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Chefs der Generation Y setzen sich gen Süden ab

Vor allem Unternehmer aus dem Dienstleistungssektor nutzen inzwischen auch gern mal die modernen Internettechnologien, um ihren Firmensitz auf Zeit an einen angenehmeren, wärmeren Ort als Deutschland zu verlagern. Dort wollen sie den Kopf frei kriegen, Ideen tanken und all die Dinge erledigen, die im Unternehmensalltag daheim meist untergehen. Fotos und Montage: Heiko Weckbrodt

Vor allem Unternehmer aus dem Dienstleistungssektor nutzen inzwischen auch gern mal die modernen Internettechnologien, um ihren Firmensitz auf Zeit an einen angenehmeren, wärmeren Ort als Deutschland zu verlagern. Dort wollen sie den Kopf frei kriegen, Ideen tanken und all die Dinge erledigen, die im Unternehmensalltag daheim meist untergehen. Fotos und Montage: Heiko Weckbrodt

Während immer mehr Angestellte auf Heimarbeit pochen, erproben die Chefs von heute die Unternehmensführung aus Urlaubsorten

Dresden/Köln, 5. Januar 2015. Ronny Siegel ist 40 und leitet eine Internet-Dienstleistungsfirma in Dresden – zumindest den größten Teil des Jahres über. Wenn es ihm aber zu kalt oder zu öde in Deutschland wird, verlagern er und sein Kompagnon den Unternehmenssitz de facto wochenweise in den sonnigen Süden, nach Barcelona zum Beispiel oder nach Teneriffa. „Unser Ziel ist es, das Unternehmen so zu entwickeln, dass wir in Zukunft mindestens ein Quartal oder vielleicht auch die Hälfte des Jahres vom Ausland aus arbeiten können“, sagt Ronny Siegel.

Ronny Siegel. Foto: privat

Ronny Siegel. Foto: privat

Die Vorteile liegen für ihn auf der Hand: „Wenn wir in einer anderen Stadt arbeiten, ändert sich der Blickwinkel auf viele eingefahrene Routinen. Man zerfasert sich nicht mehr so am Kleinkram, der im Heimatbüro in Dresden die ganze Zeit auffrisst. Unsere Arbeitstage in Barcelona haben wir zum Beispiel auf 10 bis 14 Uhr festgelegt. Aber in den vier Stunden in Spanien haben wir mehr geschafft als in zwölf Stunden in Dresden.“

„Ich fand das cool“

„Ich fand das cool“, erzählt ein anderer Unternehmer, der eine Ermittlungsagentur in Dresden leitet. Auch er hatte gemeinsam mit seiner Ko-Geschäftsführerin die Unternehmenszentrale gewissermaßen „auf Zeit“ in einen Urlaubsort verlegt – in einen Badeort an der Ostsee. Zwar sei die Idee einer Teilzeit-Unternehmensführung vom Meer aus letztlich an zu lahmen Internetverbindungen gescheitert. Aber: „Es ist natürlich einfach schön, wenn Du abends nach der Arbeit mal eben zum Strand schlendern kannst.“

Lucia Falkenberg. Foto: eco

Lucia Falkenberg. Foto: eco

eco-Expertin: Generation Y ist von solchen Konzepten begeistert

Lucia Falkenberg vom Verband der Internetwirtschaft „eco“ in Köln sieht in solchen Beispielen ein Phänomen der „Generation Y“: „Die sind von solchen Konzepten begeistert“, meint die Koordinatorin der eco-Kompetenzgruppe „New Work“. Gemeint sind mit „Generation Y“ jene Jüngeren, für die Familie und Privatleben wichtiger sind als „die Firma“, die zwar auch mal Überstunden schrubben – aber nur, wenn ihnen der Chef viel Spielraum lässt, zum Beispiel flexible Heimarbeit erlaubt. Zu dieser Generation gehören aber eben auch viele Arbeitgeber. Und auch sie wollen Freiräume jenseits ihrer „Chef-Hamsterräder“, probieren daher Konzepte wie die Unternehmensführung vom Urlaubsort aus.

Für Angestellte sei diese Ortsunabhängigkeit der Arbeit bereits „ein Riesenthema“, sagt Lucia Falkenberg. „Manche sprechen hier sogar vor einer Revolution des sozialen Lebens und der Arbeitswelt, der sich da anbahnt.“ Dass auch Unternehmer solche Fernarbeits-Konzepte ausprobieren, sei noch selten. „Aber es gibt schon einige, die zumindest wichtige Meetings bewusst irgendwo extern abhalten, in der Hoffnung, dass sie so neue Perspektiven auf Probleme finden und nicht dauernd vom klingelnden Telefon abgelenkt werden.“

IHK Dresden sieht wachsende Dezentralisierung einiger Unternehmen

„Wir sehen hier eine wachsende Dezentralisierung einiger Unternehmen“, berichtet auch Lars Fiehler, der Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden. „Da arbeiten immer häufiger Teams zusammen, die an vollkommen unterschiedlichen Orten sitzen.“ Solche Konzepte seien es auf jeden Fall wert, ausgetestet zu werden, können sie doch für Chefs wie Angestellte Job und Familie vereinbarer machen und auch die Kreativität beflügeln.

Lars Fiehler. Foto: IHK Dresden

Lars Fiehler. Foto: IHK Dresden

Richtig möglich geworden sei dieser Wandel in der Arbeitswelt aber erst durch die Digitalisierung, schätzt Fiehler ein. Denn zumindest im Dienstleistungssektor funktionieren viele Geschäftsprozesse inzwischen internetgestützt und sind damit nicht mehr physisch an eine Unternehmenszentrale gefesselt. „Allerdings steht und fällt das eben auch mit einer vernünftigen Internetverbindung. Und die ist bis heute selbst in dichtbesiedelten Gebieten oft noch ein Problem.“

Lahmes WLAN: 1. Versuch war ein Desaster

Das haben auch Ronny Siegel und sein Kompagnon zu spüren bekommen. „Der erste Versuch war ein einziges Desaster“, erzählt Ronny Siegel. „Wir haben anfangs versucht, von einem Hotel aus zu arbeiten und alles Geschäftliche zu erledigen. Doch die Internet-Verbindung im Hotel war katastrophal langsam.“ Seitdem mieten sich die beiden Unternehmer meist in sogenannten „Co-Working Places“ ein – Mietbüros mit garantiert schnellen Netzanschlüssen. Eigentlich hatten die Internet-Experten gehofft, so auch neue Kontakte ins Ausland knüpfen zu können. „Das hat sich allerdings bisher noch nicht so richtig ergeben“, räumt Siegel ein. Mit dem Konzept im Ganzen hat er sich jedenfalls angefreundet. Mit seinem Geschäftspartner bereitet er schon den nächsten Firmensitz-Wechsel auf Zeit vor: Diesmal arbeiten die beiden von Teneriffa aus…

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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