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Erich Heckel, der Knabe in der Tram und eine Badende

Bis heuet ein Rätsel: Erich Heckels "Junge in der Tram" von 1912 (Öl auf Leinwand). Repro: Peter Weckbrodt

Bis heute ein Rätsel: Erich Heckels „Knabe in der Tram“ von 1912 (Öl auf Leinwand). Repro: Peter Weckbrodt

Oigers Wochenendtipp: Museum Gunzenhauser in Chemnitz zeigt 120 Werke des Brücke-Künstlers

Chemnitz, 22. Januar 2016. Paul Wilhelms schöne Bilder in der Oberlößnitz haben unseren Appetit auf weiteren Kunstgenuss gemacht. Nachdem wir die Sonderausstellung mit über 500 Werken von Karl Schmidt-Rottluff (bis zum 10. April 2016) noch in bester Erinnerung haben, wollen wir uns die 120 Gemälde und Grafiken eines weiteren Brücke-Malers ansehen, des ebenfalls in Chemnitz geborenen Erich Heckel (1883 – 1970). Bis zum 17. April ist die neue Sonderausstellung im „Museum Gunzenhauser“ der Kunstsammlungen Chemnitz. Nachdem schon im Frühjahr 2015 Ernst Ludwig Kirchners Werke von den Kunstsammlungen gezeigt wurden, schließt sich nun der Kreis der drei bedeutendsten Vertreter des deutschen Expressionismus, die dessen Ruf in der Welt begründeten.

Erich Heckel: Selbstbildnis 1947, Bleistift und Aquarell auf Papier. Repro: Peter Weckbrodt

Erich Heckel: Selbstbildnis 1947, Bleistift und Aquarell auf Papier. Repro: Peter Weckbrodt

Auch Leihgaben aus Privatbesitz

Die Werke Heckels werden erstmalig und in vollständigem Umfang präsentiert. Sie wurden von den Kunstsammlungen selbst, aber auch von der Stiftung Gunzenhauser sowie als eine bisher nie gezeigte Dauerleihgabe aus Privatbesitz bereitgestellt. Neben Gemälden sehen wir vorrangig Grafiken: frühe Holzschnitte von 1904 mit Widmungen für den engen Freund Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976) sowie Arbeiten aus den Brücke-Jahren von 1905 bis 1913 und aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Das rätselhafte, 1912 entstandene Bild „Knabe in der Tram“ und die Rekonstruktion des Triptychons „Badende“ von 1919 sind besonders bemerkenswerte Exponate der Ausstellung.

Nazis verbannten Hunderte Heckel-Bilder

Der Knabe in der Tram wird unter Kunstkennern als Mysterium betrachtet. Es gibt Rätsel auf und birgt noch viel Forschungspotenzial. Für die Nationalsozialisten war das expressive Werk ein rotes Tuch, sie verbannten es mit weiteren 745 Heckel-Werken aus den deutschen Museen.

Erich Heckel: Badende II 1919 (re. Tafel des Triptychons). Repro: Peter Weckbrodt

Erich Heckel: Badende II 1919 (re. Tafel des Triptychons). Repro: Peter Weckbrodt

Triptychon „Badende“ geteilt

Das Triptychon „Badende“ wurde 1922 von den Chemnitzer Kunstsammlungen erworben. Die Chemnitzer Presse sprach von der „bedeutendsten Erwerbung der letzten Jahre“. In der Zeit des Nationalsozialismus ging die „Badende“ verloren, wurde 1937 verkauft. Später gelangte es in Heckels Besitz zurück, wurde aber geteilt. Die linke Tafel befindet sich heute im Landesmuseum Schleswig, die mittlere Tafel wurde von Heckel selbst übermalt, die rechte Tafel konnten die Kunstsammlungen Chemnitz 1995 wiedererwerben. Wir sehen die linke Tafel als Schwarz-Weiß-Reproduktion des Gemäldes, ebenso die mittlere Tafel.

Das Triptychon "Die Badende". Repro: Peter Weckbrodt

So etwa sah Erich Heckels Triptychon „Badende“ ursprünglich aus. Repro: Peter Weckbrodt

Debatten im Vulkan

Ursprung und Ausgangspunkt der Entwicklung Heckels ist die Stadt Chemnitz, in der er seine Schulzeit verbrachte und deren Sammlungen und Ausstellungen er häufig besuchte. Sein Interesse an Kunst und Literatur führte ihn in den Debattierklub „Vulkan“, einer 1901 gegründeten Verbindung von Schülern des Königlichen Gymnasiums, dem Max Unger (1983-1959), Paul Holstein (1884-1957), Fritz Cohn (1885-1942) und Karl Schmidt aus dem späteren Chemnitzer Stadtteil Rottluff angehörten. Aus der Zeit im „Vulkan“ ist Heckels Vorliebe für Rezitation und Dichtung bekannt. Er fühlte sich über viele Jahre hinweg stärker zu den Schriftstellern als zu den Malern hingezogen.

