Forschung, News

Geköpft wurde schon vor 9000 Jahren

Vor 9000 Jahren geköpft: Die Abbildung zeigt die Form der Bestattungsgrube (links) und die Anordnung der Hände vor dem Gesicht (rechts). Foto: André Strauss, MPI-EVA

Vor 9000 Jahren geköpft: Die Abbildung zeigt die Form der Bestattungsgrube (links) und die Anordnung der Hände vor dem Gesicht (rechts). Foto: André Strauss, MPI-EVA

Leipziger Forscher analysieren Leichnam in Brasilien: Kopf wurde „durch Ziehen und Drehen abgetrennt“

Leipzig, 23. September 2015. Uns gilt das Enthaupten heute als besonders barbarische Tötung, auf die sich vorzugsweise fanatische Terroristen verlegen – obwohl gerade die Europäer noch bis vor etwa 50 Jahren gern und oft geköpft haben. Wie Leipziger Forscher nun herausgefunden haben, hat das „Kopf ab“-Prinzip aber wohl sehr weit zurückreichende Wurzeln in der Menschheitsgeschichte: Demnach wurden schon vor 9000 Jahren Menschen im heutigen Brasilien geköpft.

Ein Team um André Strauss vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig hatte für diesen Befund eine Grab-Fundstätte bei Lapa do Santo im östlichen Zentralbrasilien neu analysiert und datiert. Dafür setzten sie moderne Verfahren wie die Beschleuniger-Massenspektrometrie, chemische Isotopen-Untersuchungen sowie ein spezielles Licht-Raster-Mikroskop (Konfokalmikroskop) ein, mit dem sie ein 3D-Computermodell des vor 9000 Jahren begrabenen Menschen erstellten.

„Die Bestattung enthielt den Schädel, den Unterkieferknochen, die ersten sechs Halswirbel und zwei abgetrennte Hände eines erwachsenen Mannes“, beschreiben die Forscher die Fundstätte. „Die rechte Hand bedeckte die linke Gesichtshälfte, die Finger in Richtung Kinn zeigend. Die linke Hand bedeckte die rechte Gesichtshälfte, die Finger in Richtung Stirn zeigend.“ Aus ihren Analysen konnten die Wissenschaftler folgern, dass diesem Mensch „der Kopf durch Ziehen und Drehen vom Körper abgetrennt“ und das Weichgewebe mit einem Steinschaber entfernt worden war. Verschiedene Indizien deuten aber darauf hin, dass der Geköpfte nicht hingerichtet wurde, sondern die Amputationen möglicherweise Teil eines komplexen Bestattungs-Rituals gewesen sein könnten.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt