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Ostmodern: Robotron-Glaskunst droht Zerstörung

Zwei Ingenieure testen einen "EC 1055"-Rechner im VEB Robotron-Elektronik Dresden. Abb.: Ulrich Häßler, Bundesarchiv, Wikipedia

Die Archivaufnahme zeigt zwei Ingenieure, die in den 1980er Jahren einen „EC 1055“-Rechner im VEB Robotron-Elektronik Dresden testen. Abb.: Ulrich Häßler, Bundesarchiv, Wikipedia

Netzwerk appelliert an Investor, bei Abriss im Dresdner Zentrum Bleiglasfenster zu retten

Dresden, 1. März 2016. Das Dresdner Netzwerk „Ostmodern“ hat vor einer Zerstörung wertvoller Baukunst in der ehemaligen DDR-Computerschmiede Robotron gewarnt. Das Netzwerk hat heute an den Kasseler Investor „Immovation AG“ appelliert, insbesondere die farbig-abstrakten Bleiglasfenster zu retten, die im Atrium des Robotron-Komplexes an der St.-Petersburger Straße verbaut sind. Dort nämlich werden voraussichtlich in den nächsten Tagen die Hydraulik-Scheren-Bagger anrücken, um das Gebäude abzureißen. Dann drohen auch die Buntglas-Fenster zu Bruch zu gehen.

Der Robotron-Komplex in Dresden. Foto: Immovation AG

Der Robotron-Komplex in Dresden. Foto: Immovation AG

„Wir appellieren an Sie, diese Werke nicht schreddern zu lassen, sondern sorgfältig zu demontieren und in der zukünftigen Bebauung in würdiger Form wieder sichtbar zu machen“, heißt es in dem Ostmodern-Aufruf an den Investor. „Beispiele aus anderen Städten zeigen, dass so etwas technologisch möglich ist.“

Video mit Bildern vom Robotron-Komplex
(Urbexer Dresden):
 

Der hessische Investor will einen Teil des umfangreichen Robotron-Büro- und Entwicklungskomplexes im Dresdner Zentrum nach und nach abreißen und dort einen Wohnkomplex „Lingner Altstadtgarten“ mit 2500 bis 3000 Wohnungen bauen.

Immovation: Einige Bauelemente werden eingelagert

(1. Aktualisierung): „Das abzureißende Robotron-Gebäude an der St. Petersburger Straße – oder Teile davon – stehen nicht unter Denkmalschutz“, betonte Immovation-Sprecher Michael Sobeck auf Oiger-Anfrage. Dennoch kümmere sich Immovation darum, „dass von professioneller Seite als schützenswert zu betrachtende Gebäudeteile erhalten bleiben“. Die Abrissfirma Nestler habe sich in eigener Regie mit dem denkmalschutzamt abgestimmt und werde diese Teile in das städtische Lapidarium transportieren. Ob dies auch die Buntglasfenster betreffe, konnte Sobeck heute nicht unmittelbar beantworten. Er bedauerte aber auch, dass sich „das Netzwerk Ostmodern mit seiner Sorge und den Fragen zum Erhaltung eventuell erhaltenswerter Gebäudeteile nicht direkt an uns oder das Denkmalschutzamt der Stadt Dresden gewandt“ habe.

(2. Aktualisierung): Dieser Darstellung widersprach allerdings inzwischen „Ostmodern“: Demnach habe es wegen der Fenster im Vorfeld sogar gemeinsame Begehungen mit Vertretern von städtischen und Landes-Denkmalamt gegeben. Im Ergebnis würden nun wohl „nur wenige Elemente (zum Beispiel von der Formsteinwand nur zwei Segmente) eingelagert“, nicht aber die Fenster.

Netzwerk will Spuren vom DDR-Computerriesen erhalten

Geographen, Denkmalpfleger, Historikern, Soziologen, Stadtplanern, Architekten, Künstlern und Politiker hatten das „Netzwerk Ostmodern“ 2006 ursprünglich gegründet, um Zeugnisse der architektonischen Moderne der DDR wie das ehemalige Centrum-Warenhaus an der Prager Straße in Dresden zu erhalten. Später erweiterte sich der Fokus der Initiative. Sie möchte unter anderem auch dafür sorgen, das vom einstigen DDR-Computerriesen Robotron, dessen Kombinatsleitung und wichtige Betriebe in Dresden zwischen Lingnerallee und damaliger Leningrader Straße konzentriert waren, Spuren erhalten bleiben.

„Das ehemalige Robotron-Gelände stellt neben den baukulturellen Werten auch einen wichtigen Zeitzeugen dessen dar, was wir heute als ,Silicon Saxony‘ kennen“, betonte Matthias Hahndorf von „Ostmodern“. „Dresden ist heute der wichtigste europäische Mikroelektronik-Standort – der Grundstein für diese Entwicklung wurde an der Lingnerallee gelegt.“

Das fragliche Glaskunstwerk ist vielen Dresdnern gar nicht bekannt, da es nur von innen oder von den Innenhöfen der Robotron-Zentrale sichtbar ist: „Zu beiden Seiten eines Treppenhauses im mittleren Verbindungsflügel zieht sich über die gesamte Gebäudehöhe von sieben Etagen jeweils ein durchgehendes Mosaik mit abstrakten Formen, bestehend aus farbigen Bleiglasfenstern“, beschreibt Ostmodern das Ensemble. „Den Entwurf hatte der leitende Architekt des Gesamtkomplexes, Axel Magdeburg, geliefert. Ausgeführt wurde das Werk durch die Künstler Günter Gera und Gerhard Papstein.“

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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