen nennen kann. Dass die schönen „Blumen im Korb“ aus dem Vorkriegsschaffen von 1930 stammt, überrascht ebenfalls, gilt doch alles vor 1945 von Rosenhauer Geschaffene als in der Bombennacht unwiederbringlich vernichtet. Da kommt doch ein Hauch von Freude auf!

Retrospektive der Romantik

Ein den 1990er Jahren zuzurechnender Gewinn ist die Stiftung Friedrich Pappermann, der wir uns abschließend zuwenden. Mit dieser Sammlung wurde der Kunsthorizont bis ins späte 19. Jahrhundert erweitert. Hier kann der Besucher eintauchen in die einzigartig stimmungsvolle Welt der deutschen Romantiker. Da sind Otto Altenkirch, Julius Scholz, Christian Friedrich Gille, Friedrich Preller, Knuth Baade, Eugen Bracht und natürlich Johann Christian Clausen Dahl und weitere Romantiker wunderbar vertreten.

Schloss Burgk in Freital. Foto: Peter Weckbrodt

Schloss Burgk in Freital. Foto: Peter Weckbrodt

Friedrich Pappermann: VEB-Direktor, Sammler, Stifter

Bemerkenswert ist die Biografie des Stifters Friedrich Pappermann, Er wurde 1909 in Dresden geboren. Vor dem Krieg als Prokurist tätig, war er während des Krieges aufgrund fachspezifischer Kenntnisse vom Kriegsdienst befreit. Nach dem Krieg begann Pappermann Kunst zu sammeln. Die finanziellen Grundlagen dafür bildeten sicher seine Tätigkeiten von 1947 bis 1957 als Direktor des Elektroschaltgerätewerkes Dresden, ab 1959 als Kaufmännischer Direktor des Otto-Buchwitz-Werkes Dresden sowie später als Absatzleiter im VEB Medizin- und Labortechnische Anlagen Dresden. Seine Sammeltätigkeit verstärkte er ab 1971. Es erstaunt, welche realen Möglichkeiten sich doch einem „normalen“ Bürger in der damaligen DDR boten, in einem unbedingt beeindruckenden Umfang auch hochwertige Kunsterzeugnisse zu sammeln.

Am 6. Juli 1993 startete die „Stiftung Friedrich Pappermann Freital“. Die Stadt Freital ehrte Pappermann 1994 mit der Ehrenbürgerschaft. Der Stifter verstarb 1995 in Dresden.

Autor: Peter Weckbrodt

Besucherinformationen

Was? Ausstellung „Auch das gibt’s“ (bis 4. April 2016) und Dauerausstellung
Wo? Schloss Burgk, Freital, Altburgk 61
Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag 10-17 Uhr, Dienstag bis Freitag 13-16 Uhr
Eintrittspreise: Tageskarte für alle Ausstellungen: 4 Euro
Mehr Infos im Internet: hier
Anfahrt:

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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