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Risiken für Europas High-Tech-Industrie wachsen

Europas Hightech-Industrie hat sich von der Chipproduktion von Taiwan, Südkorea und den USA abhängig gemacht. Viele der dort konzentrierten Halbleiter-Fabriken liegen aber in Erdbeben- oder potenziellen Krisengebieten. Fotos: Google Earth, Intel, Montage: hw

Europas Hightech-Industrie hat sich von der Chipproduktion in Taiwan, Südkorea und den USA abhängig gemacht. Viele der dort konzentrierten Halbleiter-Fabriken liegen aber in Gebieten, die ständig von Erdbeben und anderen Naturkatastrophen oder von politischen Krisen bedroht sind. Fotos: Google Earth, Intel, Montage: hw

Junghansens Chip-Kolumne:
Halbleiter-Nachschub auch durch Naturkatastrophen fragil

Dresden, 18. Februar 2016. Immer mehr traditionelle Industriegüter (Telekommunikationsgeräte, Autos, Flugzeuge usw.) benötigen Mikroelektronik der Spitzenklasse. Diese ist aber schon heute nur noch in den USA und Asien zu bekommen. Die europäische Industrie begibt sich also für ihre Spitzenprodukte in eine völlige Abhängigkeit von den Lieferungen aus den drei verbliebenen Unternehmen (INTEL in den USA, SAMSUNG in Korea und TSMC in Taiwan), die diese Technologie beherrschen. Unabhängig von möglichen nationalen Interessenskonflikten bleibt ein hohes Risiko für die Versorgungssicherheit Europas durch terroristische oder natürliche Katastrophen in diesen drei verbliebenen Standorten.

Großerdbeben ist nur eine Frage der Zeit

Aktuell wird diese Gefahr durch das Erdbeben vom 6. Februar diesen Jahres in Taiwan illustriert. Obwohl das Erdbeben nur die Stärke von 6,3 erreichte, ist die Produktion von mikroelektronischen Schaltkreisen der Spitzenklasse (z. B. für das iPhone von Apple) davon betroffen. Die Gefahr weiterer und stärkerer Erdbeben ist damit jedoch nicht gebannt. Im 20. Jahrhundert gab es vier Erdbeben mit einer Stärke über 7, davon das stärkste im Jahre 1999 mit 7,6. In diesem Jahrhundert gab es bereits fünf Erdbeben in Taiwan (2009, 2010, 2011, 2015 und 2016). Es ist offensichtlich nur eine Frage der Zeit, wann ein stärkeres Erdbeben auch die Produktion bei TSMC für einen längeren Zeitraum lahmlegt. Hinzu kommt: Die Geräte und Prozesse für die Strukturgrößen unter 10 Nanometern werden immer empfindlicher gegen mechanische Störeinflüsse.

Auch schwelender Korea-Konflikt stellt globale Versorgungssicherheit in Frage

Ob SAMSUNG eine sichere Ausweichlösung im Falle einer solchen Naturkatastrophe ist, bleibt ungewiss, solange der nordkoreanische Diktator beständig dem Süden mit einem militärischen Konflikt droht. Die USA wären dann die einzige Rückversicherung für die europäische High-Tech-Industrie, um weiterhin die benötigten Schaltkreise für ihre Spitzenprodukte zu bekommen, falls nicht Donald Trump der nächste Präsident wird und einer seiner vielen bizarren Gedanken nicht zufällig einer solchen Hilfe im Wege steht.

Ausweg Euro-Foundry

Einen Ausweg aus dieser für Europa riskanten Situation hat im vergangenen Jahr das Leibniz-Institut für interdisziplinäre Studien (LIFIS) in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin vorgeschlagen: Die Gründung einer „Europa-Foundry“ für die Produktion von Spitzen-Mikroelektronik in Sachsen. Leider haben die verantwortlichen bundesdeutschen und sächsischen Politiker sich dazu nicht geäußert und gar Aktionen ergriffen. Auch die EU ist zu diesem Thema auf Tauchstation gegangen, seitdem der Digitalkommissar Günther Oettinger dafür verantwortlich zeichnet. Wir vertrauen also auf Gott als letztem Strohhalm in dieser für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand entscheidenden Technologie.

Autor: Bernd Junghans

Bernd Junghans. Foto: privat

Bernd Junghans. Foto: privat

Der Autor unserer Analyse, Bernd Junghans, studierte Halbleiterphysik und Elektronik in Moskau. 1976 bis 1992 arbeitete er in der zentralen Chipentwicklungs-Schmiede der DDR, im ZMD. Danach war er für die US-Unternehmen AMI (American Microsystems Inc.) und Simtek Inc. tätig. 2001 bis 2004 war er Entwicklungsvorstand der ZMD AG. Heute leitet Junghans das Dresdner Softwareunternehmen „Metirionic“ und ist Mitglied im sächsischen Hightech-Verband „Silicon Saxony“

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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