„Wo wir weg mussten, war uns klar“

Die Wege einiger Vulkan-Mitglieder trennten sich nach dem Abitur, sie trafen sich als Mitglieder der Brücke wieder: Heckel und Schmidt-Rottluff als die aktive Mitglieder gemeinsam mit Ernst Ludwig Kirchner und Fritz Bleyl (1880-1966): Alle vier waren junge Studenten, die eine antiautoritäre und gesellschaftskritische Reformbewegung ins Leben riefen. Treffpunkt sind die Studentenzimmer von Kirchner und Bleyl in der Berliner Straße im Stadtteil Dresden-Friedrichstadt. Holstein, Unger und Cohn gehörten der „Brücke“ als Passivmitglieder an. Zur „Brücke“ erläuterte Heckel später. „Wo wir weg mussten, war uns klar. Wohin wir kommen würden, stand allerdings nicht fest.“

Expressive Holzschnitte

Dass wir so zahlreiche Holzschnitte in der Ausstellung zu sehen bekommen, hat seine Gründe: In diesem Medium gelang den jungen Künstlern die Expressivität über das normale Maß hinaus. Mit der Drucktechnik stiegen zugleich die Möglichkeiten der Vervielfältigung und damit der Verbreitung der Arbeiten.

Erich Heckel: A.N. (Portrait Asta Nielsen) 1919, Holzschnitt auf Papier. Repro: Peter Weckbrodt

Erich Heckel: A.N. (Portrait Asta Nielsen) 1919, Holzschnitt auf Papier. Repro: Peter Weckbrodt

Moritzburg ist in Wales

Vergeblich werden Besucher aus dem Dresdner Raum nach Heckels Gemälde „Teich (bei Moritzburg)“ Ausschau halten. Es zeigt das am Dippelsdorfer Teich stehende, 1900 erbaute Rote Haus am Dippelsdorfer Teich mit der für den Moritzburger Raum typischen Kuppenlandschaft. Das Bild musste 1937 mit weiteren Werken von den Kunstsammlungen verkauft werden. Es befindet sich jetzt im Besitz des National Museums of Wales in Cardiff. Eine Abbildung vom „Teich“ ist im Ausstellungskatalog zu finden. Dessen Kauf lohnt, weil neben den hervorragenden Reproduktionen der ausgestellten Bilder umfangreiche Informationen über Leben und Schaffen Heckels vermittelt werden.

Autor: Peter Weckbrodt

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Besucherinformationen:

Erich Heckel, 120 Werke, 17. Januar bis 17. April 2016, Kunstsammlungen Chemnitz, Museum Gunzenhauser, Falkeplatz, 09112 Chemnitz; Öffnungszeiten: Di. bis So. 11-18 Uhr, Eintritt: Erw. 7 Euro, Erm. 4,50 Euro, Jugendliche bis 18 Jahre frei; Katalog 23 Euro; Tel.: 0371-488 7024; www.kunstsammlungen-chemnitz.de

Anfahrt-Karte (Google Maps):

 

Aus dem Begleitprogramm

(Quelle: Kunstsammlungen Chemnitz):

Dienstag, 26. Januar 2016, 19 Uhr
Aufbrüche und Ängste
Europa vor dem Ersten Weltkrieg als Zeitkontext der Brücke

PD Dr. Stefan Gerber, Jena
lehrt Religionsgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.

Dienstag, 16. Februar 2016, 19 Uhr
Im Kampf um die Brücke
Die Familie Gurlitt als früher Förderer

Dr. Meike Hoffmann, Berlin
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle Entartete Kunst an der
Freien Universität Berlin.

Mittwoch, 2. März 2016, 17 Uhr
Restauratorenführung durch die Ausstellung
Svea Saladie, Restauratorin Papier
Detlef Göschel, Restaurator Malerei und Plastik

Dienstag, 12. April 2016, 19 Uhr
Erich Heckel – Karl Schmidt-Rottluff. Eine Künstlerfreundschaft
Dr. Janina Dahlmanns, Berlin
2016 erschien Janina Dahlmanns Dissertation Erich Heckels Werk der Zwischenkriegsjahre 1919–1937 im Verlag Dr. Kovač.

17. März 2016, 19 Uhr
Kunstreligion
Zur prekären Beziehung von Kunst und Religion in der Moderne

Prof. Dr. Reinhard Hoeps, Münster
lehrt Systematische Theologie und ihre Didaktik an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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