Wirtschaftspolitik

Ifo Dresden: Sachsen sollte sich auf Aus für Braunkohle einstellen

Braunkohle-Kraftwerk von Vattenfall Boxberg in der Oberlausitz. Der schwedische Konzern hat bereits angekündigt, sich aus der ostdeutschenBraunkohle zurückziehen zu wollen. Foto: Vattenfall

Braunkohle-Kraftwerk von Vattenfall Boxberg in der Oberlausitz. Der schwedische Konzern hat bereits angekündigt, sich aus der ostdeutschen Braunkohle zurückziehen zu wollen. Foto: Vattenfall

Prof. Ragnitz hält jüngsten Kohle-Kompromiss nur für Aufschub – jetzt schon Alternativen aufbauen

Dresden, 5. Juli 2015. Obwohl Bundes-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) seine Sondersteuer für Braunkohle-Kraftwerke vorerst größtenteils aufgegeben hat, sollten sich Sachsen und die anderen Förderländer langfristig auf ein Aus für diesen Energieträger einstellen. Das hat Prof. Joachim Ragnitz vom ifo-Institut in Dresden gemahnt.

Prognose: Zwischen 2030 und 2050 steigt Deutschland aus Steinkohle aus

Jochaim Ragnitz. Abb.: ifo DD

Jochaim Ragnitz. Abb.: ifo DD

Zwar sei der jüngste Kompromiss eher zugunsten der Braunkohle-Förderung und -Energieerzeugung ausgegangen, erklärte der Ökonom. Doch man dürfe sich in Sachsen keinen falschen Illusionen im Freistaat hingeben: In anderen Bundesländern sei die Bereitschaft, an der als besonders umweltschädlich geltenden Braunkohle-Verfeuerung festzuhalten, ziemlich gering. „Bis 2030, spätestens wohl 2050, wird sich Deutschland mit einiger Sicherheit von der Braunkohle verabschieden“, prognostizierte Ragnitz. „Die betroffenen Regionen sollten daher jetzt schon dafür sorgen, dass dort alternative Industrien und Wirtschaftszweige entstehen.“

Länder sollten bei Bund jetzt schon auf Ausgleich dringen, um Alternativindustrien aufzubauen

Politisch sinnvoll könne es beispielsweise sein, wenn Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt gemeinsam bereits heute bei der Bundesregierung auf einen finanziellen Ausgleich für den Ausstieg dringen, selbst wenn es bis daher noch Jahre dauern sollte. Die ostdeutschen Länder könnten bei einem solchen Schritt zurecht auf die Restrukturierungs-Fördermittel verweisen, die ins Ruhrgebiet für die Zeit „nach der Steinkohle“ geflossen seien.

Investitionen in Innovationen, Tourismus oder Benzin aus Braunkohle?

Welche Alternativen in der Lausitz und anderen Braunkohle-Regionen sinnvoll aufbaubar sind, ließ der Ökonom offen. Er hält aber auf jeden Fall Investitionen in die regionalen Universitäten und Institute, in mehr Innovationskraft, für sinnvoll. Daneben könnte die Lausitz sicher auch ihre touristischen Potenziale noch ausbauen. Eine stoffliche Verwertung der Braunkohle – etwa die Gewinnung von Öl und Chemikalien aus diesem Energieträger – hält Ragnitz für einen besonders interessanten Ansatz – bisher sei der aber über Pilotprojekte kaum hinausgekommen, sagte er auf Oiger-Nachfrage. Technologische Methoden, um aus Kohle zum Beispiel Treibstoff zu gewinnen, gibt es zwar bereits seit langem, wurde beispielsweise in Deutschland während des II. Weltkriegs eingesetzt. In Zeiten günstiger und ausreichender Erdöl-Lieferungen rentieren sich solche Verfahren aber betriebswirtschaftlich bisher kaum.

Die Pilotanlage von Sunfire in Dresden-Reick hat mit der Dieselproduktion aus Luft, Wasser und Ökostrom begonnen. Foto: Sunfire/ Cleantech Media

In einer Pilotanlage testet Sunfire inzwischen in Dresden-Reick die Dieselproduktion aus Luft, Wasser und Ökostrom. Möglicherweise lassen sich die hier eingesetzten Keramiktechnologien auch auf die Braunkohle-Verflüssigung übertragen. Foto: Sunfire/ Cleantech Media

Allerdings gibt es in Südafrika, China und den USA inzwischen Ansätze, doch zu einer großformatigen und rentablen Kohleverflüssigung zu kommen. Ein Dreh- und Angelpunkt ist der hohe Energiebedarf dieser Verfahren. Viele Ansätze, die finanzielle und ökologische Gesamtbilanz der Technologie zu verbessern, zielen beispielsweise auf werkstofftechnisch verbesserte Anlagen beziehungsweise den Einsatz von überschüssigem Windkraft- oder Solar-Strom.

Kohle-Verflüssigung ist (noch) unrentabel

Hintergrund der Braunkohle-Diskussion: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte kürzlich eine Klimaschutz-Angabe für Braunkohle-Kraftwerke angekündigt. Nach Protesten der braunkohle-fördernden Bundesländer, die den Verlust Zehntausender Jobs befürchteten, hatte Gabriel diese Pläne aber größtenteils wieder revidiert. Statt dessen sollen die Betreiber nun mit Prämien dazu animiert werden, ihre Braunkohle-Kraftwerke schrittweise vom Netz zu nehmen.

Autor: Heiko Weckbrodt

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt