Forschung, News, zAufi
Kommentare 1

Fusionsreaktor Wendelstein zündet in Greifswald

Das erste Plasma in Wendelstein 7-X. Es bestand aus Helium, dauerte eine Zehntel Sekunde und erreichte eine Temperatur von rund einer Million Grad Celsius  (Eingefärbtes Schwarz-Weiß-Foto). Abb.: IPP

Das erste Plasma in Wendelstein 7-X. Es bestand aus Helium, dauerte eine Zehntelsekunde und erreichte eine Temperatur von rund einer Million Grad Celsius (Eingefärbtes Schwarz-Weiß-Foto). Abb.: IPP

Erster Versuch mit heißem Helium-Plasma im Stellarator-Design

Greifswald, 10. Dezember 2015. Max-Planck-Forscher haben heute erstmals den neuartigen Fusionsreaktor „Wendelstein 7-X“ in Greifswald gezündet. Dieser Reaktor ist nach dem „Stellarator“-Design gebaut, bei dem ein scheinbar bizarr verdrehtes Magnetfeld das ultraheiße Fusionsplasma in der Schwebe hält.

Test ohne Fusion

Eine Kernfusion kam allerdings heute (wie geplant) nicht zustande: Die Physiker und Ingenieure hatten zunächst nur eine kleine Dosis des Edelgases Helium in die kunstvoll verdrehte Vakuumkammer eingeschossen und durch Mikrowellen-Pulse für eine Millisekunde auf rund eine Million Grad erhitzt. Für einen Fusionsbetrieb hätten sie statt Helium eine größere Menge Wasserstoff auf etwa 100 Millionen Grad erhitzen und für eine längere Zeit stabil in der Magnetschwebe halten müssen. Mit der Probe-Zündung wollte das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald zunächst nur austesten, ob der Reaktor prinzipiell funktioniert und das ungewöhnlich geformte Magnetfeld den Ring aus heißen Helium-Ionen nicht sofort abwürgt.

Blick in den Reaktorraum des Wendelstein 7X. Foto: Heiko Weckbrodt

Blick in den Reaktorraum des Wendelstein 7X. Foto: Heiko Weckbrodt

Ab 2016 wird Wasserstoff eingeschossen

„Erst im nächsten Jahr wechseln wir zu dem eigentlichen Untersuchungsobjekt, einem Wasserstoff-Plasma“, erläutert Projektleiter Professor Dr. Thomas Klinger. „Denn mit Helium ist der Plasmazustand leichter zu erreichen. Außerdem können wir mit Helium-Plasmen die Oberfläche des Plasmagefäßes reinigen“.

Sind ziemlich stolz auf das deutsche Design für einen Fusionsreaktor: Edward Krubasik, der Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (links) und Wendelstein-Projektleiter Thomas Klinger. Foto: Heiko Weckbrodt

Sind ziemlich stolz auf das deutsche Design für einen Fusionsreaktor: Edward Krubasik, der Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (links) und Wendelstein-Projektleiter Thomas Klinger. Foto: Heiko Weckbrodt

Supercomputer berechneten verdrehtes Stellarator-Design

Der „Stellarator“-Reaktor „Wendelstein 7X“, der mit einem Aufwand von 370 Millionen Euro in den vergangenen neun Jahren an der Ostseeküste gebaut wurde, verfolgt einen alternativen Designpfad hin zur Kernfusion im Vergleich zum milliardenteuren ITER-Fusionskraftwerk, das derzeit in Cadarache in Frankreich entsteht. Der ITER-Testreaktor folgt dem „Tokamak“-Design, bei dem das Fusionsplasma durch Magneten in der Schwebe gehalten werden, die eine Art riesiges, aber kreisrundes Kringel-Feld erzeugen. Die verdrehte Feldform, die im Wendelstein 7X entsteht, wurde dagegen theoretisch durch Supercomputer berechnet. Einen dritten Ansatz verfolgen die US-Amerikaner, die Wasserstoffkügelchen durch massiven Laserbeschuss in der Schwebe halten und bis auf Fusionstemperatur bringen wollen. Welches Design sich letztlich durchsetzt, bleibt abzuwarten. Bis zu einem praxistauglichen Fusionskraftwerk ist es in jedem Fall noch ein langer Weg.

In der Grafik, die Prof. Robert Wolf hier zeigt, ist zu sehen, wie das Plasma-Magnetfeld beim ITER (links) geformt ist und welch bizarre Form es bei Stellarator-Kernfusionsreaktoren wie beim Wendelstein aussieht. Foto: Heiko Weckbrodt

In der Grafik, die Prof. Robert Wolf hier zeigt, ist zu sehen, wie das Plasma-Magnetfeld beim ITER (links) geformt ist und welch bizarre Form es bei Stellarator-Kernfusionsreaktoren wie beim Wendelstein aussieht. Foto: Heiko Weckbrodt

Vorbild Sonnenkraft

Das große Vorbild für all diese Reaktoren ist aber unsere Sonne: Sie erzeugt schier unerschöpflich scheinende Energiemengen, indem sie Wasserstoff-Atomkerne zu Helium-Kernen bei extrem hohen Temperaturen verschmilzt. Ist der Wasserstoff aufgebraucht, wird unser Stern in etwa fünf Milliarden Jahren damit beginnen, Helium zu Kohlenstoff zu verschmelzen, bis auch dieser Brennstoff aufgebraucht ist.

Schier unerschöpfliche und fast saubere Energiequelle jenseits von Uran und Kohle

Durch solche und ähnliche stellare Prozesse sind auch die meisten Elemente im Universum entstanden (fast alles zwischen Helium und Eisen im Periodensystem). Anders als bei der Kernspaltung entstehen nur wenige und vergleichsweise rasch abklingende radioaktive Abfälle bei der Kernfusion. Bisher beherrscht die Menschheit aber nur den Einsatz der Kernfusion als Waffe (Wasserstoffbombe). Gelänge es, die Kernfusion auch friedlich nutzbar zu machen, könnte dies viele Energie- und Umweltprobleme auf einen Schlag lösen.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

1 Kommentare

Schreibe einen Kommentar