Dresdner Hochschulgruppe: Uni sollte Linux und freie Software bevorzugt einsetzen
Dresden, 18. März 2016. Für einen stärkeren Einsatz freier und kostenloser Computer-Betriebssysteme und Büroprogramme wie Linux und „LibreOffice“ an Universitäten hat die „Hochschulgruppe für Freie Software und Freies Wissen“ (FSFW) von der Technischen Universität Dresden (TUD) plädiert. „Damit könnten wir viele Datenschutzprobleme auf einen Schlag lösen, die kommerzielle Betriebssysteme wie Windows 10 aufgeworfen haben, und uns juristisch unangreifbarer machen“, betonte Doktor Daniel Borchmann vom TUD-Institut für Theoretische Informatik. „Außerdem sollten wir einmal über die Steuergelder nachdenken, die derzeit noch in Lizenzen für kommerzielle Programme fließen.“
Datenschutz-Ansatz von Windows 10 in der Kritik
Mit ihrem Plädoyer reagieren Dr. Daniel Borchmann und Jonas Wielicki von der FSFW-Hochschulgruppe auch auf unseren Artikel „Windows 10 telefoniert in jedem Fall nach Hause“. Darin hatten wir über die Datenschutzprobleme des neuen Microsoft-Betriebssystems berichtet, das immer wieder unerbetene externe Datenverbindungen aufbaut. Solch einen Datenfluss gen USA könne jeder Uni-Mitarbeiter am Linux-Rechner leicht unterbinden, sagt Dr. Borchmann.
„Uns ist klar, dass die meisten TU-Mitarbeiter Windows verwenden und einige darauf auch nicht verzichten können“, meint der Informatiker. Zum Beispiel seien spezielle Computerentwurfs-Programme (CAD) der Maschinenbauer sind nur für Windows und nicht für Linux verfügbar. In vielen anderen Fächern wie der Physik und auch in der universitären Verwaltung hingegen biete sich die Linux-Installation geradezu an.
Muss kein Nerd mehr sein, um Linux zu verwenden
So sei Linux derzeit das sichere Betriebssystem als Windows und durch Viren kaum angreifbar. Dies liegt zwar auch daran, dass sich Cyber-Kriminelle für den noch kleinen Linux-Markt einfach nicht besonders interessieren, aber eben auch am günstigeren Zugriffsrechte-System, betont Borchmann. Und das alte Klischee, Linux sei schwer zu bedienen, habe sich längst erledigt: Heutige Linux-Versionen wie das populäre Ubuntu haben grafische Benutzeroberflächen, deren Komfort mit Windows vergleichbar ist. „Man muss kein Nerd oder Geek* mehr sein, um mit Linux klar zu kommen.“
Mehr Marktmacht für die Uni
Viel mehr fällt aber aus universitärer Sicht ein anderer Vorteil von Linux ins Gewicht: Bis zum Beispiel eine Sicherheitslücke in Java gestopft oder eine deutsche Datenschutzrichtlinie in einem US-Betriebssystem wie Windows berücksichtigt ist, können Monate, oft sogar Jahre vergehen. Linux dagegen kann und darf jeder Auskenner selbst umschreiben. „Mit der Expertise, die hier an der TU Dresden konzentriert ist, können wir in Linux-Betriebssystemen solche Änderungen ganz schnell einspielen und bekommen dabei auch keine juristischen Probleme, weil die Linux-Lizenz solche Eingriffe erlaubt“, betont Borchmann. „Das verschafft der Universität ganz andere Macht, Wünsche umzusetzen.“
Auch Organik-Leo ist Linux-Fan
Die Hochschulgruppe für Freie Software und Freies Wissen hatte sich im Dezember 2014 gegründet. Sie hat inzwischen etwa ein Dutzend Mitglieder, darunter Studenten, wissenschaftliche Mitarbeiter der TU und der Sächsischen Landes- und Universitäts-Bibliothek SLUB. Auch der Dresdner Organik-Papst Professor Karl Leo ist ein bekennender Linux-Fan und mit an Bord in der FSFW, wie er auf Oiger-Anfrage bestätigte. Er halte dieses freie Betriebssystem für eine gute Alternative zu klassischen kommerziellen Systemen, sagte er.
Mehr Open Access und mehr Verschlüsselung
Die engagierten Gruppenmitglieder wollen Computernutzer innerhalb und außerhalb der Uni über Linux und andere freie Programme und freie Wissensvermittlungskonzepte informieren und setzen sich für deren Verbreitung ein. Die Gruppe fordert beispielsweise, dass alle Dresdner Hochschulen freie Software bevorzugt benutzen sollen, mehr Publikationen für die freie Nutzung (Open Access) freigeben und verschlüsselte digitale Kommunikation zum Standard erheben.
Umstieg in kleinen Schritten
„Man kann ja klein anfangen und erst mal von Word-Dateiformaten auf standardisierte freie Textdateiformate wie ODT umstellen. Das hätte schon mal zwei Vorteile“, sagt Dr. Borchmann pragmatisch. „Einerseits sind diese Formate zukunftssicherer: Sie ändern sich nicht eben mal und sind dadurch besser für die Langzeit-Archivierung geeinet. Zweitens fällt ein späterer Umstieg von Windows auf Linux leichter, wenn die meisten Mitarbeiter ohnehin schon freie Office-Programme nutzen.“ Autor: Heiko Weckbrodt
Tipp: Am 30. April laden die „Hochschulgruppe für Freie Software und Freies Wissen“, das Datenkollektiv Dresden und die „Linux User Group Dresden“ zum „Linux-Presentation-Day“ ein. Nach einem Einführungsvortrag wird es eine „Linux-Install-Party“ geben. Dort können Interessierte auf ihre mitgebrachten Computer eine Linux-Distribution unter fachkundiger Anleitung aufspielen. Auch bekommen Einsteiger Tipps und Hilfe bei Linux-Problemen. Mehr Informationen dazu gibt es hier im Internet.
* Nerd = hochspezialisierter und etwas verschrobener Computer-Fan, Geek = Laborratte (im übertragenen Sinne)
Hinweis: Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form ursprünglich im Uni-Journal der TU Dresden erschienen und hier zu finden
Ihre Unterstützung für Oiger.de!
Ohne hinreichende Finanzierung ist unabhängiger Journalismus nach professionellen Maßstäben nicht dauerhaft möglich. Bitte unterstützen Sie daher unsere Arbeit! Wenn Sie helfen wollen, Oiger.de aufrecht zu erhalten, senden Sie Ihren Beitrag mit dem Betreff „freiwilliges Honorar“ via Paypal an:
Vielen Dank!
1 Kommentare