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„Das Tagebuch der Anne Frank“: Vom Sommersee ins KZ

Anne Frank (Lea van Acken) schreibt im Hinterhaus-Versteck an ihrem Tagebuch. Foto: Universal Pictures

Anne Frank (Lea van Acken) schreibt im Hinterhaus-Versteck an ihrem Tagebuch. Foto: Universal Pictures

Hans Steinbichler zeigt in seinem neuen Film Anne Frank als Teenager mit all seinen ungeschliffenen Seiten

Anne Frank hat wie kein andere den Menschen ein Gesicht und eine Stimme gegeben, die von Nazi-Deutschland geknechtet, verfolgt, getötet wurden. In ihrem Tagebuch schrieb das jüdische Mädchen auf, wie ihre Familie von Frankfurt nach Amsterdam flüchtete, wie sie sich dann dort über zwei Jahre in einem Hinterhaus vor den Gestapo-Häschern versteckte. 1944 wurden die Franks verraten, Anne und ihre Schwester starben kurz vor Kriegsende im KZ Bergen-Belsen. Durch einen Zufall blieb „Das Tagebuch der Anne Frank“ erhalten und gehört seitdem zur Weltliteratur. Ab heute ist Hans Steinbichler filmische Neuinterpretation dieses bereits oft rezipierten Stoffes in den deutschen Kinos zu sehen – mit Lea van Acken („Homeland“) als eine Anne Frank, die uns menschlich nahe geht.

Wir bekommen hier keine glattgeschliffene, abstrakte Märtyrer-Ikone vorgesetzt, sondern einen Teenager mit all seinen Ecken und Kanten: Diese Anne Frank unterscheidet sich in ihrer Willenskraft von ihren Altersgenossinnen, will sich beispielsweise am sommerlichen See partout nicht mit dem Badeverbot für Juden abfinden. Sonst aber hängt sie den gleichen Träumen und Flausen nach, himmelt Filmstars an. Später, im Hinterhausversteck, schreit sie in der Dunkelheit, schreit, wenn die Bomben über Amsterdam hageln mit unerträglichem Dröhnen. Sie stößt kalt die Mutter (Martina Gedeck („Das Leben der Anderen“) als Edith Frank) vor den Kopf, tanzt im anderen Moment ausgelassen in der engen Küche, umschmeichelt den Vater (Ulrich Noethen („Mein Führer“) als Otto Frank).

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„Unpassendes“ wird nicht ausgeblendet

Mit Bravour zeigt Jungschauspielerin Lea van Acken hier ein Mädchen, wie es auch in unserer Gegenwart leben könnte, bis hin zu den egoistischen, ja manchmal sogar gemeinen Seiten sehr junger Menschen. Regisseur Steinbichler und Drehbuch-Autor Fred Breinersdorfer sparen hier nicht aus, was „unpassend“ in diesem Kontext erscheint, bis hin zu den erotischen Phantasien eines „Backfischs“. Und sie zeigen auch, was eben nicht ausbleibt, wenn acht Menschen über Monate hinweg auf engstem Raum zusammen gepfercht leben müssen: die ständigen Reibungen, die Anstrengung, ja immer nur ganz leise zu leben, die Streitereien…

Aber all das – sieht man einmal von der etwas nervenden Startszene ab – macht diesen Film gerade so menschlich. Und obwohl wie natürlich alle wissen, dass es für Anne Frank kein Happy End gab: Wenn wir die demütigende Prozedur in Auschwitz sehen, den Hungertod in Bergen-Belsen nur noch erahnen, dann geht das nahe. Ein Beweis, dass man auch altbekannte Geschichte immer wieder neu erzählen kann.

Autor: Heiko Weckbrodt

„Das Tagebuch der Anne Frank“, Deutschland 2015, Regie: Hans Steinbichler, mit Lea van Acken, Ulrich Noethen, Martina Gedeck, 128 Minuten, FSK 12

In Dresden u.a. in folgenden Kinos:

Rundkino, 19.40 und 22.40 Uhr
UCI, 20 und 23 Uhr
Cinemaxx 20.15 Uhr
Schauburg 20 Uhr
Programmkino Ost 20 Uhr
Ufa-Kristallpalast, 19.15 Uhr

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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