Oigers Wochenendtipp führt uns auf reformatorische Spuren
Dresden/Torgau, 7. August 2015. Dass der geniale Reformator Martin Luther so seine Probleme mit Kirche, Pabst und den Fürsten hatte, bekamen wir alle schon in der Schule eingebläut. Dass dieser Streit mit dem Anschlagen der 95 Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberg regelrecht eskalierte, das haben wir auch noch drauf. Aber was genau davor war und erst recht danach, da wird’s schon diffus im eigenen Geschichtswissen. Diese Lücken können wir in Torgau schließen – im wunderschönen, wie frisch aus dem Ei gepellten Schloss Hartenfels, das nicht nur wegen der Sonderausstellung „Luther und die Fürsten“, die bis zum 31. Oktober 2015 geöffnet ist, einen Besuch wert ist.
Anfahrt-Tipps
Für die Anfahrt gibt es mehrere Varianten. Da wäre die Verbindung mit der Bahn via Leipzig zu erwägen. Die mit dem Pkw lauten A4/A14 mit Abfahrt Mutzschen – das ist schnell, aber 25 km länger (und langweiliger) als die Straßenvariante über Großenhain und Elsterwerda.
Nagelte Luther wirklich?
Dann werden uns als Erstes besagte 95 Thesen im lateinischen Originaltext und in der uns geläufigeren deutschen Übersetzung um die Ohren gehauen. Ob dies mit dem Anschlagen überhaupt so stattfand, wird gleich bezweifelt. Fakt ist, dass Luther schon vor besagtem 31. Oktober 1517 hochrangige Kirchenvertreter zur Sache angeschrieben hat. Dass Luther mit These 72, in der er den Ablasshandel brandmarkte, richtig Öl ins Feuer goss, das steht zweifelsfrei fest. War doch der Ablasshandel wichtige Finanzierungsquelle für den päpstlichen Vatikanbau.
Zoff mit Kaiser, Papst und Fürsten
Aber auch mit dem Kaiser kam der Reformator in den Streit. Fürchtete doch Karl V., dass neben dem Islam die Lehre Luthers (diese neumodischen Ideen!) im Heiligen Römischen Reich zu einer Erschütterung der inneren Ordnung führen könne.
Mit den Fürsten, zumal mit den weiterhin eisern katholischen, hatte Luther zwangsläufig auch viele Fehden auszufechten. Wir sehen aber auch das jedes Schulbuch schmückende Bildnis des Junkers Jörg auf der Wartburg aus dem Jahre 1522. Es steht für den Schutz, den ihm die sächsischen Herrscher gewährten. Später wirkte Luther gar als Berater des Kurfürsten Johann des Beständigen in religionspolitischen Fragen.
Propagandawelle der Protestanten
Der Besucher erfährt Aufschlussreiches über die von den verfeindeten Parteien eingesetzten propagandistischen Mittel. So wurden in einer bis dato beispiellosen Massenproduktion Bildnisse Friedrich des Weisen, Mäzen der Reformation, auf 120 gleichgroßen Holztafeln geschaffen und vertrieben. Ausführlich werden in der Ausstellung der protestantische Glaube und die Fürstenmacht, die hiermit einhergehenden Bekenntnisse und Bündnisse dargestellt.
Kein Besucher bleibt unbeeindruckt, hält vor Staunen, ja Ehrfurcht, die Luft an, wenn er vor sich die Originale des Leipziger Erstabdrucks der 95 Thesen, das Dokument zur Besiegelung des Augsburger Religionsfriedens von 1555 oder die Aufforderung Karl V. zur Reichsächtung des Wittenberger Erzketzers liegen sieht.
Einmaliger Bildungsgenuss
Beachten sollte der Besucher die großformatischen Karten mit der Darstellung der Glieder des Heiligen Römischen Reiches zu Luthers Lebzeiten oder auch des Sächsisch-thüringischen Territoriums um 1550. Zu letzterem dürfte es Staunen geben, was einst sächsisch war.
Mehrere deutsche Museen und Bibliotheken, aber auch Museen und Archive aus einigen europäischen Ländern haben das zur Dokumentation der Sache Bestmögliche zur Verfügung gestellt. In diesem Sinne ist die Sonderausstellung als einmalig, unwiederholbar und für uns als Sachsen unverzichtbarer Kunst- und Bildungsgenuss. Autor: Peter Weckbrodt
-> Sonderausstellung „Luther und die Fürsten“ , Schloss Hartenfels, Wintergrüne 5, 04860 Torgau; geöffnet bis 31. Oktober 2015, Di-So 10-18 Uhr; Eintritt.: 10 Euro, Erm. 7,50 Euro, Kinder unter 17 Jahren frei; www.luther.skd.museum
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